Bildungskollaps verhindern
Universitäten fordern Mittel zur Bewältigung des "Studentenberges"
Mit
der "Untertunnelung" wie bereits einmal in den Siebzigern
wird man diesmal das Problem "Studentenberg" nicht in
den Griff bekommen. Darüber sind sich die Bildungsverantwortlichen
im Lande einig. Mitte Oktober hatte die Kultusministerkonferenz
(KMK) eine neue Prognose veröffentlicht, nach der die Zahl
der Studienanfänger in Deutschland bis zum Jahr 2012 um 80000
bis 100000 vom derzeitigen Stand auf 450000 steigen wird. Die Gesamtzahl
der Studierenden soll dann zwischenzeitlich auf bis zu 2,7 Millionen
von derzeit zwei Millionen klettern. Grund dafür sei vor allem
der Umstand, dass zwischen 2011 und 2014 durch die Verkürzung
der Schulzeit auf zwölf Jahre bis zum Abitur in mehreren Bundesländern
doppelte Jahrgänge die Gymnasien verlassen.
Das deutsche Hochschulsystem könnte einen "Studentenberg"
von bis zu einer halben Million mehr Studierenden in vier bis fünf
Jahren nicht verkraften, erklärte Professor Peter Gaehtgens,
der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Bereits
jetzt bestünde eine Überlast, die infolge von Budgetkürzungen
und Stellenabbau ständig zunehme. Vor allem dürften zur
Bewältigung der Studierendenmassen nicht die Ressourcen herangezogen
werden, die für die Umsetzung des Bologna-Prozesses vorgesehen
seien. Dies gefährde die einvernehmlich geplante Reform. Vollends
inakzeptabel sei der Vorschlag, die zu erwartenden Einnahmen aus
den Studiengebühren zur Bewältigung des Studentenbergs
einzusetzen.
Auch in der TU Berlin schaut man mit Sorge auf die Zahlen aus der
KMK. Die Technische Universität habe in der Vergangenheit bereits
herbe Einschnitte hinnehmen müssen, sagte TU-Präsident
Kurt Kutzler, und sei nun nach schwierigen Reformprozessen auf dem
Weg zu einer zukunftsweisenden Profilbildung. Dazu gehöre im
Bereich Lehre auch die Verbesserung der Lehrqualität und damit
die Verkürzung von Studienzeiten. Im Interesse des Technologiestandortes
Deutschland dürfe dieser Weg auf keinen Fall gefährdet
werden. Um einen Bildungskollaps zu vermeiden, unterstütze
die Leitung der TU Berlin die politische Forderung der HRK, die
mit einem jährlichen Mehrbedarf an Finanzmitteln von 1,5 bis
2 Milliarden Euro rechnet, nach einer gesonderten Finanzausstattung.
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Das planen die Bundesländer
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers
forderte trotz der Föderalismusdebatte auch künftig
Hochschulsonderprogramme vom Bund, da sonst die Ausbildung
der zusätzlichen Studierenden nicht zu gewährleisten
sei. Die beiden süddeutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg
haben bereits begonnen, das Problem anzupacken. Bayern schloss
im Mai 2005 einen Hochschulpakt "Innovationsbündnis
Hochschule 2008". Trotz des rigorosen Sparprogramms sollen
die Hochschulen im Haushalt Priorität erhalten und sind
von Haushaltssperren vorerst nicht betroffen. Die anderen
Ressorts müssten dafür Opfer bringen. Zusätzliche
Stellen für die Hochschulen sind für den Beginn
der starken Jahrgänge angekündigt. Auch der Baden-Württembergische
Ministerpräsident Günther Öttinger stellte
klar, dass der Übergangsjahrgang mit "Bordmitteln"
nicht zu bewältigen sei, insbesondere nicht, wenn jedem
Studieninteressierten ein Studienplatz garantiert werden solle.
Er will ein befristetes Übergangsprogramm einplanen.
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