Nachgefragt:
Der deutschen Elektrotechnik-Indu-
strie geht es derzeit nicht gerade
blendend. Während die Firmen Stellen
abbauen, beginnen immer weniger junge
Leute ein E-Technik-Studium an einer
Universität (wir berichteten in TU in-
tern, April '95).
Was tut sich derweil in der Hochschul-
ausbildung? Werden die E-Technik-Cur-
ricula den Anforderungen aus der Wirt-
schaft noch gerecht? Liegt der Schlüssel
in einer weiteren Spezialisierung oder in
einer Generalisierung des Studiums?
René Schönfeldt von TU intern fragte
Herbert Reichl, Professor am Institut für
Mikroelektronik. Er ist einer der Initia-
toren des Studiengangs Mikrosystem-
technik, der im kommenden Winterse-
mester an der Technischen Universität
Berlin startet.
Herbert Reichl
Frage: Worum geht es in dem neuen Studiengang Mikrosystemtechnik?
Die Mikrosystemtechnik umfaßt das Verkleinern und Integrieren von Sensoren, Aktuatoren und Schaltkreisen auf einem Chip. Das können beispielsweise Ventile, Anzeigen, Spulen, Justierungselemente oder auch Düsen für Tintenstrahldrucker sein.
Warum ist ein eigener Studiengang Mikrosystemtechnik notwendig?
Die Industrie befaßt sich in zunehmendem Maße mit der Verkleinerung ihrer Produkte, insbesondere im portablen Bereich, etwa bei Telefonen oder Computern. Kleiner heißt nämlich häufig zuverlässiger, denn die thermo-mechanische Beanspruchung ist im Regelfall geringer, und die Fehlerrate sinkt. Kleiner heißt aber auch weniger Materialverbrauch und geringerer Energiebedarf. Kleiner heißt also auch kostengünstiger. Die Industrie braucht deshalb Fachleute, die auf diesem interdisziplinären Gebiet Erfahrung haben und dafür ausgebildet werden.
Mit dem neuen Studiengang reagieren Sie auf veränderte Anforderungen aus der Industrie und bilden dahingehend aus. Wie sieht es im Studiengang Elektrotechnik aus: Bietet der dortige Fächerkanon den Absolventen noch eine gute Ausrüstung für ihren Berufsstart?
Bei der Wahl der Studieninhalte müssen wir auf die Nachfrage der Industrie reagieren. Insbesondere besteht Nachfrage nach einer breiten Grundausbildung und Grundlagenvertiefung, weniger nach einer Spezialisierung. Darauf müssen wir auch in der Elektrotechnik reagieren. Deshalb ist es notwendig, ebenfalls über den Fächerkatalog in der Elektrotechnik zu diskutieren.
Sie sagen, Grundlagenausbildung statt Vertiefung. Ist die Mikrosystemtechnik nicht selber eine sehr spezialisierte Ausbildung?
Nein. Die Mikrosystemtechnik vereinigt die klassischen Gebiete der Elektrotechnik, der Mikroelektronik, der Mechanik und des Maschinenbaus. Es bietet vielmehr ein breites Grundverständnis. Bei einem Mikroventil muß der Ingenieur beispielsweise bestimmen, wie das Ventil auszulegen ist, welche Materialien der Festigkeit genügen, er muß sich um die Aussteuerung kümmern und das ganze integrieren. Diese Vorgehensweise ist nicht spezialisiert, sondern sehr breit angelegt.