Was halten TU-Angehörige von Plakaten und Prospekten an ihrer Hochschule? - "Okay, wenn es die Arbeit nicht stört"
Wer hat das Gesicht '95? Diese Frage
prangte die vergangenen Wochen gut
sichtbar am Gerüst des Telefunkenhoch-
hauses. Wir wollten in unserer November-
Umfrage unter Mitgliedern der Techni-
schen Universität nicht die gleiche Frage
stellen, ließen uns aber von dem Riesen-
plakat inspirieren. Wir wollten wissen,
was TUler davon halten, wenn sich ihre
Hochschule als Werbeträger engagiert.
Können Plakate oder von Firmen gespon-
serte Vorlesungen vielleicht neue, sinn-
volle Einnahmequellen angesichts der lee-
ren Kassen sein? Oder sollte sich die
Hochschule lieber von jeglichem Werbe-
rummel fernhalten? Gibt es in Anbetracht
der tausend Prospekte und Werbezettel -
die der Universität übrigens überhaupt
kein Geld einbringen - vielleicht schon zu-
viel Werbung an der Uni?
Holger Döring, Geodäsie, 3. Semester
Eine Werbung wie die am Telefunkenhochhaus finde ich in Ordnung. Das stört ja keinen. Was mir nicht so gefällt ist die Werbung, die in den Gebäuden herumliegt. Das ist ja unheimlich viel Müll. Und diese Werbung bringt der Uni ja gar kein Geld ein. Werbung in der Vorlesung? Das wäre mir zuviel. Da gehe ich ja wegen des Stoffs hin, und nicht um mittendrin eine Werbepause anzuschauen.
Kurt Kutzler, Professor am Fachbereich 3 Mathematik
In begrenztem Maße sollte man Werbung durchaus nutzen, um die Kassen aufzufüllen. Aber nur in den Fällen, wo die Werbung ethischen Grundprinzipien der Technischen Universität nicht widerspricht. Außerdem muß das Geld der Technischen Universität auch wieder zugute kommen. Ich bin der Meinung, daß eine Werbung in einem Hörsaal oder in den Gängen der Universität nichts zu suchen hat. Es gibt sicherlich große Flächen, wo es niemanden stört. Dort könnte man es dann machen. Werbung also nur in sehr beschränktem Ausmaße, wo es die Konzentration auf die eigentliche Arbeit in der Universität nicht stört.
Klaus Rebensburg, Leiter der Prozeßrechnerverbund-Zentrale
Die Werbung sollte auf jeden Fall einen Bezug zur akademischen Tätigkeit haben. Das können von mir aus auch Studentenreisen sein. Werbung für Schweinshaxen oder andere Dinge, die mit der Universität nichts zu tun haben, finde ich nicht gut. Erkennbare Vorteile für den akademischen Bereich sollten dabei herausspringen. Wenn ich es bespielsweise schaffe mit einer Computerfirma eine Vorlesung multimedial auf die Beine zu stellen, dann bin ich gerne bereit, dafür zu werben und zu zeigen, daß da jemand der Hochschule etwas Gutes getan hat. Sponsoring dieser Art begrüße ich ausdrücklich.
Dagmar Gramatzki, Energie- und Verfahrenstechnik, 8. Semester
Ich mag Werbung generell nicht. Auch an der Uni nicht, und auch nicht, wenn es Geld in die Kasse bringt. Von der Uni hatte ich mir eigentlich erhofft, daß das ein Ort ist, an dem so etwas ausgespart wird und wo man nicht so sehr mit Werbung konfrontiert wird. An die Postkarten-Werbung, die an der Uni herumliegt hat man sich gewöhnt. Aber Werbung wie am Telefunkenhochhaus ist doch auffälliger und provokativer als kleine Postkarten. Die finde ich überhaupt nicht gut.
Klaus Schneider, Zentraleinrichtung Hochschulsport
Ich finde es sinnvoll, mit Werbung Geldquellen für die Universität zu erschliessen. Es sollte aber eine Kommission darüber wachen, für was geworben werden darf. Werbung für Parteien, für Alkohol oder Zigaretten beispielsweise würde ich ablehnen. Allerdings sollte die Werbung nicht überall sein. An Gebäuden wie am Telefunkengebäude finde ich das in Ordnung. Innerhalb der Hörsäle, Gänge und Räume sollte das allerdings nicht sein. Bei uns in der Zentraleinrichtung Hochschulsport entfernen wir regelmäßig Material von Sportreiseveranstaltern, die ihre Werbung in unseren Räumlichkeiten anbringen.
Annette Rauterberg-Wulff, WiMi am Institut für Technischen
Umweltschutz
Das kommt darauf an, in welcher Form die Werbung präsentiert wird. Wenn man die Hörsäle und Bibliotheken damit vollpflastert, ist das sicherlich störend. Plakate in Fluren würden mich nicht stören. Außerdem hängt an der Uni ja sowieso schon alles mögliche herum. Bloß bekommt die Universität dafür bisher kein Geld herein. Wenn sich die Werbung also in Grenzen hält und man nicht überall damit konfrontiert wird - warum nicht. Wenn es ein paar Mark für die Universität hereinbringt.
Eberhard Kuhlmann, Professor für Marketing am Fachbereich
14 Wirtschaft und Management
Außenwerbung an Universitätsgebäuden unterscheidet sich nicht von Werbung an anderen x-beliebigen Gebäuden. Das gehört schon zum alltäglichen Wahrnehmungsfeld und ist kein Problem. Innerhalb der Gebäude finden wir ja schon massenweise und wildgeklebt Werbung an Anschlagtafeln. Hier könnte die Universität den Firmen spezielle Flächen zur Verfügung stellen. Das würde keinen krassen Bruch mit dem, was eh schon da ist, bedeuten. Und die Universität könnte die Werbefläche genau bestimmen und dafür Geld verlangen. Das würde dann auch diejenigen betreffen, die jetzt wild kleben und sich dafür einen kostenlosen Nutzen verschaffen.
Die normalen Pflichtveranstaltungen, also Vorlesungen, Übungen, Seminare, sollten auf jeden Fall davon freibleiben, denn ich halte nichts von einer Vermischung zwischen wissenschaftlichen Aussagen und sicher völlig legitimen Aussagen zur Werbung. Bei Veranstaltungen zu speziellen Themen, die nicht in der normalen Lehre sind und von Sponsoren bezahlt werden, haben wir heute bereits eine Sponsorennennung in Programmen und ähnlichem. Das könnte man noch mit Dias oder zusätzlichen Plakaten oder Handouts verstärken. Voraussetzung ist, daß es keine normalen Lehrveranstaltungen sind.
Oliver Lohfart, Wirtschaftsingenieurwesen, 7. Semester
Werbung als Einnahmequelle für die Universität finde ich in Ordnung. Die Werbung am TEL-Gebäude zum Beispiel ist OK. In Vorlesungen und Seminare gehört so etwas allerdings nicht hinein. Das würde den Lehrbetrieb stören.
Markus Becker, Bauingenieurwesen, 5. Semester
Bei der desaströsen Finanzlage würde ich Werbeeinnahmen begrüßen. Es würde mich allerdings nerven, wenn die Professoren auf einmal dicke Werbe-Buttons tragen würden, wie Marathonläufer oder Tennisspieler. Nicht stören würde mich Werbung wie am TEL-Gebäude. Die finde ich eigentlich gar nicht schlecht.