TU intern · Nr. 4/Juli 2020 LEHRE & STUDIUM Seite 3 Auffangen im sozialen Netz Wie das OnlineSemester gelang – und wie es weitergeht k a o N x i l e F © lung von 3D-Modellen eine Rolle, aber sie können die persönliche Interaktion zwischen Entwerfer*in und Produkt nicht ersetzen. Außerdem haben viele Student*innen ein räumliches Problem: In einem WG-Zimmer hat man schlicht keinen Platz für große Mo- delle.“ PROF. DR. MARKUS BRILL, FG Effiziente Algorithmen „Unsere Online-Ver- anstaltung ‚Diskrete Strukturen‘, ein Pflicht- modul im Studiengang Informatik mit etwa 400 Student*innen, war eine Mischung aus asynchroner Vorlesung (Screencasts) und synchronen Tutorien. Wir haben die ISIS-Plattform intensiv genutzt und auch eine Multiple-Choice-Prüfung darüber abgehalten. Die neuen, meist zeit- aufwendigen Arbeits- und Organisationsab- läufe haben wir beim Lunch für gute Lehre vorgestellt. Die Unterstützung der ZEWK war äußerst hilfreich.“ Aufgezeichnet von Romina Becker Mehr unter: www.tu.berlin/go6262 Technik für das Leben im Weltall „IGLUNA 2020“: ESA präsentierte studentische Ideen i s n o i t a c n u m m o C l l a i t s e e C / s r e d n A l l i B / A S A N © Ist da jemand? Innovative Technik für Kommunikation auch hinter dem Mond Die geheimnisvolle dunkle Seite des Mondes ist von der Erde aus nie zu sehen. Hinter dem Mond ist kei ne direkte Kommunikation mit der Erde möglich. Eindrucksvoll waren die spannenden Minuten, als 1968 der Kontakt zu den Astronauten der ApolloMission bei der Mond umrundung abriss. Doch diese und andere Regionen des Erdtrabanten sind nicht nur geologisch und astro nomisch interessant, sondern auch wirtschaftlich. Student*innen des Masterstudiengangs „Master of Space Engineering“ (MSE) der TU Berlin haben im Rahmen des IGLUNA 2020Projekts der Initiative „ESA Lab@“ einen Demonstrator für ein Kommunikationssystem entwickelt, das auch zu diesen Regionen Zugang bieten soll, das fernsteuerbar und so wohl mit kommerzieller als auch mit Open Source Software kompatibel ist. Vom 10. bis 19. Juli 2020 präsentier ten sie als eines von 15 von der ESA ausgewählten internationalen Teams ihre Ideen. Ursprünglich war geplant, in den Schweizer Alpen ein Habitat wie im All, eine echte Weltraumbasis, für einen TechnikPraxistest aufzu bauen, das für Lebenswirklichkeiten im Weltraum, auf Mond und Mars, zumindest für kommende Missionen zu den Planeten gedacht ist. Corona bedingt fand die Demonstration nun virtuell mit interaktiven Livepräsen tationen statt, organisiert vom Swiss Space Center. Patricia Pätzold www.tu.berlin/go6769 Feedbacks LUISA ARNDT, Master-Studentin Umweltplanung „Das digitale Semester ist recht gemischt verlaufen. Manche Professor*innen und Tutor*innen waren schnell gut organi- siert und haben gezeigt, welches Po- tenzial in der Online-Lehre steckt. Bei anderen lief es eher chaotisch und die Kommunikation war schwierig. Von mei- nen Kommiliton*innen weiß ich, dass uns vor allem das Miteinander, wie zum Beispiel eine gemeinsame Pause in der Mensa oder eine Diskussion im Seminar, sehr gefehlt hat.“ MY VU, Tutorin, FG Bioanalytik „Die Durchführung des Moduls Bio- analytik I im Online-Format stellte für uns als Team Lehre eine Möglichkeit dar, uns neue Kenntnisse anzueignen und Erfahrungen zu sammeln. Die tolle Teamleistung und die gute Mitarbeit der Stu dent*innen waren entscheidend für die erfolgreiche Online-Veranstaltung.” MARIA FLESSNER, Mentoring- koordination Fakultät IV „Eine Herausforderung für die Tuto r*in- nen in der digitalen Lehre war die teils fehlende Interaktion und Mitarbeit der Student*innen. Die Kommunikation im Team war teilweise schwierig und führte zum ‚Alleine-Durchboxen‘. Wir orga- nisieren nun Weiterbildungsangebote für Tutor*innen sowie wissenschaftliche Mitarbeitende und Professor*innen, um diesen Problemen entgegenzuwirken. Die ZEWK war hier eine perfekte Unter- stützung, besonders die Kolleg*innen von ,tu tutor plus‘.