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Knuffig - das Genie als Kuscheltier

Wie Albert Einstein zum Medienstar wurde

 
Foto: alliance picture  

Albert Einstein ist nicht einfach nur der berühmteste Wissenschaftler aller Zeiten - er hatte schon zu Lebzeiten den Kultstatus weltweiter Allbekanntheit. So populär zu sein wie Jesus oder die Beatles ist für einen modernen Wissenschaftler aber überaus erstaunlich und unwahrscheinlich. Wie konnte Einstein zum Popstar werden, obwohl moderne Wissenschaft eigentlich unanschaulich und unverständlich erscheint? Das Wissen scheint in der Moderne geradezu explosionsartig anzuwachsen. Dem entsprechen Spezialisten, die fast alles über fast nichts, und Generalisten, die fast nichts über fast alles wissen. Es gilt heute als gesichert, dass die Grundlagen der Wissenschaft unsicher sind.

Mit und an Einstein wurde erstmals deutlich, wie die Aufmerksamkeitsregeln der Massenmedien unser Bild von der Wissenschaft bestimmen.

Medien interessieren sich für Geschichten, für konkrete Menschen, nicht für Teams oder Labore. Und mit Albert Einstein hat die fortgeschrittenste, eben unanschauliche und unverständliche Wissenschaft, ein unverwechselbares Gesicht bekommen. Kultur lebt von Wertschätzungen aus zweiter Hand. Jeder wusste schon 1905, dass Einstein ein Genie war, was heute auch jeder von Stephen Hawking weiß - obwohl es kaum jemand beurteilen kann. Als Genie betritt der Wissenschaftler den "celebrity"-Markt, auf dem sich schon Autoren, Filmstars und Sportler tummeln. Gerade Einstein erfüllte und erfüllt uneingeschränkt die Definition von celebrity: excellence plus ubiquity plus intimacy.

In der Wissenschaft spielt Genie eigentlich keine Rolle. "Genie" ist der Name für die externe Zurechnung von Neuem in Wissenschaft und Kunst. Genialität entsteht, wenn die Evolution von etwas wissenschaftlich Neuem einem Individuum zugerechnet wird oder wenn der Zufall in ein Verdienst umgerechnet wird.

Einstein war aber kein Medienopfer. Zum erfolgreichen "celebrity design" gehört auch der Spaß an der Selbstinszenierung. Einstein hat den von ihm verkörperten Gegensatz zu den Geheimratsphysiognomien der Wissenschaftler um 1900 kultiviert - und es genügt ein Blick auf ein beliebiges Porträt etwa Max Plancks, um zu sehen, wie groß die Differenz zwischen wissenschaftlichem Genie und Popstar ist. Auf jedem Bild wirkt Einstein kindlich, freundlich, knuffig - das Genie als Kuscheltier. Und tatsächlich scheint Einstein auch heute noch für viele als intellektueller Teddybär zu funktionieren, nämlich als ideales "transitional object" beim schmerzhaften Übergang in die Welt der modernen Wissenschaft.

Prof. Dr. Norbert Bolz,
Fachgebiet Medienwissenschaft

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