Neue Moleküle durch Elektronentransfer

Volkswagenstiftung fördert Bonn-Berlin Kooperation in der chemischen Grundlagenforschung


Das Arbeitsteam um Professor Siegfried Blechert vom Institut für Organische Chemie der TU Berlin kann sich freuen. Es erhielt Fördermittel in Höhe von 338.000 DM von der Volkswagenstiftung. Sie sind für ein Teilprojekt des Schwerpunktprogramms "Intra- und Intermolekulare Elektronenübertragung" bestimmt, das gemeinsam mit der Universität Bonn durchgeführt wird.

Schon seit langem gibt es eine intensive Forschungstätigkeit auf dem Gebiet des Elektronentransfers. Das aktuelle Interesse an Elektronentransferreaktionen zeigte sich beispielsweise 1992, als der Chemie-Nobelpreis an den Amerikaner Prof. Marcus für seine Arbeiten zu diesem Thema ging.

Ungewohnte Wirkungen

Elektronentransfer bedeutet, daß einem Molekül z.B. durch Anlegen elektrischer Spannung, Elektronen hinzugefügt oder entfernt werden. Dabei entstehen neue, sehr reaktive Teilchen, sogenannte Radikalanionen oder -kationen die ganz ungewohnte (und im Labor manchmal völlig ungeahnte) Wirkung zeigen.

Wie die Elektronenübertragung zwischen den Molekülen über diese reaktiven Zwischenstufen funktioniert, ist noch nicht genau geklärt. Allerdings lassen sich diese Teilchen heute schon im Labor wirkungsvoll einsetzen: In sogenannten Elektronentransferreaktionen. Vergleichbare Reaktionen finden sich auch in der Natur, etwa bei der Photosynthese oder bei enzymatischen Vorgängen.

Moleküle "aus der Steckdose"

In Kooperation mit einer Bonner Arbeitsgruppe untersuchen Professor Blechert und seine Mitarbeiter Olaf Lehmann und Christoph Gürtler, unter welchen Bedingungen Elektronentransferreaktionen funktionieren. Die Forscher nutzen hierbei "Strom aus der Steckdose". Elektrischer Strom ist an Elektroden einfach verfügbar und führt nicht zu den üblichen Entsorgungsschwierigkeiten. "Sie sind damit eine ausgesprochen saubere Sache", meint Prof. Blechert.

Dabei wird die große Erfahrung des Teams von Prof. Steckhan von der Universität Bonn auf dem Gebiet des Elektronentransfers mit dem Know-How der Berliner Arbeitsgruppe von Prof. Blechert auf dem Gebiet der Naturstoffsynthese geschickt kombiniert.

Während sich die "Bonner" eher mit physikalisch-organischen Untersuchungen beschäftigen, versuchen die "Berliner" die gewonnenen Erkenntnisse direkt in die Praxis umzusetzen, beispielsweise in pharmakologisch wirksame Moleküle.

Biologisch interessante Moleküle

Durch die Anwendung von Elektronentransferreaktionen gelangen die Forscher schneller zu biologisch interessanten Molekülen, wie sie auch in der Natur existieren. Die Herstellung dieser sogenannten Naturstoffe ist ein traditionelles Forschungsgebiet an der TU Berlin.

Besonderen Wert legen die Forscher aus Berlin und Bonn auf einen intensive Zusammenarbeit. Eher hochschulunüblich kam es bereits zum Austausch von Mitarbeitern. "Die Kooperation der Hochschulen ist von der VW-Stiftung in besonderer Weise gewürdigt worden", meinen übereinstimmend die Professoren Eberhard Steckhan und Siegfried Blechert.

Das Teilprojekt "Elektronentransferkatalysierte Cycloadditionen und Substitutionen - Synthetische Anwendungen und mechanistische Studien -", an dem drei Doktoranden in Bonn und Berlin beteiligt sind, wird von der VW-Stiftung für einen Zeitraum von zunächst zwei Jahren gefördert.

Christoph Gürtler, Institut für Organische Chemie


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