Kunstwissenschaft - Bauforschung - Denkmalpflege
Neun Jahre Graduiertenkolleg in Berlin und Bamberg
|
Eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten
Erfurts: der Mariendom heute
© Stadt Erfurt |
Denkmalpflege hat in der Bevölkerung einen hohen Sympathiewert,
bietet aber auch immer wieder Stoff für Konflikte. 1994 beantragten
die Technische Universität Berlin und die Otto-Friedrich-Universität
in Bamberg daher bei der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) ein Graduiertenkolleg zu den vielfältigen
Aspekten der Denkmalforschung. Es sollte gleichermaßen auf
genauer Denkmalkenntnis (Bauforschung) und Denkmalbewertung (Kunstwissenschaft)
fußen.
Seit 1996 durchliefen fast 100 Doktoranden, darunter 60 Kunstwissenschaftler,
28 Architekten sowie Bauforscher, Archäologen, Historiker und
Volkskundler, die strukturierte Promotionsausbildung. Seminare zur
Bestandserfassung, zu Geschichte und Theorie der Denkmalpflege,
zur Vielfalt der Bauforschung bis hin zur Dendrochronologie und
anderen Spezialfragen standen neben der eigenen Forschungsarbeit
auf dem Terminkalender. Zahlreiche öffentliche Vorträge
und Seminare von erfahrenen Experten aus dem In- und Ausland erweiterten
den Horizont der Doktoranden wie auch der Hochschullehrer.
Während der jeweils dreijährigen Ausbildung arbeiteten
alle Teilnehmer gemeinsam an einem großen Forschungsprojekt.
Hier wurde interdisziplinäres Arbeiten nicht nur gefordert,
sondern auch erfolgreich geübt. Drei gewichtige, von der Fachwelt
bereits anerkannte Monografien zum Merseburger Dom (2000), zum Kloster
Schulpforte (2003) und zum Erfurter Dom (2005) dokumentieren, dass
junge Wissenschaftler auch am Anfang ihrer Karriere in interdisziplinärer
Zusammenarbeit bereits sehr komplexe Probleme lösen können.
|
Baufortschritt des Erfurter
Domes nach 1329
© privat |
Die Themen der von den 53 Doktorandinnen und 43 Doktoranden bearbeiteten
Dissertationen reichen von der ägyptischen und griechischen
Antike bis in das 21. Jahrhundert. Viele der Projekte waren durchaus
"folgenreich": Forschungen beispielsweise zur mittelalterlichen
Stadtgeschichte von Erfurt (Nitz) fließen ganz unmittelbar
in die Stadtsanierung ein, die Dokumentation der Reste des Potsdamer
Stadtschlosses (Rahn) mag für den dort geplanten, von den Kollegteilnehmern
allerdings nicht befürworteten Wiederaufbau von Bedeutung sein.
Die Erkenntnisse zu den Berliner S-Bahn-Brücken fanden ihren
Niederschlag in den Erneuerungsprojekten der Deutschen Bahn und
die Auseinandersetzung mit Bürohausfassaden der Fünfzigerjahre
hat die Debatte um das TU-eigene Gebäude für Bergbau-
und Hüttenwesen beeinflusst. Arbeiten zu den Frauenklöstern
waren Grundlagen für die erste Sächsische Landesausstellung
im Jahr 2001 und die große Ausstellung "Krone und Schleier"
2005 in Essen.
Auch die Karrieren können sich durchaus sehen lassen: 24 Absolventen
arbeiten als Hochschullehrer und Assistenten an Universitäten,
fünf als Museumsleiter - meist in Freilichtmuseen. Zwölf
Doktoranden haben Kunstwissenschaft, Bauforschung und Denkmalpflege
zum freien Beruf gemacht und arbeiten zwischen Berlin und Rom. 15
Teilnehmer sind als Referenten oder Landeskonservatorin in Denkmalämter
gegangen, zwei zog es in die Medien zu journalistischer Tätigkeit,
24 Arbeiten laufen noch.
Die aufgegriffenen Fragen wirkten sich - nicht nur in Berlin -
auch auf die Weiterentwicklung der beteiligten Studiengänge
aus. Die Fakultät
I, Geisteswissenschaften, richtete einen Masterstudiengang "Kunstwissenschaft
und Kunsttechnologie" ein, die Fakultät
VI die Mastervertiefung "Architektur im Bestand".
Im Frühjahr 2006 läuft das Kolleg nach neunjähriger
Dauer satzungsgemäß aus.
Prof. Dr. Johannes Cramer
|