Gemeinsame Verkehrstagung von VDI und TU Berlin zur Schadstoffbelastung in Städten
Die Bilder in den Großstädten ähneln sich:
Die Staus werden immer dichter und die
Luft immer dicker. Trotz Katalysator und
Sparmotor drohen die Metropolen im
Smog zu ersticken. Wie kann man die Luft
zum Atmen retten? Und wie erhält man
gleichzeitig die Mobilität der Stadtbe-
wohner? Eine verbesserte Fahrzeugtech-
nik alleine kann nicht die Lösung sein -
das wurde im September auf der Tagung
"Emissionen des Straßenverkehrs - Im-
missionen in Ballungsgebieten" deutlich,
die gemeinsam vom Verband Deutscher
Ingenieure (VDI) und der TU Berlin veran-
staltet wurde.
Daß rein technische Verbesserungen nur ein Teil der Lösung sein können, spiegelte sich zum einen in der Themenliste der Berliner Veranstaltung wieder: Dort fanden sich neben Immissionsentwicklung, Motortechnik und Simulationsmodelle auch Verkehrsplanung und Umweltpolitische Strategien. Zum anderen zeigte es sich in der Zusammensetzung der rund 180 Teilnehmer: Sie kamen aus Politik, Verwaltung, Hochschule und Industrie.
Die Automobilhersteller setzen weiter auf Verbesserungen der Fahrzeugtechnik, beispielsweise bei den Katalysatoren. Sie rechnen damit, daß Neufahrzeuge nach der Euro-II-Norm, die zum 1. Januar 1996 eingeführt wird, im Vergleich zu jetzigen Fahrzeugen nur noch halb so viele Emissionen haben werden. Unter anderem konzentrieren sich die Hersteller auf Heizmaßnahmen am Katalysator während der Kaltstartphase: Während Katalysatoren bei Betriebstemperatur Wirkungsgrade von 97 bis 98 Prozent erreichten, entstehen in den ersten fünf bis sechs Minuten nach dem Anlassen immerhin rund 80 Prozent der Emissionen.
Weitere Verbesserungen sahen die Techniker in einer verbesserten Kraftstoffzusammensetzung. So wurde daraufhingewiesen, daß der Schwefelgehalt in Dieselkraftstoffen im kommenden Herbst von 0,2 auf 0,05 Volumenprozent verringert werden soll. Ebenfalls im Herbst solle eine Kraftstoffsorte mit weniger als einem Volumenprozent Benzolgehalt eingeführt werden. Zum Vergleich: der durchschnittlichen Benzolgehalt auf dem deutschen Markt liegt derzeit bei zwei Volumenprozent.
Ob allein die Summe der technischen Verbesserungen an Fahrzeugen und Kraftstoffen die Gesamtsumme der Emissionen im Straßenverkehr senken kann, wurde auf der Konferenz jedoch bezweifelt. Unter anderem von Dr. Manfred Breitenkamp, Leiter des Referats Luftreinhaltung in der Berliner Senatsverwaltung. Seinen Beobachtungen zufolge hat das Verkehrswachstum die Erfolge am Einzelfahrzeug bisher kompensiert: "Trotz Einführung der Katalysatortechnik vor zehn Jahren haben sich bei den Emissionen keine Entlastungen ergeben."
Wie müssen aber die Maßnahmen aussehen, mit denen die Luft verbessert wird und die Mobilität erhalten bleibt? Vielfältige Möglichkeiten nannte Prof. Dr. Hermann Appel, Leiter des Fachgebiets Kraftfahrzeuge im Institut für Straßen- und Schienenverkehr der TU Berlin und wissenschaftlicher Leiter der Tagung: "Die Hoffnung auf einfache und rasch wirkende Lösungen ist unrealistisch. Nur langfristig angelegtes und integriertes Handeln auf den Feldern Raumplanung, Verkehrspolitik und Verkehrstechnik kann erfolgreich sein."
Das beginne, so Appel, bei einer dezentralen Stadtstruktur zur Verkehrsvermeidung. Es gehe weiter mit modernem Verkehrssystem-Management, das öffentlichen und indivuduellen Verkehr miteinander verknüpft, bis hin zu einer Preispolitik für Parkraum oder Straßennutzung. Dazu gehören außerdem spezielle Stadtfahrzeuge, die auf die neuen Verkehrskonzepte abgestimmt sind, sowie das individuelle Verhalten in Beruf und Freizeit, z.B. beim Car-sharing oder der Nutzung der Telekommunikation.
Eine ähnliche Sichtweise vertrat Prof. Dr. Heinrich Mäding, Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin. Neben der Fahrzeugtechnik gehe es um die "drei V": Verkehr vermeiden, d.h. Entfernungswachstum vermeiden; Verkehrs verlagern auf verträglichere Verkehrsmittel und schließlich den verbleibenden Verkehr verträglicher machen.
Größte Bedeutung käme hier dem ersten "V", dem Vermeiden, zu, so Mäding. Kurzfristige Erfolge seien hier allerdings nicht zu erwarten, da es hier um die Entwicklung von Siedlungsstrukturen, um Raumplanung und um Stadtplanung gehe. Kurzfristig müsse der Verkehrsfluß auf niedrigem Geschwindigkeitsniveau geregelt werden, mittelfristig sei die teilweise Verlagerung des Individualverkehrs auf umweltverträglichere Verkehrsmittel wichtig. Langfristig sei schließlich eine Strategie der Siedlungskonzentration an Bahn- und Bus-Stationen nach dem Leitbild der kompakten Stadt notwendig.
René Schönfeldt
/rs/ Für den besten Vortrag eines jugendlichen Vortragenden auf der Tagung "Emissionen des Straßenverkehrs - Immissionen in Ballungsgebieten" wurde die TU-Studentin Annette Rauterberg-Wulff ausgezeichent. Die Studentin aus dem Institut für Technischen Umweltschutz erhielt für ihren Vortrag zur "Bestimmung des Beitrags von Reifenabrieb zur Rußemission an stark befahrenen Straßen" außerdem eine Prämie von 1000 DM.