650 Leuchten für den Himmel über Berlin

Der "Künstliche Himmel" an der TU Berlin hilft beim Ausbau des Museums für Verkehr und Technik


Häuser baut man nicht nur mit Steinen,
Stahl und Beton, sondern auch mit Licht.
Denn das Licht, das durch Fenster dringt
und von Lampen strahlt, und die damit
verbundene Wärme sind entscheidend für
das Wohn- oder Arbeitsgefühl der Men-
schen im Inneren. Während man sich aber
Gebäudeformen im Modell anschauen
und statische Verhältnisse berechnen
kann, ist es schwierig, vorherzusehen,
wie das Licht in einem zukünftigen Raum
wirken wird. Eine mögliche Planungshilfe
ist die Tageslichtsimulation am Modell.
Sie wird unter dem "Künstlichen Himmel"
am Fachbereich Architektur durchgeführt.
Dessen prominentestes Projekt ist derzeit
der Erweiterungsbau des Berliner Mu-
seums für Verkehr und Technik (MVT).

Das Gebilde, das in einer fensterlosen Halle auf dem Nordcampus der TU Berlin steht, erinnert an ein übergroßes, etwa drei Meter hohes Iglu mit einer Hülle aus milchig-weißen Kunststoffplatten. Durch eine Tür gelangt man ins Innere: In der Mitte ein kleiner Drehtisch, darauf ein Modell des Museums für Verkehr und Technik. Hinter der transparenten Innenseite der Kuppelwand hängen Leuchtstofflampen. "Das sind fast 650 Lampen", erklärt Roman Jakobiak, Architekt und Betreuer des Künstlichen Himmels, "sie lassen sich in verschiedenen Segmenten und Ringen schalten und können unterschiedliche Himmelszustände simulieren." Zum Beispiel den in der DIN 5043 genormten Himmelszustand "vollständig bedeckter Himmel" - das verhangene Grau, das man auch vom Himmel über Berlin bestens kennt.


Der Parabolspiegel im Inneren des Künstlichen Himmels ist für die Sonnenstrahlen eines wolkenlosen Tages zuständig. Bei grauer Wolkendecke werden nur die Leuchtstoffröhren eingeschaltet.

Dem Eingang gegenüber ist ein Parabolspiegel an einer vertikalen Schiene angebracht - die künstliche Sonne. Eine kleine Halogenlampe strahlt in den Spiegel, der das Licht dann in parallelen Strahlen auf das Modell wirft. "Durch die Drehung des Modelltisches und die Höhenverstellung der Sonne können unterschiedliche Sonnenstände simuliert werden. Je nach Aufgabenstellung können einzelne Sonnenstände angefahren oder ganze Sonnentage in ihrem Verauf simuliert werden", erläutert der wissenschaftliche Mitarbeiter.

Egal ob Sommer oder Winter, morgens oder nachmittags - Jakobiak kann die gewünschten Lichtszenarien einstellen und Architekturmodelle lichttechnisch vermessen. Mit kleinen Beleuchtungsstärkemeßköpfen sowie mit Fotoapparat und Videotechnik kann er das Tageslicht in den Modellen testen und die zu erwartende Beleuchtungsqualität beurteilen. So sieht er bereits am Modell, wo große Leuchtdichtekontraste zu Blenderscheinungen führen oder welche Raumbereiche nicht ausreichend durch Tageslicht beleuchtet werden. Dafür können dann Verbesserungsvorschläge entwickelt werden.

So untersuchten Jakobiak und sein Vorgänger am Künstlichen Himmel, Ingo Lütkemeyer, den ursprünglichen Entwurf des Erweiterungsbaus am Museum für Verkehr und Technik, erarbeiteten Verbesserungsvorschläge für die Tageslichtnutzung und stimmten sie mit den Museumsarchitekten ab.

Zum Beispiel im dritten Obergeschoß der Abteilung Luft- und Schiffahrt: Dort wurde nach der Überarbeitung die Zahl der Oberlichtbänder über den westlichen Ausstellungsräumen verdoppelt. Außerdem bekamen die Architekten den Rat, zusätzlich pyramidenförmige Oberlichter über die geplanten Ausstellungsnischen zu setzen. Für Verglasung und Sonnenschutz wurde auch gleich ein Vorschlag mitgeliefert: Scheiben aus einem styroporähnlichen, durchscheinenden "Aerogel" für die Ost- und Westseiten der Pyramide, Rasterstreifen für die Südseite.


