Vier Ortstermine quer durch Raum und Zeit in Charlottenburg
Seit ihrer Gründung war die TU Berlin Quelle innovativen
Gründertums - eine Spurensuche
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Im Brennhaus der Firma March
um 1900
Aus: Geschichtslandschaft Berlin, Nicolai Verlag, 1986 |
Am Anfang war nur ein Ort: ein Schloss und ein Park. Und es gab
eine kluge preußische Königin, Sophie Charlotte, die
erkannte, dass aus der märkischen Streusandbüchse nur
dann etwas werden könne, wenn viel Intelligenz investiert würde.
Die Idee einer Vereinigung von wissenschaftlicher Reflexion, künstlerischem
Können mit zielstrebigem Unternehmertum trug viel zum geschichtlichen
Aufstieg der Stadt Charlottenburg bei.
Die verkehrsgünstige Gegend am "Knie" zwischen Berliner
Straße und Weidengraben, heute Landwehrkanal, wurde ein wichtiger
Ort der beginnenden Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Mehrere Unternehmen siedelten sich hier an. Eines davon war die
1836 eröffnete Tonwarenfabrik Ernst March. Er produzierte zunächst
Industriekeramik und spezialisierte er sich später auf Terrakotta-
und Majolikaproduktion. Der Ausbau der Hauptstadt seit 1840 schuf
eine immer größere Nachfrage nach diesen Baukeramiken.
"March & Söhne" expandierten und belieferten
bald ganz Norddeutschland. In Zusammenarbeit mit Berliner Architekten
und Künstlern fanden diese modischen Terrakotten beim Bau des
Roten Rathauses, für das Dekor des Martin-Gropius-Baus, für
zahlreiche Kirchenbauten und das Stadtpalais der Berliner Belle
Epoque Verwendung. Um 1900 galten "March & Söhne"
als eines der führenden Unternehmen auch für technische
Keramik auf dem Kontinent. 1904 fusionierte das Unternehmen zur
"Deutschen Ton- und Steinzeugwerke AG", aber der Firmensitz
blieb bis 1945 in der 1871 errichteten Villa March. Seit 1950 gehört
der legendäre Ort zum Areal der TU Berlin. Zu den Nachbarn
der Firma March gehörte die chemische Farbenfabrik Beringer.
Dieser Ort erlangte durch ein Epoche machendes Experiment zusätzliche
Berühmtheit. Adolf Slaby, Schwiegersohn des Fabrikanten und
Professor an der gegenüberliegenden Technischen Hochschule,
unternahm hier im Juni 1897 seine ersten Versuche mit "Funkentelegraphie".
Dies führte zwar einerseits zum Beginn einer neuen Epoche im
drahtlosen Nachrichtenwesen, bewirkte aber andererseits den totalen
Zusammenbruch des Charlottenburger Telefonsystems. In der Berliner
Zentrale vermutete man ein Großgewitter am Salzufer. Dennoch
erlebte diese neue Spitzentechnologie ihren praktischen Durchbruch.
1903 gehörten die Firmen Siemens und die AEG in Berlin und
Charlottenburg zu Zentren der modernen deutschen elektrotechnischen
Industrie. Aus der Technischen Hochschule kamen immer neue Innovationen
für diese Zukunftstechnologien. In Kooperation mit den großen
Elektrofirmen entstand im Jahre 1903 - initiiert von Graf Arco -
die "Telefunken AG". Damit war der Grundstein gelegt für
die expandierende Radio- und Fernsehproduktion der Zwanziger-, Dreißigerjahre.
Nach dem 1. Weltkrieg wurden Charlottenburg und der Neue Westen
nicht nur Ort der Unterhaltungsindustrie, sondern auch Treffpunkt
der jungen innovativen Intelligenz. Die Zeiten waren schwer und
nur das Ungewöhnliche schien Erfolg versprechend. Drei junge
arbeitslose Techniker, Hans Vogt, Joseph Massolle, Jo Engl, schlossen
sich damals zur Erfindergemeinschaft "Triergon" zusammen.
Sie wollten den Stummfilm zum Sprechen bringen. Die elektroakustische
Meisterleistung revolutionierte den Film und die Medienindustrie.
Der historische Ort für die sensationelle Premiere wurde das
Kino "Alhambra" am Kurfürstendamm. Einige Journalisten
erkannten die umstürzende Rolle dieser Erfindung, gewisse Lobbyisten
aber fanden, der Stummfilm mit Ton ruiniere die künstlerische
Qualität. Dem jungen Erfinderteam blieb der ideelle Erfolg.
Erst als 1928 der Amerikaner William Fox mit einem in dieser Technik
gedrehten Tonfilm den deutschen Markt eroberte, erkannte die deutsche
Filmindustrie ihren kapitalen Fehler.
Hans Christian Förster
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