Charakterisierung von Hefekulturen per Bildanalyse-System
Lebensmittel wie Brot und Bier werden
heute kaum mehr in kleinen Mengen - so-
zusagen in Handarbeit - hergestellt. In
der der Regel sind sie Massenprodukte,
bei deren Herstellung Wirtschaftlichkeit
und zahlreiche Gütekriterien beachtet
werden. Ein modernes Beispiel für ein
dafür notwendiges Meßsystem entwik-
kelte eine TU-Doktorandin am Institut für
Biotechnologie. Mit Hilfe eines Durchfluß-
Mikroskops stellt sie fest, wie wohl sich
Hefezellen in der Bierproduktion fühlen.
Zu den heute vieldiskutierten biotechnologischen Produkten zählen nicht nur die umstrittenen genmanipulierten schnittfesten Tomaten, sondern auch traditionelle Lebensmittel wie Joghurt, Brot, Bier und Schnaps. Bier wird beispielsweise in großen Reaktoren, den Gärbottichen, mit der Hefe Saccharomyces cerevisiae, die auch bei der Zubereitung eines Hefeteiges in der heimischen Küche unerlässlich ist, hergestellt. Die Anforderungen an die Ökonomie und Produktqualität solcher Prozesse steigen stetig. Da die Qualität der Produkte von dem Zustand der produzierenden Zellen abhängig ist, ist es notwendig, die äußeren Lebensbedingungen der Zellen und die Organismen selbst während des Prozesses zu untersuchen und zu überwachen. Somit werden also auch an die Meßtechnik steigende Anforderungen gestellt.
Im Rahmen Ihrer Promotion ist es Kerstin Zalewski vom Institut für Biotechnologie, Fachgebiet Bioverfahrenstechnik, gelungen, ein Meßsystem zu entwickeln, das zu jeder beliebigen Produktionszeit Daten über den Zustand einer Saccharomyces cerevisiae-Kultur liefert. Realisiert wird dieses System mit Hilfe eines Durchfluß-Mikroskops mit Kamera, das während der Produktion Bilder-Sequenzen aufnimmt, die dann zu einem Bildanalyse-System weitergeleitet werden. Hier wird anhand von Größe, Form und Struktur der Hefen das Alter und der Zustand der Kultur beurteilt. Denn sind die Zellen topfit, produzieren sie auch einwandfreie Qualität. Haben sich beispielsweise fremde Keime unter die Hefezellen gemischt, so kann bei einer Bierproduktion saures Bier entstehen. Mit dem neuen Meßsystem können diese Fremdkeime beispielsweise schnell erkannt und frühzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
ANALYSE OHNE ZEITVERZÖGERUNG
Der Vorteil dieses Systems ist, daß es kontinuierlich und ohne Zeitverzögerung direkten Aufschluß über den Zustand der Mikroorganismen gibt. Bisherige Meßverfahren basieren auf der kontinuierlichen Analyse von chemischen oder physikalischen Größen, wie z. B. Sauerstoffkonzentration, Kohlendioxidproduktion oder Nährstoffkonzentration. Diese Parameter lassen nur indirekt darauf schließen, wie "wohl sich die Zellen fühlen". Eine direkte Analyse der Organismen muß bisher an einem separaten Mikroskop durchgeführt werden. Damit verbunden ist zum einen eine gewisse Zeitverzögerung und zum anderen unterliegt eine solche Analyse der subjektiven Einschätzung und der Erfahrung der Person, die die Analyse am Mikroskop durchführt.
Mit dem neuen Meßgerät kann man zu jeder beliebigen Produktionszeit Daten über den Zustand von Hefe-Kulturen sammeln
Das neue Meßsystem der TU Berlin arbeitet nun zum einen quasi-kontinuierlich und zeitgleich zur Produktion, zum anderen analysiert es die Zellen direkt. Dabei wird für ein beliebiges Meßintervall eine Probe aus dem Reaktor in die Meßkammer des "Durchfluß-Mikroskops" geleitet. Über eine CCD-Kamera erfolgt die Bildaufnahme und der Transfer der Bilder zu dem Bildanalyse-System. Hier werden die "Fotos" von den Hefezellen mit komplizierten Algorithmen ausgewertet. Die äußeren Merkmale der Zellen, wie Größe, Form und Struktur, sind charakteristisch für ihr Alter und ihren Zustand. Auch Fremdkeime, die sich in Größe und Gestalt von den Hefen unterscheiden, können so schnell entdeckt werden. Somit ist es also möglich, eine großtechnische Produktion mit Hefen anhand des Erscheinungsbildes der Zellen kontinuierlich, schnell und zuverlässig zu kontrollieren.
ZELLEN WERDEN EINZELGÄNGER
Wie erfolgt aber nun die Zuordnung der Hefezellen zu bestimmten Wachstumsstadien? Bei uns Menschen ist es üblich, das Alter entsprechend des Aussehens einzuschätzen. Obwohl man dabei ja auch sehr falsch liegen kann, was sicher nicht immer von Vorteil ist. Innerhalb ihrer Doktorarbeit am Fachgebiet Bioverfahrenstechnik unter der Leitung von Prof. Rainer Buchholz hat Kerstin Zalewski herausgefunden, daß sehr junge, sich stark vermehrende Hefezellen häufig in Grüppchen auftreten, die aus zwei oder vier Zellen bestehen. In einem späteren Entwicklungsstadium werden die Zellen dann eher zu Einzelgängern. Außerdem erscheinen junge Zellen auf den mikroskopischen Bildern optisch dunkel, während eine ältere Zelle optisch heller aussieht. Tote Zellen sind als grelle Gebilde zu erkennen.
Unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten beurteilt das Bildanalyse-System die Qualität und Quantität der Hefekultur. In Verbindung mit den herkömmlichen kontinuierlich erfaßbaren physikalischen und chemischen Meßgrößen bietet das Bildanalyse-System für biotechnologische Verfahren eine verbesserte Prozeßkontrolle und somit die Möglichkeit zur Prozeßoptimierung.
Catrin Fischer