Die Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau beteiligt sich an Probebohrungen vor der Küste von South Carolina
Tief im Tiefseeboden der Ozeane lagern
nach Einschätzung von Geowissenschaft-
lern riesige Erdgasvorkommen. Diese Vor-
kommen enthalten nach Expertenaussa-
gen möglicherweise mehr Kohlenstoff als
alle fossilen Brennstoffe der Erde zusam-
men. Allerdings ist bis heute noch nicht
geklärt, um welche Größen es sich
tatsächlich handelt und ob man sie über-
haupt abbauen kann. Um diese Fragen zu
beantworten führen derzeit Geowissen-
schaftler aus mehreren Ländern Probe-
bohrungen vor der amerikanischen Küste
durch. Mit dabei ist auch ein Forscher der
Versuchsanstalt für Wasserbau und
Schiffbau der TU Berlin.
Bei den vermuteten Erdgasvorkommen, die auf der ganzen Welt vorkommen sollen, handelt es sich um sogenannte Gashydrate - vorwiegend Methan. Durch die vergleichsweise tiefen Temperaturen am Meeresgrund und die dort gleichzeitig herrschenden hohen Drücke kommen die Gashydrate allerdings nicht wie an der Erdoberfläche als Gas vor, sondern sind schneeförmig im Sedimentgestein des Meeresgrundes gelagert.
Vor der Südostküste des US-Bundesstaates South Carolina vermuten Wissenschaftler der amerikanischen Fachbehörde US Geological Survey ein Erdgas-Vorkommen, das die Ausdehnung des Bundesstaates Vermont hat. Könnte man das dortige Erdgas abbauen, so schätzen die Experten, wäre damit die Energieversorgung der USA für siebzig Jahre gesichert. Dies ist allerdings kein Grund zu verfrühter Euphorie: "Man steht in diesem Bereich noch an den Anfängen", warnt Professor Hans Amann, Leiter der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau der TU Berlin (VWS). So sei beispielsweise noch nicht geklärt, wie groß das nordamerikanische Vorkommen tatsächlich ist und ob es überhaupt eine "Lagerstätte", also abbaubar ist.
Im November und Dezember führen deshalb internationale Wissenschaftler auf dem US-Tiefseebohrschiff "Joides Resolution" Probebohrungen in diesem Gebiet durch. Im Rahmen dieser Kampagne bohren sie den Meeresboden in rund 2800 Meter Tiefe an und entnehmen Proben in fünf und 500 Metern Tiefe des Sedimentgesteins. Diese Proben sollen über die in der Tiefe liegenden Gashydrate Aufschluß geben.
Das US-Tiefseebohrschiff "Joides Resolution" ist
derzeit auf der Suche nach Erdgas vor der nordamerikanischen Küste
"Wenn es mit der neuartigen Probenahmetechnik gelingt, die Gashydrate geologisch exakt zu charakterisieren - was mehrere Kampagnen in Anspruch nehmen dürfte -, dann könnte sich die Hoffnung auf große Lagerstätten als berechtigt erweisen", erklärt Professor Amann. "Man würde anschließend überlegen, ob und wie sich das Tiefseegas abbauen läßt und ob das Gas gefördert werden kann, ohne daß der Tiefseeboden Schaden nimmt."
OCEAN DRILLING PROGRAM
Die aktuellen Versuche finden im Rahmen des seit 15 Jahren laufenden, internationalen "Ocean Drilling Program" (ODP) statt. Auf "Leg 164", dem Fahrtabschnitt 164, ist derzeit auch Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Hohnberg von der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau (VWS) der TU Berlin dabei.
Aufgabe des VWS-Wissenschaftlers und seiner Berliner Kollegen ist es, Beiträge zur Verbesserung der äußerst schwierigen Probenahmetechnik zu leisten. Da die Gashydrate am Meeresboden unter Hochdruckbedingungen gewonnen werden, kann man die gewonnenen Proben nicht einfach an Bord öffnen und untersuchen: Bei Bohruntersuchungen vor Norwegen, die auch auf Gasvorkommen unter Hochdruck stießen, flog Forschern an Bord schon mal die Gasprobe in die Luft.
AUTOKLAV-PROBENEHMER
Wie die Aufnahmegefäße für Hochdruckproben - Fachleute sprechen von "Autoklav-Probenehmern" - weiterentwickelt werden, ist nun auch eine Aufgabe der VWS. "Bisher wurden diese Autoklav-Probenehmer schon testweise eingesetzt," erklärt VWS-Leiter Amann, "aber noch nicht in der nötigen Anzahl und mit der notwendigen Zuverlässigkeit." Jetzt müssen die Ingenieure und Forscher erreichen, daß die Tiefseeproben möglichst ohne Druckverlust in die Labors an Bord des Schiffes und an Land gebracht werden. Besonders auf die Probleme der Funktion und der Dichtigkeit des Gefäßes müssen die VWS-Wissenschaftler jetzt ihr Augenmerk richten.
Der Bohrmeißel trifft erst in 2500 Meter Wassertiefe
auf den Meeresboden und bohrt sich in das Sedimentgestein hinein.
Dort werden die Gashydratproben entnommen.
Japan, der weltweit zweitgrößte Energieverbraucher, zeigt übrigens auch sehr großes Interesse an der möglichen Nutzung der Gashydrate. Da das Land kaum eigene Energiereserven hat, ist es fast nur auf Importe angewiesen. Das Erdgas vom Tiefseeboden wäre eine Möglichkeit, in diesem Bereich mehr Unabhängigkeit zu gewinnen, auch wenn es viel Geld kostet. Aus diesem Grund stellen japanische Wissenschaftler auf "Leg 164" die Fahrtleitung.
bw/rs