TU-Studenten belegten 2. Platz in internationalem Flugroboter-Wettbewerb
Einen fliegenden Roboter stellt man sich
gemeinhin als eine Mischung aus Science-
Fiction-Requisite und androider Kampf-
maschine vor. Der Flieger, den Studieren-
de am Fachbereich Informatik entwickelt
haben, ist jedoch von gemütlicher Statur:
Er ist groß, rund und mißt zweieinhalb
Meter im Durchmesser. Er ist ein Ballon.
Sein Name: TUBROB. Rund zwölf Kubik-
meter Helium füllen seinen großen, blau-
en Bauch, und an seiner Unterseite führt
er einige Kilogramm Motoren und Elek-
tronik mit sich. Mit dieser Ausrüstung
war TUBROB im Sommer der erste deut-
sche Teilnehmer auf der International Aer-
ial Robotic Competition in Atlanta, USA -
und landete auf dem zweiten Platz.
Seit 1991 findet die Aerial Robotic Competition jährlich in Atlanta statt. Ein Wettbewerb, der von Fachleuten jedes Jahr aufs Neue mit großem Interesse verfolgt wird, denn in den vergangenen vier Jahren ist es noch keinem der Teilnehmer gelungen, die eigentliche Aufgabe des Wettbewerbs zu erfüllen.
Auf den ersten Blick erscheint sie kinderleicht: Ein Sportplatz von 20 mal 40 Meter Größe ist in der Mitte durch eine ein Meter hohe Mauer wie ein Tenniscourt in zwei Felder aufgeteilt. Auf einem der Felder ist ein schwarzer Kreis von knapp zwei Metern Durchmesser aufgebracht, in dem sechs orangefarbene Scheiben verstreut liegen. Die Aufgabe lautet, die handtellergroßen Scheiben aufzunehmen, über die Mauer zu transportieren und dann in einem zweiten Ring abzulegen, der auf dem Boden des anderen Feldes liegt.
Der Wettbewerb, den die Association for Unmanned Vehicle Systems für Universitätsmanschaften aus aller Welt ausrichtet, spricht aber keine Menschen, sondern Fluggeräte an. Und zwar solche, die unbemannt sind und ohne Fernlenkung den Auftrag selbständig ausführen. Das heißt, vom Start bis zur Landung wird die Kontrolle Computern überlassen - niemand sonst darf den Flug beeinflussen. Eine knifflige Aufgabe, an der bisher alle Teilnehmer gescheitert sind.
PROJEKT- UND FREIZEITARBEIT
Diese Herausforderung reizte auch einige Studenten an der TU Berlin. Sie gewannen Professor Günter Hommel vom Institut für Technische Informatik für ihre Idee und begannen im Rahmen seiner Veranstaltung "Robotik-Projekt", ihre Idee umsetzen. Dort arbeiteten sie in Kleingruppen an der Flugtechnik und Steuerung, an der Ortung und der Positionsbestimmung, entwickelten den Greifmechanismus und die Steuerung des Gesamtablaufs. Während und auch nach Ablauf der Lehrveranstaltung steckten die Studierenden reichlich Freizeit in das arbeitsaufwendige Projekt, bis sie im Sommer mit TUBROB im Fluggepäck nach Atlanta aufbrechen konnten.
Dort waren sie das erste deutsche Team, das an dem Wettbewerb der fliegenden Roboter teilnahm: David Hanisch, Olaf Kubitz, Marek Musial, Martin Schlicker und Roland Stenzel, sowie die wissenschaftlichen Mitarbeiter Wolfgang Brandenburg und Marion Finke, die das Projekt betreuten. Sie mußten gegen zehn Konkurrenz-Manschaften antreten, die mit Hubschraubern, fliegenden Zylindern oder ebenfalls mit einem Ballon angetreten waren.
Und TUBROB flog den meisten Teilnehmern davon. Dafür sorgten die sechs Elektromotoren, die unterhalb des zweieinhalb Meter Ballondurchmessers auf einem Rahmen angebracht sind. Zwei sind für den Vortrieb zuständig und bringen TUBROB auf eine Höchstgeschwindigkeit von zwei Metern pro Sekunde - machen ihn damit ungefähr so schnell wie einen Fußgänger. Zwei weitere Motoren sind mit ihren Propellern für den Auftrieb zuständig, die Motoren fünf und sechs, die quer zur Flugrichtung aufgehängt sind, erzeugen Schub, mit dem sich TUBROB den flugtechnisch problematischen Seitenwinden entgegenstemmen kann.
Aber damit nicht genug. Denn der Knackpunkt des Wettbewerbs ist, daß die Fluggeräte autonom - das heißt alleine, ohne menschliche Eingriffe - fliegen sollen.
