Eher Verwaltung als Aufbruch
Elite-Institut: TU-Wissenschaftler sind skeptisch
Die Idee einer Europäischen Spitzen-Forschungsstätte
"European Institute of Technology", vergleichbar mit dem
MIT in Boston, nimmt im Europäischen Parlament immer konkretere
Konturen an (s. auch Artikel auf dieser Seite). TU-Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler, die mit großen EU-Projekten befasst sind,
sagen in TU intern, was sie davon halten.
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Foto: privat |
Prof. Dr.-Ing. Frank Thiele, Fachgebiet Numerische
Thermofluiddynamik, Hermann-Föttinger-Institut für Strömungsmechanik
Ich glaube nicht, dass eine
solche übergeordnete Einrichtung sinnvoll ist. Man verkennt
dabei völlig die Entstehung und Arbeitsweise des MIT. Ich fürchte,
hier wird wieder nur übergeordnete Bürokratie erzeugt.
Große Projekte, zum Beispiel SILENCER, leiden jetzt schon
unter der übermäßigen Abstimmung. Zudem ist mir
völlig unklar, unter welchen Bedingungen und Finanzierungen,
wie lange und mit welchen Aufgaben die Wissenschaftler dort arbeiten
sollen. In der Regel haben die Wissenschaftler doch nationale Arbeitsverträge.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies funktioniert.
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Foto: TU-Pressestelle |
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Prof. Dr. Klaus Rebensburg, Leiter des Forschungsschwerpunkts
(FSP-PV) "Netzwerke und Multimediale Anwendungen"
Europa braucht nicht unbedingt eine gemeinsame Spitzeneinrichtung
herkömmlicher Art. Zeitgemäßer wären heute
neue gemeinsame, mehr virtuelle, vernetzte Add-on-Konzepte zwischen
existierenden Centers of Excellence in Europa.
Der legendäre Erfolg des MIT kann nicht einfach vorbildhaft
"nachgegründet" werden. Das MIT als lokale Hochschule
mit 150 Jahren Tradition verdankt aktuell diskutierte Forschungserfolge
den Investitionen, die erst seit dem Zweiten Weltkrieg getätigt
wurden, auch für nationale Sicherheit und Rüstung. Der
Europäische Forschungsrat mit 22 Gründungsmitgliedern
verspricht eher Verwaltung als Aufbruch. Das EIT-Budget von 1,6
Milliarden Euro entspricht dem Budget von rund vier großen
Hochschulen - bei 25 EU-Staaten. Daher mein Plädoyer für
neueKonzepte.
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Foto: TU-Pressestelle |
Prof. Dr. Dieter Bimberg, Leiter des Instituts
für Festkörperphysik
1. Es gibt in den USA nichts
dergleichen. Das MIT ist eine von mehreren Spitzenforschungshochschulen
(nicht Forschungsinstitut!) in Massachussetts wie auch das California
Institute of Technology (CALTECH) in Kalifornien und andere. 2.
Regional gibt es dergleichen bereits in Europa: In Deutschland bei
der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz-Gesellschaft ... oder
sollte es dort keine Spitzenforschung geben? Ich denke schon! In
Belgien im IMEC (Interuniversity MicroElectronics Center), in Frankreich
bei der CEA (Commissariat à l'Energie Atomique), dem CNRS
(Centre National de la Recherche Scientifique), in den Einrichtungen
in Frascati/Italien und weiteren.
Ergo: In meinen Augen ist das diskutierte EIT ein von wenig Kompetenz
zeugender Vorschlag zur Gründung einer weiteren Dauereinrichtung,
von denen wir bereits zu viele haben, der zur Verschleuderung von
materiellen und menschlichen Ressourcen führt, welche dann
der Projektförderung, die gerade auch Hochschulen wie der TU
Berlin wichtig sind, entzogen würden.
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Foto: privat |
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Prof. Dr. Susanna Orlic, Professorin für Experimentalphysik
mit dem Schwerpunkt Optische Technologien
Aus eigener Erfahrung weiß
ich, dass Europäer sehr gut und gerne zusammenarbeiten und
dass multinationale Kooperationen oft zu wertvollen synergetischen
Effekten führen. Grundsätzlich ist jede Initiative zur
europäischen Integration im Bildungs- und Forschungsbereich
zu begrüßen, insbesondere wenn Spitzenleistungen adressiert
werden mit dem Ziel, Wissenschaft und Technologie made in Europe
weltweit stärker zu machen und besser zu positionieren. Nachdenklich
stimmt, dass sich hinter jeder Initiative ein völlig überdimensionierter
bürokratischer Apparat aufbaut. Der Weg zu einem europäischen
Eliteinstitut wird kein einfacher, aber auch das MIT ist 1861 mit
gerade 15 Studenten gestartet worden.
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Foto: TU-Pressestelle |
Prof. Dr.-Ing. Björn A. T. Petersson, Fachgebiet
Technische Akustik - Körperschall
Das US-amerikanische MIT ist sicherlich eine Eliteeinrichtung
mit sehr guter finanzieller Ausstattung. Doch es wird kaum eine
Einrichtung geben, die in allen Bereichen die anderen überstrahlt.
Auch in den USA gibt es diverse Universitäten, die in bestimmten
Bereichen besser sind als das MIT. Ich denke zum Beispiel an Forschungen
im IT-Bereich und andere Bereiche der Signalverarbeitung, in denen
die kalifornischen Universitäten die Nase vorn haben.
In Westeuropa gibt es durch die Erasmus-Programme oder die Marie-Curie-Fellowships
eine sehr gesunde Kultur der Eliteförderung. Brauchen wir da
eine weitere Einrichtung, die hohen bürokratischen Aufwand
erfordert und doch nicht das ganze Spektrum europäischer Spitzenforschung
abdecken kann?
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