Das erste Sommer-Colloquium des zukünftigen Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung
(tui) "Frauen an Universitäten. Historische Erfahrungen - Aktuelle Perspektiven" - so lautete der Titel des ersten Sommer-Colloquiums, das von dem im Aufbau befindlichen Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung am Fachbereich Kommunikations- und Geschichtswissenschaften veranstaltet wurde. Das Thema ist Programm, nicht nur für das Colloquium, das am 9. und 10. Juni an der TU Berlin stattfand, sondern auch für das mit der Berufung von Karin Hausen auf eine Professur für interdisziplinäre Frauenforschung begonnene Vorhaben, an der TU Berlin ein Zentrum zu schaffen für alle, die Frauen- und Geschlechterforschung als interdisziplinäres Projekt in Lehre und Forschung fester verankern und weiterentwickeln wollen. Ein Arbeitsschwerpunkt des Zentrums wird die Geschlechterforschung auf dem Gebiet der Universitäts- und Wissenschaftsforschung sein.
Das Sommer-Colloquium bot eine erste Gelegenheit, die seit März 1995 begonnene Arbeit der Öffentlichkeit vorzustellen und auf die geplante Serie zukünftiger Sommer-Colloquien aufmerksam zu machen. Rund achtzig Gäste aus Berlin und der Bundesrepublik folgten der Einladung, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu Fragen der historischen und aktuellen Wissenschafts- und Universitätsentwicklung arbeiten.
Trotz aller heutigen Frauenförderrhetorik - so erläuterte Karin Hausen in ihrer Einführung - sei es nach wie vor wichtig und lohnend, die Frage "Wie männlich ist die Wisenschaft?" mit Nachdruck zu stellen und wissenschaftlich zu bearbeiten.
Frauen als Lückenbüßerin
Um die unterschiedlichen Wege und Ergebnisse des historischen Nachforschens ging es in einem ersten Abschnitt des Colloquiums. Ilse Costas von der Universität Göttingen verdeutlichte anhand eines internationalen Vergleichs für die Zeit vor 1914, welche Faktoren sich fördernd auf die allmähliche Zulassung von Frauen zum Universitätsstudium ausgewirkt haben. Einer ihrer Befunde war, daß Frauen dort höhere Chancen hatten, wo das Sozialprestige der akademischen Ausbildung generell oder eines bestimmten Faches gering und die Nachfrage nach wissenschaftlich ausgebildetem Personal hoch war.
Dies bestätigte Karin Zachmann von der TU Dresden in ihrem Vortrag über die forcierte Erhöhung des Anteils von Frauen an den Studierenden der Technischen Universitäten in der DDR während der Ära Ulbricht.
Von den Nazis ausgeschaltet
Claudia Huerkamp, Universität Bielefeld, unersuchte die Situation studierender Frauen während der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Sie berichtete, daß die geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen 1933-1945 weitaus weniger wirksam war, als oft behauptet wird, daß aber gleichzeitig um so radikaler für Frauen ebenso wie für Männer die antijüdische NS-Politik der Verdrängung und Vernichtung griff. Wie nachhaltig die Nationalsozialisten die erste Generation professioneller und erfolgreicher Wissenschaftlerinnen aus Universitäten und Wissenschaft hatten ausschalten können, zeigte Theresa Wobbe anschließend am Beispiel der Sozialwisenschaftlerin Frieda Wunderlich.
Um aktuelle Universitätsprobleme und frauenpolitische Perspektiven ging es im zweiten Teil des Colloquiums. Beate Krais, TH Darmstadt, berichtete über ihre an Boudieu orientierten Forschungen zur Vermittlung eines unterschiedlichen fachspezifischen Habitus in den Geistes- und Naturwissenschaften. Doris Janshen von der Gesamthochschule/Universität Essen, stellte das vom Arbeitskreis Frauen, Technik, Zivilisation entwickelte Programm einer Technischen Universität der Frauen Europas vor.
Guter Start
Fazit der Veranstalterinnen: Während des Colloquiums zeigte sich, daß die Universitäts- und Wissenschaftsforschung ein weit ausgelegtes, praxisrelevantes und überaus lohnendes Arbeitsgebiet für interdisziplinäre Geschlechterforschung ist. Auch insofern werteten sie das Colloquium als einen vollen Erfolg und einen guten Start für die Arbeit am zukünftigen Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung.