Mittelalterliche Tafelmalerei unter der Infrarotlupe

TU-Wissenschaftler untersuchen Bilder von Bamberger und Nürnberger Künstlern aus der Zeit von 1450 bis 1500


Seit Anfang Oktober läuft am Fachbe-
reich 1 Kommunikations- und Ge-
schichtswissenschaften ein Forschungs-
projekt, das sich mit der Tafelmalerei in
Bamberg und Nürnberg um 1450 - 1500
beschäftigt. Das auf fünf Jahre angeleg-
te Projekt ist am Fachgebiet Kunstwis-
senschaft von Professor Robert Suckale
angesiedelt und wird gemischt finan-
ziert: von der Deutschen Forschungs
gemeinschaft sowie durch einen privaten
Sponsor.


"Kreuzabnahme": Ausschnitt aus einem Bild des fränkischen Malers Hans Pleydenwurff (1420-1472)

Schon bevor große Künstlerpersönlichkeiten wie Albrecht Dürer in Erscheinung treten, zeichnet sich die Malerei in der Region von Bamberg und Nürnberg durch folgenreiche Innovationen in der Gestaltung, Maltechnik und Organisation ihrer Produktion aus. Doch geht es in dem neuen Forschungsprojekt nicht nur darum, einen vernachlässigten Bereich neu ins Bewußtsein zu rufen. Im Mittelpunkt steht vor allem ein neuer Forschungsansatz, der technologische, funktionale, thematische und stilistische Gesichtspunkte und Methoden miteinander zu kombinieren versucht.

TECHNIK IM VORDERGRUND

TU-gemäß ist das Konzept, die technische Seite in den Vordergrund zu rücken. Die Werke sollen zunächst genau auf ihren maltechnischen Aufbau, die Spuren des Werkprozesses und ihren Erhaltungszustand hin untersucht werden. Einen Schwerpunkt wird dabei die Dokumentation der Unterzeichnungen mittels Infrarotreflektographie bilden: Sie ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Beantwortung der Frage nach der Organisation der Werkstatt, nach Arbeitsteilung und Vorgehensweise. Auch der Aufbau der Holztafeln und die aus Modeln reproduzierten Verzierungsmuster und Preßbrokate sollen erforscht werden.


Hans Pleydenwurff (1420-1472): Bildnis des Subdiakons Georg Graf von Löwenstein

Ziel ist es, sämtliche der über 200 Werke dieser Malerschule, die in ganz Mittel- und Ostdeutschland tätig war und exportierte, einheitlich zu dokumentieren, um damit einen verläßlichen Überblick über die Meister und Hilfskräfte zu gewinnen. Die Kunsthistoriker - Projektleiter Prof. Robert Suckale und Dr. des. Peter Schmidt - werden daneben die Motivgeschichte, Ikonographie und Programmatik der Werke erforschen, außerdem das Netz internationaler Verflechtungen erhellen. Der Historiker, Dr. Gerhard Weilandt, bemüht sich um die Klärung der Auftragsvergabe, der Funktionen der Bilder und allgemein um die Erforschung der besonderen Lebens- und Arbeitsverhältnisse der fränkischen Künstler. Die technologische Seite betreut der Ltd. Restaurator Eike Oellermann zusammen mit Markus Küffner. Die fotografische Dokumentation besorgt Markus Hilbich, fallweise wird die Hilfe des Holzbiologen Dr. Peter Klein von der Universität Hamburg und des Skulpturenspezialisten Dr. des. Stefan Roller, derzeit Kunsthalle Karlsruhe, in Anspruch genommen.

MISCHFINANZIERUNG

Das auf insgesamt fünf Jahre angelegte Projekt wird in der Hauptmasse von der DFG finanziert. Wegen seines Umfangs war es jedoch notwendig, zusätzlich einen privaten Sponsor zu finden, den die TU-Wissenschaftler in der Dresdner Bank fanden. Ohne deren Hilfe, so die Kunstforscher, wäre das auf neue Weise interdisziplinär angelegte Forschungsvorhaben nicht zu realisieren gewesen.

tui


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