Wie die Baukunst allen Menschen nützen kann
Orte der Erinnerung: Baumeister David Gilly
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Die letzte Ruhestätte
David Gillys in Berlin-Kreuzberg
© Förster |
Unter David Gillys Mitwirkung wurde 1799 die Berliner Bauakademie,
eine der historischen Vorgängereinrichtungen der TU Berlin,
gegründet. Gegenüber seinem genialen Sohn Friedrich (TU
intern 11/2003) scheint der Vater eher preußisch-bieder.
Aber seine solide, praktische, Maß und Zahl abwägende
und aufgeklärte Handwerkerart brachte die Bau- und Ingenieurkunst
in das alltägliche preußische Land- und Stadtleben.
Gilly gab der arbeitenden Gesellschaft die Infrastruktur ihres
rastlosen Funktionierens und Ineinandergreifens. Als Baumeister
versuchte er, das Schöne und Nützliche mit dem Zweckmäßigen
und Sparsamen zu verbinden. Gilly, geboren am 7. Februar 1748 in
Schwedt an der Oder als Kind hugenottischer Refugiés, wurde
mit 13 Jahren Bau-Eleve. Bereits 1763 war er eigenverantwortlich
beteiligt an Bewallungsarbeiten im Netzebruch. Die Jahre nach dem
Siebenjährigen Krieg bedeuteten für Preußen eine
Zeit des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und der Modernisierung.
So konnte Gilly als Experte im Kanal-, Straßen- und Siedlungsbau
schnell Karriere machen. Nachdem er 1770 Landbaumeister in Pommern
geworden war, ließ er sich bei Stettin nieder, heiratete und
gründete eine Familie. Bald stieg er zum Baudirektor von Pommern
auf. In dieser Zeit entwickelte Gilly unter dem Einfluss englischer
Landbaukunst und in Rückgriff auf palladianische Formen seinen
frühklassizistischen Stil.
Die entscheidende Wende trat 1788 ein. Er wurde als Geheimer Oberbaurat
zusammen mit den Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff
und Carl Gotthard Langhans sowie dem Bildhauer Johann Gottfried
Schadow in das Oberbaudepartement, die oberste preußische
Baubehörde, berufen. Diese Ernennung bedeutete für ihn
die Anerkennung seiner klassizistischen Bauweise als nunmehr herrschender
Kunststil.
Doch auch Arbeitsspektrum und Wirkungskreis erweiterten sich. Auf
Dienstreisen, oft in Begleitung seines Sohnes, inspizierte er historische
Bauten. Er kümmerte sich ebenfalls um Baumaterialien und -techniken.
So propagierte er den praktischen, billigen Lehmbau. Selbst beim
Bau von Herrenhäusern fanden nun Lehmziegel Verwendung. Seine
Innovationen publizierte Gilly in einer 1797 von ihm gegründeten
Zeitschrift, "Sammlung nützlicher Aufsätze und Nachrichten,
die Baukunst betreffend". Sie bestand bis 1806 und spielt eine
wichtige Rolle in der Geschichte der technischen Zeitschriftenkultur.
Außerdem verfasste er ein Handbuch der Land-Bau-Kunst, dessen
erster Band 1798 erschien. Gilly erkannte, dass die moderne Bautätigkeit
mehr als nur Handwerk war, sie bedurfte einer wissenschaftlichen
Ausbildung. So gründete er 1793 zunächst eine private
Bauschule, deren berühmtester Schüler Karl Friedrich Schinkel
war. 1799 gehörten David Gilly und Sohn Friedrich zum Lehrerkollegium
der neu gestifteten Bauakademie am Werderschen Markt.
Fast zeitgleich bauten Vater und Sohn drei heute noch zu bewundernde
Landherrenhäuser im Stile des schlichten preußischen
Klassizismus: das Herrenhaus Steinhöfel, das Landgut Paretz,
der Lieblingswohnort der Königin Luise, und das Schloss Freienwalde.
Aber all der öffentliche Ruhm verblasste, als David Gilly im
Jahre 1800 ein niederschmetternder Schicksalsschlag heimsuchte:
der Tod seines begabten Sohnes. Verarmt und gebrochen starb Gilly
am 5. Mai 1808 in Berlin. Seine 1938 wiederentdeckte und erneuerte
Grabstätte, ein Berliner Ehrengrab, befindet sich auf dem Friedhof
der Gemeinde Jerusalems- und Neue Kirche am Halleschen Tor in Kreuzberg.
Hans Christian Förster
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