“ Aufgezeichnet von Romina Becker Netiquette für Uni im Netz Mikro „on“ nur zu Wort- beiträgen, Nebengeräusche vermeiden Headset nutzen, um Laut- sprecher-Rückkopplungen zu vermeiden Beiträge in Wort und Bild: Chat- funktion! Dozent*in entscheidet Kamera einschalten: Kann, muss nicht! Konferenz beitreten: Bitte (Vor-) Namen oder Initialen angeben Politische/kommerzielle Werbung im Bildhintergrund: No-Go! h c a n e s i E r e d n a x e A l © i n o m S c n m o D i i © In wenigen Wochen zum Regis- rb seur, zur Moderatorin, zum Commu- nitymanager oder zur Cutterin – das digitale Sommersemester 2020 stellte die Pro fessor*innen, wissenschaftlichen Mit arbei ter*innen, Tutor*innen und Student*innen der TU Berlin nicht nur vor organisatorische Herausforderun- gen, sondern eröffnete den Betroffe- nen auch vollkommen neue Berufsfelder. Viele entdeckten unerwartete Talente an sich. Teamwork, Kreativität und Ver- ständnis waren nötig. Besonders die en- gagierten Mit arbei ter*innen des Online- Lehre-Teams, von innoCampus und der Zentraleinrichtung Wissenschaftliche Weiterbildung und Kooperation (ZEWK) waren mit ihrem technischen Support, vielfältigen Weiterbildungsangeboten und hilfreichen Tipps für Tools rund um die digitale Lehre eine große Unterstüt- zung in dieser Zeit. Doch die Corona- Pandemie stellte nicht nur den Lehr- und Forschungsbetrieb auf die Probe, auch bei den Student*innen war mehr Eigen- ständigkeit, Self-Management und In- teraktion gefordert. „TU intern“ hat sich bei TU-Angehörigen umgehört, wie sie das digitale Semester erlebt haben. Auch bei den Student*innen war viel Eigenständigkeit, Self-Management und Interaktion gefordert DR.-ING. ALEXANDRA SCHULZ, Online-Lehre- Team beraten, „Lehrende an- Online-Seminare bieten, Anleitungen schreiben, Equipment verleihen – zu Corona-Beginn vergingen die Tage für unser Team wie im Zeitraffer. Aber der Kaltstart hatte auch Vorteile: Wird Lehre neu gestaltet, können auch selbstverständli- che Formate hinterfragt werden. Für die Zu- kunft gilt: Was wird gerade vermisst? Große Vorlesungen oder eher Begegnungen? Es entstehen gute Ideen, die digitale Lehre soll kein Konkurrenzmodell sein, sondern eine Bereicherung.“ PROF. DR. JURI RAPP- SILBER, FG Bioanalytik „Unser Online-Pflicht- modul Bioanalytik I war eine echte Team- leistung und in wö- chentlichem Turnus aus Online-Vorlesung, Übungszettel, belieb- tem Quiz, interaktivem Zoom-Seminar und ,thematischen Foren‘ auf ISIS für Nachfragen k a o N x i l e F © sehr strukturiert. Für ein ,virtuelles Präsenz- praktikum‘ haben wir Versuche im Labor vorab aufgenommen und dann digital in Kleingruppen live besprochen. So ein digi- tales Semester ist für uns nicht leicht, aber ein (weiterer) Schritt auf dem Weg zu inspi- rierender Lehre.“ DR.-ING. ANDRÉ BAIER, FG Konstruk- tion von Maschinen- systemen, Koordinator Blue Engineering „Interaktive Hochschul- lehre, die Stu den t*in- nen die Chance gibt, sich mit ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung auseinan- derzusetzen, ist möglich – auch digital und auch mit über 100 Teilnehmenden. Bereits an sieben Hochschulen wurde das modula- re Seminarkonzept von ‚Blue Engineering‘ in der analogen Lehre genutzt. Wegen Corona mussten wir es ins Digitale übertragen und haben unsere Erfahrungen in einem Starter- Kit gesammelt, das nun überall in der Hoch- schullehre genutzt werden kann.“ www.blue-engineering.org/wiki/ Baukasten:Digitales-Starter-Kit t a v i r p © i n p p e L c r a M © DIPL.-PHYS. ERHARD ZORN, innoCampus „Die TU Berlin hat in diesem – für alle anstrengenden – Se- mester etwas anfangs unmöglich Erschei- nendes geschafft. Die Rückmeldungen der Student*innen zeigen, dass es sich gelohnt hat, weil wir ihnen gerade in der Corona- Pandemie eine sinnvolle Beschäftigung bieten. Nächstes Semester müssen wir be- sonders die Erstsemester in die Universität ‚holen‘. Das wird nur zusammen mit den Student*innen höherer Semester gelingen. Gemeinsam muss die Universität die Erstse- mester in einem sozialen ‚Netz‘ auffangen.“ PROF. RALF PASEL, FG Entwerfen und Baukonstruktion „Das digitale Semes- ter lief ziemlich gut, doch wir sind auch an Grenzen gestoßen. Das Architekturstudium ist ein Projektstu- dium, man arbeitet quasi ‚hands-on‘. Zwar spielen auch digitale Programme zur Erstel- k a o N x i l e F © Corona-Streiflichter Großveranstaltung „Klausur“ pp Der Ort war ungewöhnlich, aber unge- wöhnliche Situationen erfordern eben unge- wöhnliche Maßnahmen: In der über die tubs GmbH angemieteten, 5000 Quadratmeter großen „Estrel Convention Hall“ fand am 13. Juni die erste Präsenzprüfung der TU Berlin im Sommersemester 2020 mit großer Teilnehmerzahl statt – in externen Räumlich- keiten. 