Das Allerletzte
Unverkäufliche Werte
Große Ebbe herrscht seit Kurzem im Säckel von Gene R.
Nichol, seines Zeichens Präsident des zweitältesten Colleges
der USA, "William and Mary" im Bundesstaat Virginia. Zwölf
Millionen Dollar hatte ein Alumnus als Beitrag zu einer groß
angelegten Fundraising-Kampagne versprochen, die im kommenden Juni
beendet werden sollte. Doch dann traf Nichol eine folgenschwere
Entscheidung, wie das US-Fachblatt für Hochschul-Interna, der
"Chronicle of Higher Education", berichtet. Das messinggoldene
Kreuz sollte aus der campuseigenen Kapelle entfernt werden. Auch
Angehörige anderer Religionen sollten sich auf dem Universitätscampus,
an diesem speziellen Ort der Ruhe und Einkehr, wohlfühlen und
so zum offenen, internationalen Flair der Universität beitragen.
Doch der Spender in spe war wenig begeistert: "not amused",
wie es die Gründerin der Bildungseinrichtung in der ehemaligen
königlich-englischen Kolonie Virginia, Queen Mary II., wahrscheinlich
vornehm ausgedrückt hätte. Und ihr Gemahl, King William
III., hätte verkniffen über den Großen Teich geblickt.
Immerhin hatten vor mehr als dreihundertfünfzig Jahren alle
englischen Bischöfe in ihrer Diözese für den Aufbau
des Colleges Geld einsammeln müssen, und der erste Präsident
war ein Mann Gottes, nämlich Reverend James Blair. Die religiösen
Wurzeln und die Tradition der Institution sah jetzt jedenfalls auch
der anonyme Zwölf-Millionen-Dollar-Spender durch den, wie er
fand, barbarischen Akt der Kreuzentfernung gefährdet und zog
seine noch nicht getätigte Spende zurück. Zwar breche
ihm das Herz ob dieses schmerzlichen Verlustes, ließ Präsident
Gene R. Nichol wissen, doch er müsse auf das Geld verzichten.
Die innersten Werte seiner Universität, und damit auch die
Offenheit gegenüber Fremdem, seien unverkäuflich.
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