Erdbeeren unter Druck
Lebensmitteltechnologen und -chemiker entwickeln neue, schonende
Gefriermethoden
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So sollen Erdbeeren künftig
nicht nur vor dem Gefrieren, sondern auch nach dem Auftauen
aussehen
© TU-Pressestelle |
Die Gefriertruhe ist längst als eine der besten Möglichkeiten
bekannt, Lebensmittel haltbar zu machen. Wer aber einmal eine Erdbeere
einfriert und beim Auftauen nur noch Erdbeermus auf dem Teller hat,
versteht sofort, weshalb die Europäische Union den TU-Professor
Dietrich Knorr vom Institut
für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelchemie gebeten
hat, ein großes Forschungsprojekt in sieben EU-Ländern
zu koordinieren: Das Einfrieren von Lebensmitteln soll unter dem
Namen "Safe Ice" verbessert und gleichzeitig sicherer
gemacht werden.
Die Prozesse, die auf dem Weg über die Gefriertruhe zurück
auf den Teller Erdbeeren in Mus verwandeln, sind längst bekannt:
Die Kälte dringt nur langsam von außen in die rote Frucht
ein, weil das Wasser in den Zellen recht gut vor dem Auskühlen
isoliert. Je langsamer aber Wasser abkühlt, umso größere
Eiskristalle entstehen. Obendrein ist Eis auch noch rund zehn Prozent
leichter als Wasser. Den Beweis liefert die Eisdecke, die sich im
Winter ja auf einem See und nicht etwa an seinem Grund bildet. Die
Eiskristalle brauchen also mehr Platz als das Wasser, aus dem sie
sich bilden - und zerstören bei diesem Ausdehnen das Gewebe
der Erdbeere. Beim Auftauen passiert das Gleiche in umgekehrter
Richtung und statt einer leuchtend roten Frucht liegt mattrotes
Mus auf dem Dessertteller.
Um nach dem Auftauen eine intakte Erdbeere zu erhalten, müssen
also die Eiskristalle möglichst klein ausfallen, um weniger
Gewebe zu zerstören. Also sollte man das Kristallisieren beschleunigen,
waren sich Dietrich Knorr und sein Mitarbeiter Gabriel Urrutia Benet
sicher. Der Trick dabei heißt Hochdruck: Je höherer Druck
auf dem Lebensmittel lastet, umso länger bleibt das Wasser
beim Abkühlen flüssig. Beim zweitausendfachen Druck der
Erdatmosphäre friert das Fruchtwasser zum Beispiel auch bei
der typischen Gefriertruhentemperatur von minus zwanzig Grad Celsius
noch nicht. Nehmen die Wissenschaftler nun den Druck plötzlich
weg, verwandelt sich auch das Wasser im Lebensmittel schlagartig
in Eiskristalle, die sehr viel kleiner als beim langsamen Frieren
sind und daher weniger Gewebe zerstören.
Auch beim Auftauen setzen die Forscher das Gefriergut erst einmal
unter hohen Druck und tauen die Eiskristalle so schnell auf. Erhöht
man nun die Temperatur, passiert nicht viel Zerstörerisches
- und das Gefriergut bleibt heil. Die TU-Forscher nutzen bei der
Verbesserung des Gefrierens eine recht alte Erkenntnis der Physiker
über die neun verschiedenen Modifikationen von Eis mit jeweils
verschiedenen Eigenschaften, zu denen Wasser gefriert, genannt Eis
I bis Eis IX. So ist zum Beispiel nur Eis I, das beim normalen Gefrieren
auf dem See oder in der Tiefkühltruhe entsteht, leichter als
Wasser. Eis II bis IX dagegen sind entweder gleich schwer oder sogar
schwerer. Diese weniger bekannten Eismodifikationen entstehen bei
hohem Druck, besonders tiefen Temperaturen oder einer Kombination
aus beiden. So friert Wasser zum Beispiel beim neuntausendfachen
Druck der Erdatmosphäre bereits bei plus 20 Grad Celsius zu
Eis IX.
Wählen die Forscher Druck und Temperatur geschickt, können
sie Eis I auch schlagartig in Eis III umwandeln, das 18 Prozent
dichter als Eis I ist. Bei diesem raschen Zusammenziehen wird natürlich
Gewebe zerstört. Das kann durchaus erwünscht sein, weil
es zum Beispiel Fleisch ohne Klopfen weicher macht. Doch die rasche
Ausdehnung hat noch einen wichtigen Effekt: Sie tötet viele
Mikroorganismen, die beim normalen Einfrieren zwar am Vermehren
gehindert werden, sich aber nach dem Auftauen munter weiter teilen.
Genau das aber ist das Ziel des EU-Forschungsprojektes, das von
der Berliner TU koordiniert wird: Hochwertige Lebensmittel sollen
mit größtmöglicher Sicherheit hergestellt werden.
Roland Knauer
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