Die Hüfte aus Frankreich, die Zähne aus Ungarn
Vergleich der europäischen Gesundheitssysteme soll grenzüberschreitende
Medizin fördern
Die Vergleichbarkeit medizinischer Leistungen in Europa wird immer
wichtiger: Seit 1998 stärken mehrere europäische Gerichtsurteile
die Rechte der Patienten bei grenzüberschreitenden Behandlungen.
In dem Projekt "Health BASKET" am Fachgebiet
für Management im Gesundheitswesen der TU Berlin arbeiten
Mediziner und Ökonomen gemeinsam an der Vergleichbarkeit von
Gesundheitsleistungen in Europa. Sie erarbeiten Entscheidungsvorlagen
für den Aufbau europäischer Gesundheitssysteme.
"Wir wollen Preise und Kosten in den EU-Mitgliedsländern
transparent machen und so die grenzüberschreitende Inanspruchnahme
von Gesundheitsleistungen fördern", erklärt Ökonom
Dr. Jonas Schreyögg, der von Professor Reinhard Busse, dem
wissenschaftlichen Direktor des Projekts und Leiter des Fachgebiets,
mit der operativen Leitung des Projekts betraut ist. Bisher gäbe
es zu dieser Thematik allenfalls punktuelle und unvollständige
Untersuchungen. Zuletzt brachte ein Gerichtsurteil vom 15. Mai 2006
Bewegung in den europäischen Gesundheitsmarkt: Für eine
britische Patientin, die unter Hüftarthrose litt, war die Wartezeit
von zunächst einem Jahr in ihrem Heimatland das ausschlaggebende
Argument, über den Ärmelkanal zu setzen und sich in Frankreich
operieren zu lassen. Ihr Wunsch, sich wegen der kürzeren Wartezeiten
im Ausland behandeln zu lassen, wurde davor zweimal abgelehnt. Erst
der Europäische Gerichtshof gab ihr Recht, sodass die Kosten
nun erstattet werden. In dem Urteil wurde dabei vor allem bemängelt,
dass es keine klaren Kriterien für die Erstattung von Operationen
im Ausland gäbe.
Schwierigkeiten machen die recht unterschiedlichen Gesundheitssysteme
und Leistungskataloge der EU-Länder: "Manche Länder
definieren über hunderttausend Einzelleistungen in ihrem Leistungskatalog",
berichtet Schreyögg. Anderswo können dieselben Leistungen
zu Fällen zusammengefasst sein. Deshalb wurde zu Beginn des
Projekts mit einer systematischen Analyse der Gesundheitssysteme
die Basis für den im Dezember dieses Jahres erscheinenden,
in diesem Umfang einmaligen Kostenvergleich gelegt. Im März
2007 wird der abschließende Bericht auf einer Konferenz den
EU-Entscheidungsträgern präsentiert. Darin sollen dann
auch Gründe für etwaige Kostenunterschiede zwischen den
Ländern genannt werden.
An dem ehrgeizigen Projekt arbeiten rund 30 Experten aus neun EU-Mitgliedsländern,
davon fünf von der TU Berlin. "Jeder EU-Staat beharrt
bisher auf seiner Gesundheitspolitik", erklärt Reinhard
Busse. "Eine gemeinsame EU-Gesundheitspolitik existiert nicht."
Busse ist aber zuversichtlich, diese Probleme bald in den Griff
zu bekommen.
Jens Hübner
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