"Zwangsberatung - Nein danke!"

TU Berlin und Wissenschaftssenat streiten sich vor Gericht - AStA gibt Broschüre heraus


(rs) Die obligatorische Studienberatung kommt auch an der TU Berlin ins Rollen. Rund 2.200 Studentinnen und Studenten wurden im Juni zur sogenannten "Zwangsberatung" eingeladen. Die ersten Studierenden haben ihre Beratung bereits hinter sich. Bis zum 4. Oktober müssen alle Betroffenen den Nachweis über ihr Beratungsgespräch beim Referat für Studienangelegenheiten vorlegen, sonst droht ihnen die Exmatrikulation. Hilfestellung für die Betroffenen gibt eine Broschüre, die der Allgemeine Studierendenausschuß (AStA) herausgegeben hat. Währenddessen streitet sich die TU Berlin vor Gericht mit der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung um die Frage, wieviele und welche Studierenden eigentlich beraten werden sollen.

Die Senatsverwaltung will durchsetzen, daß nicht nur jene 2.150 Studierenden beraten werden, die ab dem kommenden Semester genau drei Semester über ihrer Regelstudienzeit liegen. Ihrer Meinung nach sollen auch diejenigen in die Pflicht genommen werden, die mehr (!) als drei Semester darüber liegen.

Senatsverwaltung: Alle 10.000 beraten!

Würde sich die Linie des Wissenschaftssenats durchsetzen, so würde die Zahl der zu Beratenden an der TU Berlin auf rund 10.000 emporschnellen, schätzt Dietrich Medrow, Leiter des Referats für Studienangelegenheiten. An der FU Berlin wurde bereits im vergangenen Jahr nach Senatsvorgabe beraten. Von 60.000 Studierenden wurden 15.000 zur Beratung vorgeladen. Ergebnis: fast ein Drittel, rund 5.000 Studierende, erschienen nicht zum Gespräch oder exmatrikulierten sich selbst.

Die TU Berlin beharrte jedoch auf ihrer Sichtweise. Deshalb erteilte der Wissenschaftssenat der Universität im April eine Anweisung, die Beratung in seinem Sinne durchzuführen. Gleichzeitig ordnete er die "sofortige Vollziehung" an, um die aufschiebende Wirkung einer etwaigen TU-Klage im voraus zu verhindern.

TU Berlin klagte gegen den Senat

Das geschah dann auch: "Im Mai legte die TU Klage gegen die Anweisung ein", erläutert Bernd Rindermann, Leiter des Referats für Rechtsangelegenheiten. Zusätzlich strengte die Universität ein Eilverfahren gegen die sofortige Vollziehung an, um doch noch die aufschiebende Wirkung der Klage zu erreichen.

In dem Eilverfahren vor dem Berliner Verwaltungsgericht konnte der Wissenschaftssenat jetzt allerdings einen ersten Erfolg verbuchen. Bernd Rindermann: "Die Richter argumentierten, daß ein Sieg der TU Berlin in der Hauptsache relativ unwahrscheinlich sei." Damit ist die TU Berlin wieder im Zugzwang und muß sich überlegen, ob sie Beschwerde einlegt oder ob sie sich dem Beschluß beugt und auch die anderen rund 8.000 Studierenden zur Beratung einlädt. Wie sich die Universität verhalten will, stand bei Redaktionsschluß noch nicht fest.

Eine weiter Einladungslawine steht der TU Berlin zum Wintersemester allerdings nicht bevor, so Dietrich Medrow: "Wie es bei der Rückmeldung zum Sommersemester 1996 aussieht, ist zwar noch unklar. Für das kommende Wintersemester ist jedoch alles abgehakt. Da kommen keine weiteren Einladungen."

"Der kleine Zwangsberatungs-Berater"

Wie die rund 2.000 Studierenden mit der derzeit laufenden Beratung umgehen können, darüber informierte der Allgemeine Studierendenausschuß (AStA) auf einer studentischen Vollversammlung unter dem Titel "Zwangsberatung - Nein danke!". Dort präsentierte er seine Broschüre "Der kleine Zwangsberatungs-Berater". Der "Berater" erklärt, wann Studierende unter die Regelung fallen und worauf sie im Gespräch achten sollten. Hingewiesen wird auf die Möglichkeit, sich von Vertrauenspersonen in die Beratung begleiten zu lassen oder Vorbehalte gegen Berater/innen vorzubringen. Nachdrücklich warnt der AStA davor, Studien- oder Zeitpläne zu unterzeichnen. Das Heft und weitere Hilfestellung zur Pflichtberatung sind erhältlich beim AStA, Villa BEL, 2. Stock, Marchstr. 6, Tel. 314-25683.


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[TU intern - Übersicht] [Juli '95]