2-3/07
Februar/März 2007
TU intern
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Buchtipp

TU intern fragt Menschen in der Uni, was sie empfehlen können. Hans Christian Förster ist Kulturwissenschaftler und freier Journalist. Für TU intern schreibt er unter anderem die Reihe "Orte der Erinnerung".

 
  © privat

Mit diesem bemerkenswerten Sammelband schließen Mark Walker, bekannt durch seine Arbeit über die Uranforschung im III. Reich, und Dieter Hoffmann, ein profunder Kenner der Physikgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, ein Forschungsdefizit. Sie gehen der Frage nach: Welche Rolle spielte die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), das Weltflaggschiff der modernen Physik, im III. Reich? Eine Antwort: weder Kapitulation noch Widerstand! Die Analysen zeichnen kein Schwarz-Weiß-Bild, sie sind kritisch, differenziert und im besten Sinne aufklärend. Sie berichten von der List der Bedrängten, ihre Autonomie und Handlungsfreiheit zu wahren - wie Max von Laue. Immerhin gelang es der DPG, die Einführung des "Führerprinzips" zu verzögern und einen willfährigen Naziparteigänger, Professor Johannes Stark, als Vorsitzenden zu verhindern. Erst nach 1938 legte die DPG - auf NS-Anweisung - ihren jüdischen Mitgliedern den Austritt nahe. Sicher keine Heldentat, trotzdem unterschied sich die DPG darin vom vorauseilenden Gehorsam anderer bedeutender Vereinigungen. Das Buch klärt auch einige gern geglaubte Mythen auf, so die vom Kampf gegen die "Deutsche Physik". Es wird der Beweis geführt, dass diese Richtung, vertreten durch die Professoren Philipp Lenard, Johannes Stark und Wilhelm Wien, keineswegs die ausschließliche NS-Präferenz hatte. Sehr aufschlussreich sind die Analysen zur "Aufarbeitung" der DPG-Historie unmittelbar nach 1945, ebenso wie die Einblicke in Schicksale von Physikern der Berliner Technischen Hochschule, der Vorgängerinstitution der TU Berlin, wie Hans Geiger und Gustav Hertz. Hertz überlebte Nazis und "Endlösung" als Leiter des Siemens-Laboratoriums in Berlin mit Vortragsrecht bei der DPG. Das Buch hilft, Klischees zu relativieren, doch unter den Teppich wird nichts gekehrt. Nur eine Kritik bleibt: Mit 99 Euro Kaufpreis erreicht der Verlag leider nicht die große Käuferschaft, die das Buch verdient. Schade!

D. Hoffmann, M. Walker (Hrsg.): Physiker zwischen Autonomie und Anpassung. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft im Dritten Reich, WILEY-VCH Verlag, Weinheim, 2006

 

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