4 FORSCHUNG – NEUE IDEEN TU intern | Nr. 3/Oktober/November 2021 WORKSHOP 1 Technik für die Operation von morgen Markus Feufel, Fachgebiet Arbeits- wissenschaft l t d o n r A p p i l i h P © „Nachhaltige Techniknutzung im Ope- rationssaal“ heißt der Workshop, den Prof. Dr. Markus Feufel im Rahmen der nächsten Ideenkonferenz an- bieten wird. Er leitet das Fachgebiet Arbeitswissenschaft am Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft der TU Berlin. Dort erforscht er mit seinem Team die Herausforderungen der Arbeitssysteme in der medizini- schen Praxis, insbesondere diejenigen, die durch das Zusammenwirken von Mensch und Technik entstanden sind und entstehen. Berücksichtigt werden dabei nicht nur die menschlichen und technischen Faktoren, die eventuellen Problemen zugrunde liegen, sondern auch der sozio-kulturelle und historische Kon- text. Beobachtungen und Interviews im Arbeitsfeld gehören dabei ebenso zum arbeitswissenschaftlichen „Werk- zeugkasten“ wie Simulationen und Ex- perimente im Labor. Im technischen Bereich kann zum Beispiel ein sub- optimales Zusammenspiel von Tech- nologien verschiedener Hersteller zu Problemen führen. Ebenso können aber auch Übertragungsfehler in der Kommunikation der handelnden Per- sonen das Arbeitsergebnis im Opera- tionssaal beeinträchtigen. „Im Rahmen des Workshops brain- stormen, diskutieren und entwickeln wir in einer interdisziplinären Runde Forschungsideen zum Thema Nach- haltigkeit im Operationssaal“, erklärt Markus Feufel, was er im Workshop plant. „Unter anderem möchte ich zusammen mit Forschenden aus verschiedenen Fachgebieten Maß- nahmen andenken, die geeignet sind, medizinisch hochwertige, doch möglichst ressourcenschonende und CO2-neutrale Arbeitsprozesse zu entwickeln.“ Die zu entwerfenden Ideen sollen niedrigschwellig umsetz- bar sein. Denn Ziel sei es, das Feld in kleinen Schritten zu erkunden und Anträge vorzubereiten, die von der Problemanalyse über die Entwicklung von technischen, medizinischen und verhaltensbasierten Interventionen bis hin zu deren systematischer Eva- luation reichen. Patricia Pätzold Jetzt anmelden! Work- shops zur Gesundheit tui Die Idee der Ideenkonferenz ist auf fruchtbaren Boden gefal- len. Zum Aufbau eines fakultäts- übergreifenden und interdiszipli- nären Forschungsnetzwerks zum Thema „Gesundheit“ sind im Wintersemester 2021/22 aus der Fakultät V Verkehrs- und Maschi- nensysteme bereits zwei themen- spezifische Workshops geplant: -„Gesunde Innenräume – Aspekte multifunktionaler Raumnutzung“, Prof. Dr. André Fiebig vom Insti- tut für Strömungsmechanik und Technische Akustik, Fachgebiet Technische Akustik -„Nachhaltige Techniknutzung im Operationssaal“, Prof. Dr. Markus Feufel vom Institut für Psycho- logie und Arbeitswissenschaft, Fachgebiet Arbeitswissenschaft Die Termine werden auf der Web- site der TU-Dialogplattform und im Newsletter der internen For- schungsförderung der TU Berlin „FOR-aktuell“ bekannt gegeben. mail@dialogplattform.tu- berlin.de www.dialogplattform.tu- berlin.de WORKSHOP 2 Der Klang gesunder Räume André Fiebig, Fachgebiet Technische Akustik t a v i r p © Lärm wird nicht nur in Dezibel ge- messen, Lärm ist ein unerwünschter Hörschall – und der kann, auch wenn er nicht bewusst als störend wahrge- nommen wird, Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Mit den Gesund- heitsrisiken von Geräuschbelastun- gen beschäftigt sich Prof. Dr. André Fiebig. Er lehrt und forscht im Fach- gebiet Technische Akustik der TU Ber- lin, insbesondere im Bereich der Psy- choakustik, einem interdisziplinären Feld, das sich mit der menschlichen Hörwahrnehmung beschäftigt. Insbe- sondere werden hier die vielfältigen Wirkungen untersucht, die Geräusche auf Menschen haben, sowie deren Be- deutung für Alltag und Gesellschaft. „Gesunde Innenräume – Aspekte mul- tifunktionaler Raumnutzung“ heißt der Workshop, zu dem André Fiebig in diesem Semester im Nachgang zur Ideenkonferenz einlädt. „Lärm gilt als Risikofaktor für die Ge- sundheit. Das ist heute unbestritten. Lärmwirkungsstudien zeigen jedoch, dass der Umgang der Menschen mit dem Stressfaktor Lärm individuell sehr unterschiedlich ist“, sagt André Fiebig. Mit Kolleg*innen aus anderen Fächern will er in dem Workshop über Forschungsideen nachdenken, die die Planung und Gestaltung von multi- funktional genutzten Räumen aus der Perspektive des Gesundheitsschutzes unterstützen. „Innenräume wie Schu- len oder Großraumbüros, aber auch die eigene Wohnung, die mitunter zum Arbeitsplatz wird, müssen indivi- duellen Anforderungen gerecht wer- den bei gleichzeitiger Minimierung potenzieller gesundheitsschädlicher Einflüsse“, erklärt der Akustik-Exper- te. „Interessante neue Forschungs- ansätze bietet zum Beispiel heute die Untersuchung von Klanglandschaf- ten, also der akustischen Prägung be- stimmter Orte, sogenannter ‚Sound- scapes‘. Daraus kann man wertvolle Schlüsse zur Ausgestaltung von Er- holungsflächen in der Stadt ebenso wie für Innenräume ziehen.