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Juni 2006
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Erdbeeren unter Druck

Lebensmitteltechnologen und -chemiker entwickeln neue, schonende Gefriermethoden

So sollen Erdbeeren künftig nicht nur vor dem Gefrieren, sondern auch nach dem Auftauen aussehen
© TU-Pressestelle

Die Gefriertruhe ist längst als eine der besten Möglichkeiten bekannt, Lebensmittel haltbar zu machen. Wer aber einmal eine Erdbeere einfriert und beim Auftauen nur noch Erdbeermus auf dem Teller hat, versteht sofort, weshalb die Europäische Union den TU-Professor Dietrich Knorr vom Institut für Lebensmitteltechnologie und Lebensmittelchemie gebeten hat, ein großes Forschungsprojekt in sieben EU-Ländern zu koordinieren: Das Einfrieren von Lebensmitteln soll unter dem Namen "Safe Ice" verbessert und gleichzeitig sicherer gemacht werden.

Die Prozesse, die auf dem Weg über die Gefriertruhe zurück auf den Teller Erdbeeren in Mus verwandeln, sind längst bekannt: Die Kälte dringt nur langsam von außen in die rote Frucht ein, weil das Wasser in den Zellen recht gut vor dem Auskühlen isoliert. Je langsamer aber Wasser abkühlt, umso größere Eiskristalle entstehen. Obendrein ist Eis auch noch rund zehn Prozent leichter als Wasser. Den Beweis liefert die Eisdecke, die sich im Winter ja auf einem See und nicht etwa an seinem Grund bildet. Die Eiskristalle brauchen also mehr Platz als das Wasser, aus dem sie sich bilden - und zerstören bei diesem Ausdehnen das Gewebe der Erdbeere. Beim Auftauen passiert das Gleiche in umgekehrter Richtung und statt einer leuchtend roten Frucht liegt mattrotes Mus auf dem Dessertteller.

Um nach dem Auftauen eine intakte Erdbeere zu erhalten, müssen also die Eiskristalle möglichst klein ausfallen, um weniger Gewebe zu zerstören. Also sollte man das Kristallisieren beschleunigen, waren sich Dietrich Knorr und sein Mitarbeiter Gabriel Urrutia Benet sicher. Der Trick dabei heißt Hochdruck: Je höherer Druck auf dem Lebensmittel lastet, umso länger bleibt das Wasser beim Abkühlen flüssig. Beim zweitausendfachen Druck der Erdatmosphäre friert das Fruchtwasser zum Beispiel auch bei der typischen Gefriertruhentemperatur von minus zwanzig Grad Celsius noch nicht. Nehmen die Wissenschaftler nun den Druck plötzlich weg, verwandelt sich auch das Wasser im Lebensmittel schlagartig in Eiskristalle, die sehr viel kleiner als beim langsamen Frieren sind und daher weniger Gewebe zerstören.

Auch beim Auftauen setzen die Forscher das Gefriergut erst einmal unter hohen Druck und tauen die Eiskristalle so schnell auf. Erhöht man nun die Temperatur, passiert nicht viel Zerstörerisches - und das Gefriergut bleibt heil. Die TU-Forscher nutzen bei der Verbesserung des Gefrierens eine recht alte Erkenntnis der Physiker über die neun verschiedenen Modifikationen von Eis mit jeweils verschiedenen Eigenschaften, zu denen Wasser gefriert, genannt Eis I bis Eis IX. So ist zum Beispiel nur Eis I, das beim normalen Gefrieren auf dem See oder in der Tiefkühltruhe entsteht, leichter als Wasser. Eis II bis IX dagegen sind entweder gleich schwer oder sogar schwerer. Diese weniger bekannten Eismodifikationen entstehen bei hohem Druck, besonders tiefen Temperaturen oder einer Kombination aus beiden. So friert Wasser zum Beispiel beim neuntausendfachen Druck der Erdatmosphäre bereits bei plus 20 Grad Celsius zu Eis IX.

Wählen die Forscher Druck und Temperatur geschickt, können sie Eis I auch schlagartig in Eis III umwandeln, das 18 Prozent dichter als Eis I ist. Bei diesem raschen Zusammenziehen wird natürlich Gewebe zerstört. Das kann durchaus erwünscht sein, weil es zum Beispiel Fleisch ohne Klopfen weicher macht. Doch die rasche Ausdehnung hat noch einen wichtigen Effekt: Sie tötet viele Mikroorganismen, die beim normalen Einfrieren zwar am Vermehren gehindert werden, sich aber nach dem Auftauen munter weiter teilen.

Genau das aber ist das Ziel des EU-Forschungsprojektes, das von der Berliner TU koordiniert wird: Hochwertige Lebensmittel sollen mit größtmöglicher Sicherheit hergestellt werden.

Roland Knauer

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