Die Länderfusion wird auch Auswirkungen auf die Hochschulen haben - Von Till Heyer-Stuffer, 3. Vizepräsident der TU Berlin
In der letzten Aprilwoche diesen Jahres haben die Regierungschefs der beiden Länder Berlin und Brandenburg den Staatsvertrag über die Bildung eines gemeinsamen Bundeslandes, den sogenannten Neugliederungs-Vertrag, unterzeichnet. Noch vor der Sommerpause ist die Ratifizierung durch die beiden Länderparlamente geplant, und im Sommer nächsten Jahres soll die letzte Hürde durch Volksabstimmungen genommen werden. Offen ist noch die Frage, ob die Fusion bereits im Jahre 1999 oder erst 2002 vollzogen wird. Was bringt die Fusion für die Hochschulen in Berlin und Brandenburg? Einen Überblick über die derzeit absehbaren Veränderungen beschreibt Till Heyer-Stuffer, 3. Vizepräsident der TU Berlin:
Der Bereich der Hochschulen taucht im eigentlichen Vertragstext nicht auf. Lediglich in der Protokollnotiz gibt es einen Passus, in dem einige Grundsätze vereinbart, nicht aber alle wesentlichen Punkte endgültig geklärt werden. Dies ist meines Erachtens ein Ausdruck sowohl des Stellenwertes, den Hochschulfragen in den gegenwärtigen Landespolitiken einnehmen, aber auch der Schwierigkeit, zwei unterschiedliche Hochschulgesetzgebungen unter einen Hut zu bringen.
Im Staatsvertrag über die Bildung eines gemeinsamen Landes Berlin-
Brandenburg, den die Regierungschefs im April unterzeichneten, taucht der
Bereich der Hochschulen nicht auf. Er wird lediglich in der Protokollnotiz
behandelt.
Die wichtigste Zahl in dieser Protokollnotiz ist die Festlegung der geplanten Studienplatzzahl von 134.000 für das gemeinsame Bundesland Berlin-Brandenburg. Hiervon entfallen auf Berlin 100.000 und auf das Gebiet des jetzigen Landes Brandenburg 34.000. Der Aufbau in Brandenburg mit derzeit etwas über 14.000 Studierenden auf diese Zielzahl hin soll gestützt werden durch einen Abbau gemäß Berliner Hochschulstrukturplan von derzeit 115.000 Studienplätzen in Berlin (mit real 140.000 Studierenden) um 15.000. Im Raum Brandenburg ist ein Anteil von Fachhochschulstudienplätzen von zukünftig 40% angestrebt. Für Berlin laufen die Planungen auf 20% hinaus, was im gesamten neuen Bundesland zu einem Prozentsatz von etwa 20% führen würde.
Das Planungspapier der Staatssekretäre
Die Staatssekretäre aus den beiden für Hochschulen zuständigen Ministerien haben Ende letzten Jahres ein Planungspapier erstellt, aus dem hervorgeht, wie diese Zielgrößen personell umgesetzt werden sollen. Hierbei fällt auf, daß zwar im Bereich der Professuren das Verhältnis der Gebiete Berlin und Brandenburg in etwa dem geplanten Studienplatzzahlverhältnis von 1 zu 3 entspricht, während dies im Bereich des Mittelbaus und des sonstigen Personals mit 1 zu 7 bis 1 zu 8 erheblich abweicht. Dieses gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, daß es in den Fachhochschulen keinen Mittelbau gibt und als Vergleich die geplanten Universitätsstudienplätze von etwa 80.000 zu 20.000 (Berlin zu Brandenburg) heranzieht. Diese Zahlen verdeutlichen, daß im Personalbereich noch große Konflikten und Verteilungskämpfe zu erwarten sind. Die Berliner Hochschulen werden zusätzlich zu der bereits jetzt schon angespannten Situation mit weiteren Reduktionen rechnen müssen.
Eine gemeinsame Hochschulstrukturkommission
Was das Fächerspektrum anbetrifft, so wurde im oben erwähnten Staatssekretärspapier festgestellt, daß dies etwa dem Spektrum im Bundesgebiet entspricht. In der Protokollnotiz zu dem Fusionsvertrag ist allerdings festgehalten, daß zur gemeinsamen Planung, insbesondere "die Festlegung von Standorten, der Fächerangebote und des wissenschaftlichen Profils der einzelnen Einrichtungen, die Begründung bzw. den Abbau von Mehrfachangeboten sowie die Personalplanung" eine gemeinsame Hochschulstrukturkommission eingesetzt werden soll, die sich überwiegend aus auswärtigen Sachverständigen zusammensetzt. Diese soll bis Ende 1997 Empfehlungen erarbeiten. Grundlage dafür sollen die bisher getroffenen quantitativen Festlegungen und Standortentscheidungen aus dem Berliner Hochschulstrukturplan von 1993 sein sowie die im gleichen Jahr vom brandenburgischen Kabinett zur Kenntnis genommenen "Eckwerte für die Wissenschaftspolitik des Landes Brandenburg ...". Die Kommission soll von den beiden zuständigen Länderministern einvernehmlich unter Einschaltung des Wissenschaftsrates berufen werden.
