"Schauen Sie hin und nicht weg!"
Arbeitskreis Sucht will Führungskräfte stärker
in die Verantwortung nehmen
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Millionen Deutsche sind suchtgefährdet,
abhängig oder leiden bereits unter den Folgen. Auch den
Arbeitgeber kann die Sucht von Beschäftigten viel Geld
kosten
© Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen |
"Süchte kosten nicht nur den Staat und die Krankenkassen,
sondern auch den einzelnen Arbeitgeber viel Geld", erklärt
Edith Schröter, Sozialarbeiterin der TU Berlin. Fehlzeiten,
vermehrte Unfallhäufigkeit, verminderte Arbeitsleistung und
schlechtes Klima seien fast zwangsläufige Folgen von Alkoholkrankheit,
Medikamenten- oder Nikotinmissbrauch. Statistisch verliere ein Betrieb
mit rund 6000 Beschäftigten wie die TU Berlin pro Jahr 2,8
Millionen Euro.
73000 Deutsche sterben jährlich an alkoholbedingten Krankheiten,
1,7 Millionen sind abhängig, 10,4 Millionen zeigen riskantes
Konsumverhalten und 1,7 Millionen sind bereits geschädigt,
zählt das neue "Jahrbuch Sucht 2006" der Deutschen
Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) auf. An der TU Berlin
gibt es seit vielen Jahren den Arbeitskreis
Sucht. "Wir wecken Verständnis beim Umfeld für
die Tatsache, dass es sich zum Beispiel bei Alkoholsucht um eine
Krankheit handelt. Wir beraten und unterstützen die Kranken
selbst und wir bilden Führungskräfte weiter, damit sie
dem Problem vorurteilsfrei begegnen, präventiv tätig werden
und gegebenenfalls Hilfsmaßnahmen einleiten können, falls
sich in ihrem Bereich eine Betroffene oder ein Betroffener befindet."
Im Arbeitskreis Sucht arbeiten kollegiale Suchtberaterinnen und
-berater freiwillig, die Sozialarbeiterin sowie der betriebsärztliche
Dienst und Vertreter des Personalrats und der Personalabteilung.
Eine wichtige Aufgabe über die Einzelfallhilfe hinaus ist die
Prävention als wesentlicher Bestandteil moderner Gesundheitsförderung.
"Hilfe in Anspruch nehmen ist eine Stärke", ermutigt
daher auch Annette Albrecht betroffene alkoholkranke Menschen. Sie
ist eine der sechs nebenamtlichen Beraterinnen und Beratern, die
die TU Berlin seit Anfang der 90er-Jahre am Institut für Suchtprävention
hat ausbilden lassen, damit am Arbeitsplatz ein möglichst niederschwelliges
Angebot an die Betroffenen existiert. "Wir sind an die Schweigepflicht
gebunden", erklärt Annette Albrecht, "das ist sehr
wichtig für die Kolleginnen und Kollegen." Die Helferinnen
und Helfer können so schon im Vorfeld tätig werden und
dadurch disziplinarische Maßnahmen vermeiden, die durch die
Dienstvereinbarung geregelt sind. "Wir versuchen, Einsicht
zu wecken, über Therapieangebote aufzuklären, zur Therapie
zu motivieren und Ängste davor abzubauen. Außerdem vermitteln
wir Kontakte zu externen Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen."
Edith Schröter quält noch ein anderes Problem: "Insbesondere
die Beratung von Kolleginnen und Kollegen sowie von Vorgesetzten
wurde früher häufiger genutzt. Vielleicht hat es mit dem
erhöhten Arbeitsdruck zu tun, dass sich kaum mehr einer oder
eine Zeit nehmen will. Diese Beratungen im Vorfeld sind sehr hilfreich,
da es mitunter auch für Vorgesetzte nicht einfach ist, ein
Gespräch mit einem betroffenen Mitarbeiter zu führen."
Auf der letzten Personalversammlung im Dezember 2005 forderten Vertreter
des Arbeitskreises daher auch, die verbindliche Teilnahme von Personalverantwortlichen
an Schulungen festzuschreiben. Dort forderte Annette Albrecht alle
auf: "Schauen Sie hin und nicht weg!"
Patricia Pätzold
Tel.: Edith Schröter: 314-2 40 91
www.tu-berlin.de/~sdu/ALK/Hilfe.htm
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