“ Welche Anforderungen an multifunktionale Räume bestehen, um Wohlbefinden und Gesundheit langfristig zu fördern, sei jedoch gerade im Zusammenspiel von Schall, Wärme, Licht, Belüftung nicht vollständig geklärt. Hier gebe es noch sehr viel Forschungsbedarf. Patricia Pätzold Engagiert im wissenschaftlichen Beirat pp Inzwischen hat nicht nur die Ideenkonferenz selbst immer mehr Fahrt aufgenommen, auch der Beirat ist gewachsen. Dort engagieren sich: Prof. Dr. Peter Neubauer, Bio- verfahrenstechnik, sowie Prof. Dr.-Ing. Vera Meyer, Angewand- te und Molekulare Mikrobiologie (Fakultät III Prozesswissenschaf- ten), Prof. Dr. Markus Feufel, Arbeitswissenschaft, Prof. Dr. André Fiebig, Technische Akustik, sowie Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft, Medizintechnik (Fakultät V Ver- kehrs- und Maschinensysteme), Prof. Dr. med. Reinhard Busse, Management im Gesundheits- wesen, sowie Prof. Dr. Verena Vogt, Versorgungsforschung und Qualitätsmanagement im ambulanten Sektor (Fakultät VII Wirtschaft und Management), Prof. Dr. Petra Lucht, Gender in MINT und Planung (Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Ge- schlechterforschung). n n a m e g r e B t r e b o R / m r o f t t a p g o a D U T - l l i © Prof. Dr.-Ing. Christine Ahrend ist als TU-Vizepräsidentin verantwortlich für Forschung, Berufungsstrategie und Transfer. Hier bei der Eröffnung der ersten TU-Ideenkonferenz 2018. 2021 fand diese pandemiebedingt digital statt. Blühendes Netzwerk Die Ideen aus der TU-Ideenkonferenz wachsen weiter Frau Ahrend, 2018 haben Sie als TU-Vizepräsidentin die erste Ideen- konferenz zusammen mit der Dialog- plattform an der TU Berlin initiiert. Das Thema war „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“. Im April 2021 folgte „Von Pilzen, Robotics und Universal Health Coverage“ zu Perspektiven der Gesundheit „von der Nano- bis zur Makroebene“. Inzwischen hat sich die Veranstaltung etabliert. Was steckt dahinter? Wir wollen mit den Ideenkonferen- zen ein Forum bieten, um unsere For- scher*innen darin zu unterstützen, universitätsübergreifend zukünftige Forschungsverbundprojekte zu ent- wickeln. Damit möchten wir vor- handene Forschungsnetzwerke stär- ken und neue anschieben. An der TU Berlin versammeln sich sehr viele Einzelkompetenzen zu spezifischen Themen, die aber oft in zahlreichen Fachgebieten verstreut sind. Diese wollen wir gezielt bündeln. Um auch externe Impulse zum jeweiligen Kon- ferenzthema einzubinden, laden wir auch ausgewählte außeruniversitäre Gesprächspartner*innen aus Wissen- schaft, Industrie, zivilgesellschaft- lichen Organisationen sowie aus der Politik ein. Hochinteressante Keyno- tes zum Themenfeld „Gesundheit“ hielten im April beispielsweise Pro- fessorin Sabine Gabrysch, die an der Berliner Charité und am PIK Potsdam „Klima und Gesundheit“ lehrt, sowie die Politökonomin Professorin Maja Göpel, Expertin für Nachhaltigkeits- politik und Transformationsforschung. Daran schlossen sich acht Ideenwork- shops an, in denen bereits angedachte Verbundforschungsideen konkretisiert oder ganz neue entwickelt wurden. Wie war die Resonanz und welche konkreten Themenfelder wurden be- arbeitet? Die Resonanz auf unseren damali- gen Call for Workshops war groß. So konnten wir gemeinsam mit dem wis- senschaftlichen Beirat (siehe Infobox unten) ein abwechslungsreiches und breites Programm mit Fachgebieten aus fünf TU-Fakultäten zusammen- stellen: Von der Mikrobiologie und der medizinischen Biotechnologie über die Technikwissenschaften bis hin zur Verkehrs-, Stadt- und Umweltplanung und zur Geschlechterforschung war eine große Bandbreite von TU-For- schenden zum Themenfeld „Human Health, Humanities and Educational Science“ vertreten. Dieses gehört ja zu den sechs Forschungsschwerpunk- ten der TU Berlin, den sogenannten Key Application Areas. Gemeinsam mit zusätzlich eingeladenen, auch internationalen Kolleg*innen und Expert*innen wurden in methodenge- leiteten Workshops viele Forschungs- ideen ausgelotet. Inzwischen sind einige Monate ver- gangen. Welche Ideen haben schon Gestalt angenommen? Es sind viele kleine Keimzellen, fruchtbare Zusammenschlüsse und auch größere Vorhaben entstanden. Konkret ins Auge gefasst wurden bei- spielsweise DFG-Anträge sowie ein Antrag für einen Einstein-Zirkel der Einstein Stiftung zu der biotechnolo- gischen Forschungsfrage „Wie kommt man schneller zu neuen Pharmaka?