Blick ins Modell: Für die Biliothek im Anbau des Museums für Verkehr und Technik wurde im"Künstlichen Himmel" der TU Berlin eine besondere Verschattungstechnik entwickelt. Horizontale Lamellen an der Ost- und Südseite schirmen den Lesesaal vor der schräg einfallenden Sonne ab.

Solche Detailarbeit zahlt sich aus, denn durch intensive Tageslichtnutzung kann die erforderliche Kunstlichtbeleuchtung und damit auch der Energieverbrauch gesenkt werden. "Tageslicht steigert nicht nur den visuellen Komfort und damit das Wohlbefinden der Nutzer", so Roman Jakobiak, "über Einsparungen an Energie zur Beleuchtung wirkt es sich auch positiv auf die Energiebilanz eines Gebäudes aus. Indirekt geschieht das durch geringere Kühllasten im Sommer und die Steigerung von Energiegewinnen im Winter." Die genaue Untersuchung der Tageslichtbeleuchtung in Gebäuden ist daher "die konsequente Fortführung der Beschäftigung mit Niedrigenergiegebäuden", so Architekt Jakobiak.

DER EINZIGE HIMMEL FÜR DIE LEHRE

Der künstliche Himmel an der TU Berlin ist nicht der einzige seiner Art. Ähnliche Einrichtungen existieren z. B. in Stuttgart, Lausanne oder Moskau. Während die meisten anderen künstlichen Himmel von Leuchtenherstellern oder Lichtplanungsbüros betrieben werden, ist der TU-Himmel einer der wenigen, die für Forschung und Lehre zur Verfügung stehen. "Leider findet zur Zeit keine Lehre statt", bedauert der Lichtexperte. Dem Fachbereich hatte Jakobiak angeboten, unentgeltlich im Rahmen eines Lehrauftrages tätig zu werden, aber der Fachbereich kann aus Kapazitätsgründen keinen Lehrauftrag vergeben. Jakobiak: "So ist eine Kontinuität der Arbeit über die derzeitigen Forschungsprojekte hinaus fraglich, und das bisher in jahrelanger Arbeit erworbene Wissen droht verloren zu gehen."

Immerhin ein Wissen, das sich im Laufe der vergangenen sieben Jahren angesammelt hat. Denn bereits 1988 wurde der Künstliche TU-Himmel im Rahmen eines Forschungsprojekts am Fachgebiet Ausbautechnik und Klimagerechtes Bauen von Prof. Hasso Schreck aufgebaut.

1990 wurden die Tageslichtspezialisten der TU Berlin dann zum Erweiterungsprojekt des Museums für Verkehr und Technik hinzugezogen. Dort beraten sie seitdem die Museumsarchitekten im Rahmen eines baubegleitenden Forschungs- und Entwicklungsvorhabens, das Professor Schreck auch nach seiner Emeritierung weiter leitet. Neben dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Museums-Projekt läuft seit 1991 außerdem ein Forschungsprojekt, das sich mit der "energieökonomischen Erweiterung von Typenschulbauten" in Dresden befaßt.

DREI SONDERBAUTEILE

Arbeitsschwerpunkt am Künstlichen Himmel ist aber nach wie vor die Erweiterung des Museums für Verkehr und Technik, für den auch drei lichttechnische Kostbarkeiten, sogenannte "Sonderbauteile", kreiert wurden. Etwa die Tageslichtleuchte: Mehrere Lichtsammler auf dem Museumsdach, die dem Sonnenstand nachgeführt werden, sammeln Sonnenlicht und speisen sie in Lichtfasern ein. Die Kabel führen das Licht durch Installationsschächte in das Foyer der Museumsabteilung und tragen zu dessen Beleuchtung bei. Oder der Heliostat: eine Anlage mit vielen Spiegeln und Reflektoren, die das Sonnenlicht gezielt auf Ausstellungsstücke im Innenraum lenkt. Und schließlich die Sonneninstallation im Übergangsbereich zwischen Versorgungs- und Ausstellungstrakt, eine Art "Lichtschacht": Hier wird das Sonnenlicht durch mehrere Geschosse hindurch auf Rückwand und Boden des Schachtes gelenkt, so daß der Besucher beim Betreten der Ausstellungsflächen eine Lichtdusche durchquert.


Der Heliostat: Das Schnittmodell zeigt den Strahlenverlauf vom Dachaufbau bis in das Innere des Gebäudes

"Diese drei Maßnahmen sind selbst Ausstellungsstücke", hebt Diplom-Ingenieur Jakobiak hervor, "im Gegensatz zu den anderen Lösungen am Museum steht hier die Gestaltung ganz im Vordergrund, nicht das Energiesparen."

René Schönfeldt


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