15 Thesen für die Universität der Zukunft in Deutschland entwirft Detlef Müller-Böling
"Was uns in Deutschland derzeit fehlt, ist ein einigermaßen einheitliches Bild über die Universitäten, das die Sinn- und daraus abgeleitete Strukturfragen zu beantworten in der Lage ist. Die meisten Verantwortlichen agieren ohne eine derartige Grundvorstellung und erschöpfen sich in Einzelmaßnahmen wie der Verkürzung von Studienzeiten, der Stärkung der Dekane oder der Einrichtung eines Globalhaushaltes ohne eine gesamtheitliche Vision." (Detlef Müller-Böling)
Detlef Müller-Böling
Seit mehr als zwanzig Jahren, so Detlef Müller-Böling, Leiter des Centrums für Hochschulentwicklung in Gütersloh, werde über das kranke deutsche Hochschulwesen debattiert mit immer neuen Rezepten zur Heilung des Patienten. Daß es mit der Heilung nicht vorangehe, liege vor allem an den unterschiedlichen Werten, Zielen und Bildern, die über die Universitäten bestehen. Professoren, Studierende, Politiker, Administratoren, alle hätten unterschiedliche Leitvorstellungen im Kopf, wenn sie von der deutschen Universität sprechen. Und jedes dieser Leitbilder habe unterschiedliche Konsequenzen hinsichtlich der Entscheidungsstrukturen oder der Finanzierungen.
Wie die idealtypischen Modelle für die deutsche Universität zu charakterisieren sind und welches neue Leitbild mit welchen Elementen für die Universität der Zukunft zu entwickeln wäre, trug Müller-Böling in 15 Thesen vor, die wir nachfolgend publizieren. Die Thesen sprechen für sich, wer an den detaillierten Erläuterungen zu den Thesen interessiert ist: Der gesamte Vortrag wird in dem Jahrbuch der Gesellschaft von Freunden der TU Berlin abgedruckt werden.
tz
These 1:
Uns fehlt es an einem einheitlichen Leitbild für die deutsche Universität.
These 2:
Vier idealtypische Modelle für die deutsche Universität sind auszumachen: die Gelehrtenrepublik, die nachgeordnete Behörde, die Gruppenuniversität und das Dienstleistungsunternehmen.
These 3:
Die Misere der deutschen Universität resultiert nicht daraus, daß das eine oder andere dieser Modelle falsch wäre, sondern alle Modelle gleichzeitig Realität und steuerungsleitend sind.
These 4:
Die Universität der Zukunft wird autonom, profiliert, wettbewerblich, wissenschaftlich und wirtschaftlich sein müssen.
These 5:
Es muß wieder zu einem ausgewogenen Verhältnis zwischen individueller und korporativer Autonomie kommen.
These 6:
Die Rolle des Staates bei einer wirklich autonomen Universität ist neu zu definieren.
These 7:
Die Gruppenuniversität ist als Konzept gescheitert. Sie hat die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt.
These 8:
Die Organisation muß sehr flexibel und eher an den Prozessen als an einer Aufbaustruktur orientiert werden.
These 9:
Das Verhältnis von Forschung und Lehre ist neu zu definieren.
These 10:
Während in der Forschung und um qualifiziertes Personal ein Wettbewerb zwischen den Universitäten herrscht, ist in der Lehre jeder Wettbewerb ausgeschlossen.
These 11:
Ohne einen Wettbewerb um die Abiturienten wird es keinen leistungssteigernden Wettbewerb in der Lehre geben. Universitäten müssen ebenso wie die Studierenden eine Wahlmöglichkeit haben.
These 12:
Beim Bild der profilierten Universität heißt es Abschied nehmen von der Fiktion der Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit in der Qualität der Universitäten. Das bedeutet Unterschiede in Hinsicht auf horizontale und vertikale Qualität.
These 13:
Die neue deutsche Universität muß wie bisher eine (überwiegend) staatlich finanzierte Universität sein. Das schließt andere Trägerschaften nicht aus.
These 14:
Zur bisherigen reinen Input-Betrachtung muß eine Output-Betrachtung treten. Das erfordert ein neues Bewußtsein zur Zweck-Mittel-Relation.
These 15:
Die deutsche Universität ist unterfinanziert. Diese Unterfinanzierung durch Effizienzgewinne mit besserer Organisation und Führung auffangen zu wollen ist illusionär. Neue Finanzquellen müssen erschlossen werden.