Die Technische Hochschule als "großer Palast"

Die TU Plansammlung ersteigert Architekturzeichnungen des 19. Jahrhunderts


Der "große Palast", den der Architekt Richard Lucae (1829-ä1877) vor mehr als 100 Jahren zeichnete, hat eine ganz besondere Bedeutung für die TU Berlin: Lucaes Ansicht ist nämlich ein erster Entwurf für die Technische Hochschule Charlottenburg gewesen. Gemeinsam mit einer großen Anzahl weiterer Architekturzeichnungen ist der "große Palast" kürzlich von der Plansammlung der TU Berlin auf einer Kunstauktion ersteigert worden. Bei der Erwerbung handelt sich um ein Konvolut von Berliner Architekturzeichnungen des 19. Jahrhunderts, von denen vermutet wird, das sie bereits zum Architekturmuseum der Technischen Hochschule Charlottenburg gehörten.

Das Spektrum der Zeichnungen ist recht groß. Gebäudeentwürfe wie beispielsweise ein Entwurf von August Stühler (1800-1865) für den neuen Dom in Berlin sind in der Sammlung ebenso enthalten wie Entwürfe für Möbel, für Innenraumgestaltungen oder zum Vorhang des Stadttheaters in Stettin.

Zusammengefaßt sind hier Werke von insgesamt 15 Berliner Architekten des letzten Jahrhunderts. Die Sammlung kann jedoch nicht den Anspruch an Vollständigkeit erfüllen, da es sich immer nur um einzelne Blätter der verschiedenen Architekten handelt. Trotzdem ist es ein Glücksfall, daß diese Sammlung im Ganzen erworben werden konnte, da sie gerade in ihrer Ganzheit ein Stück Berliner Baugeschichte dokumentiert.

So stellte sich Richard Lucae die Technische Hochschule Charlottenburg in einem frühen Entwurf vor

Für die Plansammlung der TU Berlin hat die Sammlung einen besonderen Wert, denn es liegt die Vermutung nahe, daß sie sich früher im Besitz des Architekturmuseums an der Architekturabteilung der Technischen Hochschule Charlottenburg befunden hat. Die Plansammlung, die nach dem Krieg an der TU Berlin gegründet wurde, ist wesentlich von den Beständen des ehemaligen Architekturmuseums geprägt beziehungsweise von dem, was davon übrig blieb.

Das Architekturmuseum war 1885 gegründet worden. Bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts wuchs hier ein beachtlicher Bestand an Architekturzeichnungen heran. Durch die Kriegsereignisse gingen jedoch große Teile der bedeutendsten preußischen Architektennachlässe des 19. Jahrhunderts verloren. Sie wurden hauptsächlich nach Schlesien ausgelagert, wo sie nach Kriegsende von Polen übernommen und teilweise verkauft wurden. Auf diese Weise wird auch die nun ersteigerte Sammlung zu einem neuen Besitzer gekommen sein, dessen Erben sie jetzt auf den Markt gebracht haben.

Experten sind sich sicher, daß die Blätter aus dem Bestand des Architekturmuseums stammen. Da jedoch aus den einzelnen Bögen die Besitzstempel herausgeschnitten wurden und auch das Bestandsverzeichnis im Krieg zerstört wurde, läßt sich der Besitz nicht mehr exakt zuordnen. Die TU Berlin war somit gezwungen, wie jeder andere Interessent auch, sich an der Versteigerung zu beteiligen. Für die rund 140 Handzeichnungen und zwei Lithographien bezahlte sie den Preis von 75.000 DM.

Bettina Weniger


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[TU intern - Übersicht] [Juli '95]