“ (siehe Artikel unten auf dieser Seite). Auch haben sich fakultätsübergreifen- de Forschungsgruppen zusammenge- funden und ihre Ideen konkretisiert, die sich nun auf Ausschreibungen der Berlin University Alliance (BUA) be- werben. Derzeit planen wir außerdem den Aufbau eines fakultätsübergrei- fenden interdisziplinären Forschungs- netzwerks. In diesem Zusammenhang stehen auch die Workshops, die in die- sem Wintersemester noch geplant sind (siehe Artikel auf dieser Seite). Ich freue mich persönlich sehr, dass unsere Ideenworkshops so viel positive Reso- nanz finden, und wir hoffen, dass die entstandenen Netzwerke so verstetigt und ausgeweitet werden können. Vielen Dank! Die Fragen stellte Patricia Pätzold Bio-Medizin von morgen Im Zukunftslabor laufen die Fäden für die gemeinsa- me Entwicklung neuer Biopharmaka zusammen „Es ist in den letzten Jahren einfacher geworden, Mikroorganismen genetisch zu manipulieren“, sagt Dr.-Ing. Marie- Therese Schermeyer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Biover- fahrenstechnik der TU Berlin. „Das hilft uns, komplexe Moleküle für me- dizinische Zwecke möglichst umwelt- freundlich und ressourcenschonend zu entwickeln.“ Doch es gibt einen Ha- ken: „Trotz jahrelanger wissenschaft- licher Bemühungen ist die Herstellung vieler biotechnologischer Produkte im Hinblick auf Kosten und Zeitaufwand noch immer nicht konkurrenzfähig mit Produkten aus der chemischen Syn- these.“ Einer der Hauptgründe dafür sei die lange Entwicklungszeit der Ver- fahren. Auch seien die produzierenden Mikroorganismen, Zellen und Zielmo- leküle sehr komplex und empfindlich. Um möglichst viel Expertise für die Suche nach neuen Biopharmaka aus verschiedenen Fachgruppen an einen Tisch zu holen, bot das Fachgebiet Bio- verfahrenstechnik von Prof. Dr. Peter Neubauer bei der Ideenkonferenz im April 2021 den Workshop „Schneller zu neuen Pharmaka im Zukunfts- k a o N x i l e F © Innovativer Probenhalter, entwi- ckelt im “Lab of the Future” labor“ an, den Marie-Therese Scher- meyer organisierte. 24 Teilnehmende aus verschiedenen TU-Fakultäten, aus Charité sowie aus verschiedenen Universitäten und Instituten fanden sich schließlich zusammen, um über das Optimierungspotenzial für die Herstellung biomedizinischer Pro- dukte sowie den sinnvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz in diesem Prozess zu sprechen. „Wichtig war uns auch, die bessere Verknüpfung unserer Fachgebiete zu organisieren, denn von der Molekülfindung bis hin zum fertigen biotechnologisch herge- stellten Medikament braucht es viele Teilschritte und damit Expertise aus Molekularbiologie, Prozesstechnik, Medizin, aus Mathematik, Elektro- technik, Informatik oder Automation.“ Und das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Das zwanglose Zusammen- treffen auf der Ideenkonferenz führte zu automatischem Netzwerken, zu freiem Brainstormen und war Auftakt für weitere Treffen mit den neuen For- schungspartner*innen. Derzeit läuft sogar schon der Antrag auf einen Ein- stein-Zirkel bei der Einstein Stiftung Berlin. Mit diesen Zirkeln fördert die Stiftung universitäts- und institutions- übergreifende, von Wissenschaftler*in- nen selbst organisierte Kooperationen. Marie-Therese Schermeyer selbst ist Expertin für die Steuerung von Robo- tern im biotechnologischen Labor und Wissenschaftlerin des KIWI-biolabs (Künstliche Intelligenz für Wissens- basierte Integrierte Biolabore), eine vom Bundesforschungsministerium geförderte Initiative von TU Berlin (Fachgebiet Bioverfahrenstechnik), Universität Greifswald und der Stif- tung Universität Hildesheim zu Ein- satzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz in biotechnologischen Pro- zessen. Ihr Fazit: „Die Ideenkonferenz war für uns ein Initialfunke für eine fruchtbare Zusammenarbeit, die uns alle voranbringen wird.“ https://kiwi-biolab.de/ Patricia Pätzold