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Glück und Tragik eines Dombaumeisters

Orte der Erinnerung: Vor 100 Jahren vollendete Carl Julius Raschdorff den neuen Berliner Dom

Die Ruhestätte auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof. Der Stein existiert allerdings nicht mehr
Foto: Förster

In Berlin kann man heute noch zwei wichtige Bauten des architektonischen Wilhelminismus besichtigen: Wallots Reichstagsgebäude und Raschdorffs Berliner Dom. Das Gotteshaus am Lustgarten sollte nach dem Willen Wilhelms II. den ungeliebten Reichstag architektonisch in den Schatten stellen. Nachdem der Hohenzoller 1898 das Heilige Land bereist hatte und zum selbst ernannten "Schutzherrn der Christenheit" avancierte, sollte der Dom einen "katholischen Glanzprotestantismus" zelebrieren. Trotz Unterstützung von höchster Seite wurde aber der beauftragte Baumeister Raschdorff mit seinem Werk nicht glücklich. Er vereinsamte mit dieser Aufgabe und hatte den Spott der Um- und Nachwelt zu ertragen. Dabei hatte alles so gut angefangen. Carl Julius Raschdorff, am 2. Juni 1823 in Pleß/Schlesien geboren, absolvierte nach dem Abitur eine Feldmesserlehre und begann 1844 das Studium an der Berliner Bauakademie - ganz im spätklassizistischen Geist Schinkels. Nach bestandener Bauführer- und Baumeisterprüfung (1848 und 1853) begann seine Karriere als Baubeamter in der preußischen Provinz. Aber bereits 1854 wurde Raschdorff zweiter und 1864 erster Stadtbaumeister in Köln. Er heiratete in der Domstadt und gründete eine Familie. In Köln befasste er sich mit der Rekonstruktion mittelalterlicher Kirchen wie St. Gereon oder St. Martin, baute aber auch öffentliche Gebäude wie das Wallraff-Richartz-Museum.

Seit den 1860er-Jahren neigte der Zeitgeist zum architektonischen Historismus. Raschdorff wurde Experte für die Neorenaissance, ein Meisterarchitekt, seine Zukunft lag nun in der deutschen Metropole. Das architektonische Berlin benötigte 1878 einen Renaissance-Experten für den Lehrstuhl an der neu entstehenden Technischen Hochschule und einen Architekten als Nachfolger für Richard Lucae (1829-1877), der zusammen mit Friedrich Hitzig (1811-1881) das neue Hauptgebäude der TH projektiert hatte. Um die Aufgaben zu lösen, siedelte er in die Hauptstadt über und hatte dort seinen TH-Lehrstuhl bis 1911 inne. Raschdorff war in Berlin eine Überraschung, weil er - unterstützt von dem rheinischen Abgeordneten Reichensperger - den kapitalistischen Unternehmergeist gegen die preußische Baubürokratie bringen wollte. Ein Entrüstungssturm des Berliner Baubeamtentums brach los. Zuspruch erhielt er allerdings durch die privaten Architektengemeinschaften Berlins, obwohl sich der Architektenverein wegen Raschdorffs Intentionen spaltete.

1881 traf Carl Julius Raschdorff das Kronprinzenpaar. Victoria, die Princess Royal, fand Interesse an seinen architektonischen Arbeiten. Großes wurde erörtert, es ging um den Neubau des Berliner Doms. Als 1888 der alte Kaiser starb, beschleunigte sein Nachfolger Friedrich III. die Planung, doch auch dieser starb früh. Nun übernahm Wilhelm II. das Projekt, stoppte den Architektenwettbewerb und übertrug Raschdorff die Aufgabe. Dieser unterwarf sich zwar den Wünschen des jungen Potentaten, doch das Ansehen des Dombaumeisters sank in demselben Maße, wie der Dom Gestalt annahm.

Raschdorff starb hochbetagt am 13. 8. 1914 bei Buckow. Seine letzte Ruhe fand er in einem Ehrengrab auf dem Dorotheenstädtischen Kirchhof II in Berlin Mitte. Der Grabstein ist heute zerstört.

Hans Christian Förster

Weitere Artikel aus der Serie "Orte der Erinnerung" finden Sie im Internet.
www.tu-berlin.de/uebertu/erinnerung.htm

 

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