502 Student*innen des Moduls Infor- mationssysteme und Datenanalyse der Fakul- tät IV Elektrotechnik und Informatik hatten zuvor ihre Sitzplatznummer, Raumpläne und die Anreiseinfo über ISIS erhalten, ebenso In- formationen über den individuellen Eingang, über den sie den Prüfungssaal betreten muss- ten, und die individuelle Zeit. „Der Zugang, die Verteilung der Tests ebenso wie später der Abgang kosteten natürlich Zeit – je 30 Minu- ten –, aber es hat alles gut geklappt“, erzählt Dozent Dr. Alexander Borusan. Die Tests wa- ren mit dem Auto in Kartons von der TU Ber- lin dorthin und zurück transportiert worden, ebenso wie Mikro – ohne das in dem großen Saal nichts ging –, Verlängerungskabel und Beamer. Alexander Borusan war sehr zufrie- den: „Insgesamt waren 15 Tutor*innen und WiMis im Einsatz, ohne die das nicht zu stem- men gewesen wäre.“ Bis Mitte Juli fanden dort inzwischen 17 weitere Prüfungen statt. Eisenbahn live pp Aus der Not eine Tugend machte auch das seit Jahren sehr beliebte Eisenbahnwe- senseminar, das die Fachgebiete „Schienen- fahrzeuge“ von Prof. Dr. Markus Hecht und „Bahnbetrieb und Infrastruktur“ von Prof. Dr. Birgit Milius veranstalten. Das Vortragspro- gramm des Sommersemesters stand schon fest, als Corona allen einen Strich durch die Rechnung machte. Doch flugs richtete man einen Live-Stream ein, und so sind Themen von emissionsarmem Transport auf der Schiene bis hin zu digitalisierter Schienenlo- gistik sogar langfristig nacherlebbar. www.ews.tu-berlin.de Praktika online: das Smartphone auf dem Drehstuhl pp Praktikum online – geht das? Für Phy- sik-, Chemie- und Lebensmittelchemie- student*innen sind sie Grundvoraussetzung, um an weiterführenden Modulen teilneh- men zu können. So entwarfen Wissen schaft- ler*in nen zusammen mit studentischen Mitarbeiter*innen kurze Videoclips mit Anleitungen zu Protokollführung, Fehler- rechnung oder Datenauswertungssoftware und leiteten sie in Online-Meetings beim Experimentieren an. „Mit ihren Smartpho- nes verfügen Student*innen heute über ein äußerst vielseitiges Messinstrument“, erklärt Physikerin Prof. Dr. Ulrike Woggon. „Expe- rimente können sie gut damit durchführen, indem sie zum Beispiel das Smartphone in einem festgelegten Versuchsaufbau an einem Drehstuhl befestigen und das Träg- heitsmoment messen oder Gravitationskon- stanten mithilfe des ‚Smartphone-Pendels‘ ermitteln.“ Je nach Studiengang und Semes- ter wurden so ein bis zwei Drittel der Prak- tika als Online-Veranstaltung durchgeführt. Inzwischen können unter festen Hygiene- Regeln auch wieder Präsenz-Praktika durch- geführt werden. Nachhilfe mit Ehrenamt und Solidarität rb Infolge von Schulschließungen und ein- geschränktem Lehrbetrieb zur Bekämpfung der Corona-Pandemie müssen sich viele Schüler*innen derzeit Unterrichtsinhalte ei- genständig erarbeiten. Mit Corona School e.V. haben Stu den t*in nen, unter anderem der TU Berlin, eine Online-Plattform gegründet, über die zwischen Schüler*innen und Stu den- t*in nen eine kostenlose, digitale Lernbetreu- ung per Video-Chat vermittelt wird. In den Sommerferien können zudem verschiedene AGs digital angeboten und besucht werden. www.corona-school.de Feldforschung im digitalen Raum pp Wie reagiert die Kunstwelt auf die COVID-19-Pandemie? Dieser Frage gingen Eleonora Vratskidou und Merten Lagatz, Gastprofessorin und wissenschaftlicher Mit- arbeiter am Fachgebiet Kunstgeschichte der Moderne, mit ihren Student*innen in einem Online-Seminar nach. Per Zoom-Konferenz wurden verschiedene Reaktionsstrategien der Kunstwelt auf die COVID-19-Pandemie recherchiert, vermittelt und gemeinsam dis- kutiert. Die Strategien von Biennalen und Kunstmessen kamen zur Sprache, von Per- formance-Kunst, Tanz oder von Kunstmaga- zinen und Museen wie dem British Museum in London, dem Louvre in Paris oder dem MoMA in New York: ein Seminar als kol- lektive Feldforschung im „digitalen Raum“. Der besondere Lerneffekt: Am Ende stand für Student*innen die digitale Präsentation ihrer Ergebnisse.