Ein bundesweites Verbundprojekt forscht für die digitale Netz-Bibliothek der Zukunft
Für Weinkenner ist Medoc ein französi-
scher Wein aus der Region Bordeaux. Wis-
senschaftler sollten aber in Zukunft eher
Fachliteratur aus aller Welt mit diesem
Kürzel verbinden. Denn MeDoc
steht für
"Multimediale elektronische Dokumente"
und ist ein Ende September gestartetes,
bundesweites Verbundprojekt zur "Ent-
wicklung und Erprobung offener volltext-
basierter Informationsdienste". Gemein-
sam organisiert vom Fachinformations-
zentrum (FIZ) Karlsruhe,
der Deutschen Ge-
sellschaft für Informatik (GI) und dem
Heidelberger Wissenschaftsverlag Springer
soll MeDoc den Weg zur digitalen Netz-
Bibliothek ebnen. Das Ziel von MeDoc:
Eine schnellere Versorgung der Wissen-
schaft mit Originalliteratur im Volltext.
Literatursuche in Datenbanken ist heute bereits in vielen Disziplinen Alltagsgeschäft. Wer aber in Online-Datenbanken sucht und findet, bekommt als Ergebnis in der Regel nur Literaturhinweise, Zitate und kurze Inhaltszusammenfassungen (Abstracts) heraus. Während diese Online-Datenbank-Recherchen häufig nur wenige Minuten brauchen, dauert die anschließende Beschaffung der Originalschriften aus der Bibliothek mehrere Tage, oft sogar Wochen. Das MeDoc-Projekt will diesen "Medienbruch" nun entschärfen, indem es auch Volltexte im Netz möglich macht.
Online-Datenbanken für Fachliteratur enthalten in der
Regel kaum Texte, sondern nur Verweise. Die Volltexte sind nach
wie vor auf Papier in der Bibliothek zu finden
Dazu sollen in den nächsten zwei Jahren Hard- und Softwareanforderungen, Inhalte, Methoden und Didaktik für eine digitale Netz-Bibliothek erforscht werden. Parallel dazu werden die notwendigen Software-Werkzeuge entwickelt. Sie werden beipielsweise für den Aufbau der Literaturserver sowie die Digitalisierung und Strukturierung von Büchern, Fachzeitschriften und Manuskripten benötigt. Authentizität von Informationen, Schutz des geistigen Eigentums und kritische Prüfung der elektronisch angebotenen Publikationen sind weitere Herausforderungen des MeDoc-Projekts.
HANDFESTER NUTZEN
MeDoc soll aber nicht nur Forschung sein, sondern auch handfesten Nutzen bringen. Projektmanager Dr. Michael Breu von der TU München: "Nach zwei Jahren soll etwas entstehen, das dann langfristig angeboten werden kann. Auch über den Kreis der Pilotanwender hinaus." Dafür widmet sich MeDoc zunächst der Aufbereitung von Büchern und Zeitschriften aus dem Bereich Informatik.
Mit von der Partie sind natürlich auch die deutschen Hochschulen und ihre Informatik-Fakultäten, die MeDoc mitentwickeln, darunter die FU Berlin, die Universitäten in Bonn und Dortmund, die FernUniversität Hagen und die TU München. Als Pilotanwender machen unter anderem die TU Chemnitz-Zwickau und die Universitäten Freiburg, Magdeburg, Rostock und Stuttgart mit. Insgesamt sind zur Zeit zehn Universitäten, vier Fachhochschulen, und zwei Forschungseinrichtungen als Entwickler oder Anwender dabei. Bis Ende 1997 sollen weitere 20 Hochschulen als Pilotanwender zum Forschungsvorhaben hinzustoßen.
Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie fördert die MeDoc-Arbeiten mit unterschiedlicher Kostenbeteiligung zwischen 50 und 80 Prozent. Später sollen sich die multimedialen Literaturserver im Netz wie privatwirtschaftlich betriebene Fachverlage langfristig selbst finanzieren.
René Schönfeldt
Aktuelle Informationen über das MeDoc-Projekt gibt es im World Wide Web: http://medoc.informatik.tu-muenchen.de