Praktikum gut, Studium verbesserungswürdig

Wie wichtig sind Schulpraktika für angehende Lehrer/innen? - Eine Untersuchung an der TU Berlin


Rein fachlich "kaum etwas dazu gelernt", aber "bestärkt, im Wunsch Lehrer zu werden". Das sind zwei typische Aussagen von Lehramtsstudierenden zu ihren Erfahrungen mit Schulpraktika. Es sind Antworten auf Fragen, die der TU-Physiker Dr. Frank Knape erhielt, als er im vergangenen Herbst Studierende befragte, die gerade ihre Pflichtpraktika im Schulbetrieb absolviert hatten. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse seiner Untersuchung zeigen deutlich, wie wichtig die Praktika den angehenden Lehrern und Lehrerinnen sind. Sie zeigen aber auch, daß sie sich durch die Fachdidaktik ihres Lehrerstudiums nur unzureichend auf den Schuldienst vorbereitet fühlen.

Wer heute Lehrer werden will, durchläuft eine Ausbildung, die streng in zwei Phasen geteilt ist. Zuerst kommt das Studium an der Universität, dann folgt das Referendariat, in dem die zukünftigen Lehrer und Lehrerinnen zwei Jahre lang vor Ort in ihren Beruf eingeführt werden. Ein Bindeglied zwischen beiden Phasen ist das Schulpraktikum. Es dient dazu die beruflichen Anfangsschwierigkeiten des Lehrers bewußt zu machen und so die Trennung zwischen den beiden Ausbildungsphasen abzubauen.

Wie hilfreich sind Praktika?

Wie hilfreich sind aber diese Praktika, wo sind sie verbesserungswürdig? Antworten auf diese Fragen sollten durch eine Befragung von Lehramtsstudierenden nach ihrem Schulpraktikum gefunden werden. Ein ähnliches Projekt zum Praktikantenwesen innerhalb der Berliner Wirtschaft war bereits vor zwei Jahren durchgeführt worden. Diese Untersuchung und ihre Fragen auf das Schulpraktikumswesen anzuwenden, regte Prof. Dr. Jörg Willer vom Institut für Fachdidaktik Physik und Lehrerbildung. Dazu wurden im November letzten Jahres 43 TU-Studierenden angeschrieben. Sie studierten unterschiedliche Lehrfächer - unter anderem Deutsch, Englisch, Mathematik und Physik - und hatten im Sommer ein Schulpraktikum absolviert. 21 von ihnen nahmen schließlich an der schriftlichen Befragung teil.

Ein wesentliches Ergebnis der Untersuchung ist, daß die Studierenden die Schulpraktika sehr positiv bewerteten. So empfand keiner der Befragten das vierwöchige Praktikum als zu lang. Im Gegenteil: Der mit Abstand am häufigsten genannte Verbesserungsvorschlag (52%) waren längere oder mehr Praktika.

Was ist gut am Praktikum?

Was hat Ihnen am Praktikum besonders gefallen? Auf diese Frage wurde am häufigsten (45%) die Unterstützung durch den betreuenden Lehrer genannt. Erst danach rangieren die Stichworte: Umgang mit Schülern, Schulalltag erleben und Eigenverantwortung übernehmen (jeweils 25-30%).

Ebenfalls zufrieden zeigten sich die Befragten mit der Möglichkeit, ihre eigenen Fähigkeiten und Wünsche bei der Gestaltung des Praktikums zu berücksichtigen. 86% der Praktikanten hatten nach eigenen Angaben ausreichend Gelegenheit dazu. 90% der Schulpraktikanten berichteten, daß sie sowohl die Gelegenheit hatten, eigenverantwortlich eine Unterrichtseinheit zu planen und durchzuführen, als auch den Unterrichtsverlauf selbständig zu planen und zu beeinflussen. So ist es kein Wunder, daß 62% der Studierenden angaben, "sehr viel" in der Didaktik dazugelernt zu haben. Rein fachlich hätten sie jedoch "kaum etwas" dazugelernt, so die Meinung von immerhin 62% der Praktikanten.

Schlechte Noten für die Uni

Während die Studierenden ihr Praktikum überwiegend positiv bewerteten, vergaben sie deutlich schlechtere Noten für ihr Studium, und insbesondere für die fachdidaktische Universitätsausbildung. Nur 10% der Studenten hielten sie für ausreichend; fast alle beklagten den fehlenden Praxisbezug. Die Forderung der befragten Studierenden: Es sollten mehr konkrete Probleme wie das Schüler-Lehrer-Verhältnis, die Methodik, die Ausarbeitung von Tests sowie die Zensurengebung angesprochen werden. Es wurden zudem mehr Übungen zur Unterrichtsplanung und zur Anwendung der fachdidaktischen Modelle gewünscht.

Im Gegensatz dazu schien die fachwissenschaftliche Ausbildung den Befragten eher zu viel des Guten zu bieten. Besonders kritisch zeigten sich hier die Studierenden für das Lehramt in der Grundschule und Sekundarstufe I (d.h. Mittelstufe bis zur 10. Klasse): sie waren übereinstimmend der Meinung, daß die fachliche Ausbildung "zu abgehoben" bzw. zu wissenschaftlich sei und zur Überqualifizierung führe. Die angehenden Studienräte, die später an Gymnasien unterrichten werden, teilten diese Ansicht immerhin noch zu 60%.

Fazit: Studienordnung muß geändert werden

Das Fazit der Untersuchung: Eine Revision der Lehramtsstudienordnungen scheint - auch im Hinblick auf eine dringend erforderliche Studienzeitverkürzung - notwendig. Der Mangel an Praxisbezug in der universitären Ausbildung, den die Befragung feststellt, ist Ausdruck der ausgeprägten Trennung zwischen den beiden Phasen Studium und Referendariat. Diese Trennung wird offenbar von der Mehrzahl der Lehramtsstudierenden (zu Recht) nicht aktzeptiert. Daher muß schon das Studium stärker an der Berufspraxis orientiert werden; hier ist insbesondere die Fachdidaktik gefordert. Einsparungspotentiale ergeben sich aus Sicht der Studierenden dagegen in der fachwissenschaftlichen Ausbildung.

Um die Faktoren für ein gelungenes Schulpraktikum besser herauszuarbeiten, wird die Untersuchung in den kommenden Semestern weitergeführt. Zur Erhöhung des Rücklaufs scheint allerdings eine stärkere Unterstützung des Projekts seitens der fachdidaktischen Hochschullehrer wünschenswert.

"Auf jeden Fall" Lehrer werden

Wie wichtig das Schulpraktikum übrigens für die Einstellung zum späteren Beruf ist, zeigte die Frage: "Haben Dich Deine Praktikumserfahrungen in Deinem Wunsch, Lehrer zu werden, bestärkt?" 29% sahen für sich "keine Änderung", aber die Antwort der restlichen 71% war eindeutig: "auf jeden Fall".

Dr. Frank Knape / Institut für Strahlungs- und Kernphysik