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Januar 2007
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Deutschland sucht den Mittelweg

Kontrolle soll den Begutachtungsprozess bei Drittmittelanträgen wieder glaubwürdiger machen

Wie viel Transparenz ist dem wissenschaftlichen Begutachtungsprozess zuträglich, wie viel schadet ihm? TU intern sprach mit Prof. Dr. Stefan Hornbostel vom Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (iFQ) über das Für und Wider von mehr Öffentlichkeit im Peer-Review-Verfahren. Stefan Hornbostel ist Mitherausgeber des Bandes "Wie viel (In-)Transparenz ist notwendig? - Peer Review Revisited".

 
  Stefan Hornbostel
© privat

Herr Professor Hornbostel, mehr Transparenz in der Begutachtung von Forschungsanträgen? In welche Richtung bewegt sich denn international die Diskussion - in Richtung Befürwortung oder Verneinung?

Die Tendenz geht eindeutig in Richtung mehr Transparenz. Alle Beteiligten möchten das Verfahren durchsichtiger, nachvollziehbarer und überprüfbarer machen.

Widerspiegelt sich diese internationale Entwicklung auch in Deutschland?

Die Wege, die die einzelnen Länder beschreiten, reichen von einer völligen Öffnung wie in Dänemark, wo die Gutachter bekannt sind und die Gutachten öffentlich eingesehen werden können, bis zur Möglichkeit juristischer Überprüfung des ganzen Entscheidungsverfahrens in der Forschungsförderung etwa beim Schweizer Nationalfonds. In Deutschland hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft 2004 begonnen, den Begutachtungsprozess zu reformieren, mit dem Ziel, ihn durch eine interne Öffentlichkeit zu kontrollieren. Es wurden die sogenannten Fachkollegien eingeführt, die mit gewählten Vertretern aus den einzelnen Fächern besetzt sind. Sie sollen beurteilen, ob die erstellten Gutachten fachgerecht und die Gutachter geeignet sind. Die Anonymität der Gutachter bleibt dabei gewahrt. Damit wird ein Kompromiss hergestellt zwischen der Forderung nach absoluter Transparenz und den Gefahren einer solchen.

Was spricht in einer offenen Gesellschaft gegen eine uneingeschränkte Transparenz im wissenschaftlichen Begutachtungsprozess?

... weil sie im Peer-Review-Verfahren zweischneidig ist. Die Transparenzforderung wird dann problematisch, wenn die Gutachter in ihrem neutralen Urteil behindert werden könnten. Sie befinden sich ja in einer komplizierten Doppelrolle. Einerseits sind sie Kollegen andererseits Richter. Sie beeinflussen die Entscheidung, ob Forschungsgelder bewilligt oder Artikel publiziert werden. Wird die Anonymität des Gutachters aufgehoben, besteht die Gefahr allzu großer Rücksichtnahme oder auch der Verweigerung der Mitarbeit.

Sie sagen aber selbst, dass das Verfahren seit Jahren unter einer Art Dauerverdacht steht, insofern, als den Gutachtern unterstellt werde, ihre Macht zu missbrauchen, zum Beispiel dahin gehend, innovative Forschungsansätze zu unterdrücken und Old-Boy-Networking zu betreiben. Was muss getan werden, damit das Vertrauen in das Verfahren nicht völlig erodiert?

Es muss kontrolliert werden. Einerseits so, wie es die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit dem Gremium des Fachkollegiums versucht. Eine soeben vom iFQ durchgeführte Befragung unter den Fachkollegiaten ergab, dass diese durchaus die Qualität einer nennenswerten Anzahl von Gutachten bemängeln. Andererseits durch regelmäßige wissenschaftliche Analysen des Peer-Review-Prozesses. In Deutschland hat man sich dafür entschieden, die Gutachter intern einer kritischen Analyse zu unterziehen, ohne ihnen jedoch den Raum zur unabhängigen Argumentation zu entziehen, denn ihre Anonymität bleibt gewahrt. Ich denke, das ist ein guter Weg.

Das Gespräch führte Sybille Nitsche

http://forschungsinfo.de/Publikationen/Download/working_paper_1_2006.pdf

 

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