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November 2005
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Die ausgestreckte Hand ergreifen

Der Architekten- und Ingenieur-Verein unterstützt junge Berufseinsteiger mit einem Patenschaftsmodell

Manfred Semmer (rechts) mit seinem Schützling Stephan Kulle auf der Dachterrasse des Vereins
Foto: TU-Pressestelle/Pätzold

Als Wilma Glücklich 1978 ihr Diplom in Landschaftsplanung und -entwicklung an der TU Berlin ablegte, stieß sie mit ihrem Interesse für den Schutz und die Hege des öffentlichen Grüns auf offene Ohren. Umweltthemen boomten und jeder Grashalm wurde zweimal begutachtet. Für Daniela Fleig, die 2002 ihr Diplom in Landschaftsarchitektur und Umweltplanung absolvierte, sieht die Sache mittlerweile anders aus. Jobs sind rar, Geld ist nicht vorhanden und auch die Themen haben sich verändert. Abriss, brachliegende Flächen und der Umbau der schrumpfenden Stadt beschäftigen die Menschen heute.

Um junge Kollegen wie Daniela Fleig zu unterstützen, entwickelte der traditionsreiche Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (AIV) e.V. ein Patenschaftsmodell, in dem erfahrene Experten den Berufseinsteigern helfen.

Seit 35 Jahren gehört Manfred Semmer dem AIV an, inzwischen ist er Vorsitzender des Vereins. Der Betriebswirtschaftler und promovierte Architekt hat Theater und Krankenhäuser entworfen, restauriert und neu gebaut, Mietskasernen modernisiert und saniert, ist öffentlich bestellter und vereidigter, nach Euronorm zertifizierter Sachverständiger und führt zwei eigene Büros - kurz: Er kann auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken. In Stephan Kulle, der nach einer Lehre als Versicherungskaufmann im Dezember 2004 das Studium der Landschaftsplanung an der TU Berlin abschloss, fand Manfred Semmer das geeignete "Patenkind".

Stephan Kulles beruflicher Traum liegt im Corporate Design für Außenräume. Er entwirft Gärten, Plätze oder Parkräume für Firmen, die zum Gesamterscheinungsbild des Unternehmens passen sollen. "Das ist ein noch relativ unerschlossenes Gebiet, doch es hat ein großes Zukunftspotenzial", hofft Stephan Kulle, der sich in Kürze an seine Dissertation begeben will. Manfred Semmer bringt sein "Patenkind" unterdessen schon einmal mit wichtigen Leuten zusammen und berät ihn, wie man am besten durch das Gestrüpp öffentlicher Anforderungen kommt.

Zurzeit kümmert sich Stephan Kulle um den Arbeitskreis "Freiräume - Grünräume". Mit Daniela Fleig hatte er 2003 eine Diskussionsreihe besucht und so den AIV kennen gelernt. Bald übernahmen sie die Arbeitsgruppe, die auf die Missstände der Berliner Freiflächen aufmerksam macht und Lösungsansätze erarbeitet.

"Die frischen Ideen und der unverstellte Blick der jungen Leute sind für den Verein ein großer Gewinn. Dafür bieten wir ihnen unser Know-how und die Möglichkeit zu vielfältigen beruflichen Kontakten", sagt Wilma Glücklich, die bei der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung an einem Projekt arbeitet, das die Bürger zum Engagement für ihr Umfeld ermutigen soll. Sie hatte schon immer großes Interesse für den öffentlichen Bereich und war einige Jahre als Bundestagsabgeordnete tätig.

Junge Leute schlössen sich heute schwerer einem Verein an, hat Manfred Semmer festgestellt. "Sie sind auf sicherem sozialem Boden aufgewachsen und hatten es lange nicht nötig, sich Netzwerke zu schaffen." Und tatsächlich: "Man will individuell bleiben, sich nicht verbiegen lassen", sagt Daniela Fleig. "Auch ich hatte eine gewisse Scheu Berufsnetzwerken gegenüber. Doch heute weiß ich, wie wichtig so eine Vertrauensplattform ist." Die Vereinsaktivitäten und insbesondere die Patenschaft boten ihr die Chance, die aktuellen beruflichen Diskussionen zu verfolgen und sich selbst einzubringen. So konnte sie den Kontakt zur Berufswelt halten in einer Zeit, als Mutterpflichten gegenüber den beiden kleinen Töchtern Johanna und Charlotte, fünf und drei Jahre alt, es schwierig machten, zu arbeiten.

Der 180 Jahre alte Verein, in dem bereits Karl Friedrich Schinkel, Friedrich August Stüler und andere große Berliner Architekten Mitglied waren und der jährlich den renommierten Schinkelwettbewerb mit hoch dotierten Preisen veranstaltet, hält ein vielfältiges geselliges und fachliches Programm bereit. Besonders junge Leute sind willkommen. Sie müssen nur den Mut haben, so Manfred Semmer, die ausgestreckte Hand zu ergreifen.

Patricia Pätzold

Mentorenprogramm des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Berlin e.V.

Anfang November stellte der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin e.V. (AIV) sein neues Mentorenprogramm vor. Der Verein will damit jungen Architekten, Landschaftsarchitekten und Ingenieuren, Diplomanden und Studierenden höherer Semester berufserfahrene Mentoren an die Seite stellen. Der Verein organisiert Kontaktabende, damit sich Spezialisten kennen lernen und zusammen finden können. Es können Räumlichkeiten, Fachliteratur und weitere Beratung zur Verfügung gestellt werden, um eigene Themen zu bearbeiten oder in den bestehenden Arbeitskreisen - Schinkelausschuss, Stadtentwicklung, Freiräume/Grünräume, Bauen im Bestand - mitzuarbeiten, sowie Jobs, Praktika oder Wettbewerbe vermittelt werden. Nicht unwichtig: Auch Beratung zu Existenzgründung, Recht und Steuer wird geboten.

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www.aiv-berlin.de

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