Deutschland sucht den Mittelweg
Kontrolle soll den Begutachtungsprozess bei Drittmittelanträgen
wieder glaubwürdiger machen
Wie viel Transparenz ist dem wissenschaftlichen Begutachtungsprozess
zuträglich, wie viel schadet ihm? TU intern sprach mit Prof.
Dr. Stefan Hornbostel vom Institut
für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ)
über das Für und Wider von mehr Öffentlichkeit im
Peer-Review-Verfahren. Stefan Hornbostel ist Mitherausgeber des
Bandes "Wie viel (In-)Transparenz ist notwendig? - Peer Review
Revisited".
|
|
|
Stefan Hornbostel
© privat |
Herr Professor Hornbostel, mehr Transparenz in der Begutachtung
von Forschungsanträgen? In welche Richtung bewegt sich denn
international die Diskussion - in Richtung Befürwortung oder
Verneinung?
Die Tendenz geht eindeutig in Richtung mehr Transparenz. Alle Beteiligten
möchten das Verfahren durchsichtiger, nachvollziehbarer und
überprüfbarer machen.
Widerspiegelt sich diese internationale Entwicklung auch in
Deutschland?
Die Wege, die die einzelnen Länder beschreiten, reichen von
einer völligen Öffnung wie in Dänemark, wo die Gutachter
bekannt sind und die Gutachten öffentlich eingesehen werden
können, bis zur Möglichkeit juristischer Überprüfung
des ganzen Entscheidungsverfahrens in der Forschungsförderung
etwa beim Schweizer Nationalfonds. In Deutschland hat die Deutsche
Forschungsgemeinschaft 2004 begonnen, den Begutachtungsprozess
zu reformieren, mit dem Ziel, ihn durch eine interne Öffentlichkeit
zu kontrollieren. Es wurden die sogenannten Fachkollegien eingeführt,
die mit gewählten Vertretern aus den einzelnen Fächern
besetzt sind. Sie sollen beurteilen, ob die erstellten Gutachten
fachgerecht und die Gutachter geeignet sind. Die Anonymität
der Gutachter bleibt dabei gewahrt. Damit wird ein Kompromiss hergestellt
zwischen der Forderung nach absoluter Transparenz und den Gefahren
einer solchen.
Was spricht in einer offenen Gesellschaft gegen eine uneingeschränkte
Transparenz im wissenschaftlichen Begutachtungsprozess?
... weil sie im Peer-Review-Verfahren zweischneidig ist. Die Transparenzforderung
wird dann problematisch, wenn die Gutachter in ihrem neutralen Urteil
behindert werden könnten. Sie befinden sich ja in einer komplizierten
Doppelrolle. Einerseits sind sie Kollegen andererseits Richter.
Sie beeinflussen die Entscheidung, ob Forschungsgelder bewilligt
oder Artikel publiziert werden. Wird die Anonymität des Gutachters
aufgehoben, besteht die Gefahr allzu großer Rücksichtnahme
oder auch der Verweigerung der Mitarbeit.
Sie sagen aber selbst, dass das Verfahren seit Jahren unter
einer Art Dauerverdacht steht, insofern, als den Gutachtern unterstellt
werde, ihre Macht zu missbrauchen, zum Beispiel dahin gehend, innovative
Forschungsansätze zu unterdrücken und Old-Boy-Networking
zu betreiben. Was muss getan werden, damit das Vertrauen in das
Verfahren nicht völlig erodiert?
Es muss kontrolliert werden. Einerseits so, wie es die Deutsche
Forschungsgemeinschaft mit dem Gremium des Fachkollegiums versucht.
Eine soeben vom iFQ durchgeführte Befragung unter den Fachkollegiaten
ergab, dass diese durchaus die Qualität einer nennenswerten
Anzahl von Gutachten bemängeln. Andererseits durch regelmäßige
wissenschaftliche Analysen des Peer-Review-Prozesses. In Deutschland
hat man sich dafür entschieden, die Gutachter intern einer
kritischen Analyse zu unterziehen, ohne ihnen jedoch den Raum zur
unabhängigen Argumentation zu entziehen, denn ihre Anonymität
bleibt gewahrt. Ich denke, das ist ein guter Weg.
Das Gespräch führte Sybille Nitsche
http://forschungsinfo.de/Publikationen/Download/working_paper_1_2006.pdf
|