Die Universität Potsdam: Die Gesamtzahl der Studienplätze in
Brandenburg soll von heute 14.000 auf zukünftig 34.000 steigen. In
Berlin soll die Zahl von 115.000 auf 100.000 abgebaut werden.
Strittig zwischen den beiden Ländern ist allerdings noch die Frage des Vorschlagsrechtes. Senator Manfred Erhardt hat vor der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten erklärt, daß er es begrüßen würde, wenn die Vorschläge durch die großen Wissenschaftsorganisationen, wie z. B. der Wissenschaftsrat oder die Hochschulrektorenkonferenz, gemacht werden. Das Brandenburger Ministerium ist allerdings eher daran interessiert, die betreffenden Personen selbst zu suchen und vorzuschlagen, um vermutlich einen größeren Einfluß auf die Arbeit dieser Kommission zu haben.
Evalution auch für die West-Berliner Hochschulen
Aus meiner Sicht stellt sich allerdings die Frage, ob es notwendig ist, wieder mit einem großen personellen und finanziellen Aufwand durch eine hochkarätig besetzte Kommission Empfehlungen erarbeiten zu lassen. Wie bereits erwähnt, gibt es bereits schon Planungsgrundlagen, die insbesondere in Berlin durch eine solche Kommission auch unter Berücksichtigung der zukünftigen Entwicklung des Raumes Berlin-Brandenburg vorgelegt wurden. Es wäre meines Erachtens wesentlich sinnvoller, die Hochschulen des ehemaligen West-Berlins der gleichen Evaluation durch den Wissenschaftsrat zu unterziehen, wie sie in Ost-Berlin und Brandenburg erfolgt ist. Für die TU Berlin fürchte ich diese Evaluation nicht, und die dabei gewonnenen Erkenntnisse sowie die formulierten Stärken und Schwächen der einzelnen Hochschulen wären ausreichend, damit die Hochschulen gemeinsam mit den zuständigen Vertreterinnen und Vertretern der Politik eine Weiterentwicklung der vorhandenen Planung vornehmen können.
Ein anderer wesentlicher Punkt ist in der Protokollnotiz zum Fusionsvertrag allerdings noch offen geblieben. Das ist die Frage der zukünftigen Landesgesetzgebung. Hier konnte keine Einigkeit erzielt werden, so daß abgesehen von vertraglichen Vereinbarungen zu einzelnen Paragraphen die derzeit bestehenden Ländergesetze für ihre jeweiligen Gebiete weiter gelten sollen bis zur Verabschiedung eines Landeshochschulgesetzes durch das neue gemeinsame Parlament. Die Vorlieben für das eine oder andere Gesetz gehen quer durch die politischen Fraktionen und Länderbehörden.
Kuratorien müssen effektiver werden
Eine besondere Stellung nimmt dabei die Frage der Kuratorialverfassung ein, die im Berliner Landesgesetz verankert ist, im brandenburgischen nicht. Auch wenn meines Erachtens die Arbeit der Kuratorien effektiviert werden muß, hat sich dieses Instrumentarium bewährt. Im Hinblick auf die Diskussion zur Globalisierung der Universitätshaushalte, d. h. grob gesprochen zur Autonomie im Finanzgebahren, gewinnen die Kuratorien zunehmend an Bedeutung. Ich plädiere für eine Verankerung der Kuratorien in das neue gemeinsame Landesgesetz. Die Diskussion in den anderen Bundesländern, z. B. Rheinland-Pfalz, deuten darauf hin, daß die Entwicklung auch in diese Richtung geht.
Aus Sicht der Hochschulen können wir der Fusion Berlins und Brandenburgs gelassen entgegen sehen. Was die Planung der Standorte und Fächerstrukturen anbetrifft, so sind die wesentlichen Vorarbeiten auch mit einer gewissen Abstimmung bereits erfolgt. Die Fusion dürfte hier nur geringfügig zu einer Verbesserung führen. Schwierig wird es aber insbesondere aus Berliner Sicht bei der Auseinandersetzung um Verteilung von Personal und Ressourcen werden. Allerdings hoffe ich, daß dies dadurch kompensiert wird, daß das Thema Hochschulen in einem neuen Bundesland Berlin-Brandenburg einen höheren Stellenwert einnehmen wird als dies im Augenblick in Berlin der Fall ist.
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