Buchtipp
TU intern fragt Menschen in der Uni, was sie empfehlen können.
Hans Christian Förster ist Kulturwissenschaftler und freier
Journalist. Für TU intern schreibt er unter anderem die Reihe
"Orte der Erinnerung".
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© privat |
Mit diesem bemerkenswerten Sammelband schließen Mark Walker,
bekannt durch seine Arbeit über die Uranforschung im III. Reich,
und Dieter Hoffmann, ein profunder Kenner der Physikgeschichte im
19. und 20. Jahrhundert, ein Forschungsdefizit. Sie gehen der Frage
nach: Welche Rolle spielte die Deutsche Physikalische Gesellschaft
(DPG), das Weltflaggschiff der modernen Physik, im III. Reich? Eine
Antwort: weder Kapitulation noch Widerstand! Die Analysen zeichnen
kein Schwarz-Weiß-Bild, sie sind kritisch, differenziert und
im besten Sinne aufklärend. Sie berichten von der List der
Bedrängten, ihre Autonomie und Handlungsfreiheit zu wahren
- wie Max von Laue. Immerhin gelang es der DPG, die Einführung
des "Führerprinzips" zu verzögern und einen
willfährigen Naziparteigänger, Professor Johannes Stark,
als Vorsitzenden zu verhindern. Erst nach 1938 legte die DPG - auf
NS-Anweisung - ihren jüdischen Mitgliedern den Austritt nahe.
Sicher keine Heldentat, trotzdem unterschied sich die DPG darin
vom vorauseilenden Gehorsam anderer bedeutender Vereinigungen. Das
Buch klärt auch einige gern geglaubte Mythen auf, so die vom
Kampf gegen die "Deutsche Physik". Es wird der Beweis
geführt, dass diese Richtung, vertreten durch die Professoren
Philipp Lenard, Johannes Stark und Wilhelm Wien, keineswegs die
ausschließliche NS-Präferenz hatte. Sehr aufschlussreich
sind die Analysen zur "Aufarbeitung" der DPG-Historie
unmittelbar nach 1945, ebenso wie die Einblicke in Schicksale von
Physikern der Berliner Technischen Hochschule, der Vorgängerinstitution
der TU Berlin, wie Hans Geiger und Gustav Hertz. Hertz überlebte
Nazis und "Endlösung" als Leiter des Siemens-Laboratoriums
in Berlin mit Vortragsrecht bei der DPG. Das Buch hilft, Klischees
zu relativieren, doch unter den Teppich wird nichts gekehrt. Nur
eine Kritik bleibt: Mit 99 Euro Kaufpreis erreicht der Verlag leider
nicht die große Käuferschaft, die das Buch verdient.
Schade!
D. Hoffmann, M. Walker (Hrsg.): Physiker zwischen Autonomie
und Anpassung. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten
Reich, WILEY-VCH Verlag, Weinheim, 2006
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