TUBROB "WEISS", WO ER IST
TUBROB mußte also erkennen können, über welcher Stelle des Footballfeldes er sich befand und wo die Scheiben zu finden waren. Dafür hatten ihm seine Konstrukteure einige Hilfsmittel mit auf die Reise gegeben: Ein elektronischer Kompaß zeigt beispielsweise seine Flugrichtung an. Zur Höhenmessung dient ein Ultraschallsender/-empfänger-Paar. Es strahlt ein Signal direkt auf den Boden und ermittelt aus der Zeit, die das Echo zurück braucht, die genaue Höhe von TUBROB.
Für die Ortsbestimmung sind zwölf weitere Sender zuständig, die ebenfalls Ultraschallsignale produzieren. Sie werden rundherum gesendet und wurden in Atlanta von acht synchron geschalteten Empfangsstationen aufgefangen, die die TU-Studenten am Rande des Footballfeldes aufgestellt hatten. Sie übermitteln ihre Informationen an eine "Bodenstation", an der ein PC und ein Kleinstrechner die Positionsdaten auswerten und per Funk an TUBROB melden. Dort werden sie von zwei weiteren, baugleichen Kleinstrechnern aufgefangen. Diese knapp hundert Gramm schweren Kästen, die die TU-Studenten selbst entwickelt und gefertigt hatten, steuern dann die Motorenleistung. Außerdem sind sie auch Teil des TUBROB-Positionssystems.
Mit diesem Orientierungsmechanismus, den die TU-Studenten "Global Balloon Positioning System" tauften, kann die Position des blauen Ballons zentimetergenau berechnet werden.
ANFLUG, GREIFEN, ABFLUG
So folgt TUBROB seinem Programm und fliegt nach dem Start am Spielfeldrand zunächst mit konstanter Höhe in Richtung Aufnahmekreis, kontrolliert seine Höhe und Position mittels Ultraschall und vergleicht sie mit seinem Sollkurs. Kurz vor dem Aufnahmegebiet vermindert TUBROB seine Flughöhe. Sobald er die Kreisgrenze überflogen hat, wird er soweit abgesenkt, daß sein "Greifer" am Boden aufkommt. Der Greifer, der aus einer Drahtschleife besteht, wird über den Boden gezogen, bis eine Scheibe hineingleitet. Wenn die Scheibe gefaßt wird, kommt sie an einen Schalter und zeigt an, daß der Greifversuch geglückt ist. Das heißt für TUBROB aufsteigen, Kurs nehmen über die Mauer und mit dem gleichen Verfahren rückwärts die Scheibe ablegen.
Leider kam TUBROB an diesem Sommermorgen in Atlanta nicht so weit voran in seinem Programm. Der auffrischende Wind kam ihm in die Quere und bereitete ihm arge Schwierigkeiten mit der Navigation. So gelang im Freien nicht, was viele Male in der Halle oder bei Windstille bereits funktioniert hatte: TUBROB konnte keine Scheibe greifen.
Trotzdem kam er in der Punktewertung des praktischen Wettbewerbsteils auf einen zweiten Platz hinter dem Team der Stanford University. TUBROB glänzte mit seiner Fähigkeit, autonom zu starten und zu landen sowie mindestens 30 Sekunden autonom zu fliegen, ohne die Grenzen des Wettkampffeldes zu überfliegen. Eine durchaus nicht selbstverständliche Leistung: Einige der neun Mitbewerber bekamen ihre Hubschrauber erst gar nicht in die Luft, ein anderes Team konnte nicht starten, weil ihr Funkkanal in Atlanta belegt war.
Weitere Pluspunkte heimsten die TUBROB-Entwickler im theoretischen Teil ein. Hier ließen sich die Juroren durch die äußere Erscheinung von TUBROB überzeugen sowie durch die gute Erfüllung der Sicherheitsanforderungen und den Ideenreichtum beim Entwuf.
SCHLIESSLICH: DER ZWEITE PLATZ
So landete das TU-Team auch in der Gesamtwertung auf dem zweiten Platz, gefolgt von der University of Texas at Arlington mit ihrem senkrecht fliegenden Zylinder, der von zwei gegenläufigen Rotoren angetrieben wird.
Gewinner wurde das Team von der Stanford University. Mit ihrem Modellhubschrauber hatten sie es zum ersten Mal in der Geschichte des Wettbewerbs geschafft, eine der Scheiben aufzunehmen. Da sie allerdings einen Dauermagneten als Greifer einsetzten, konnten sie die aufgenommene Scheibe gar nicht mehr absetzen, wie es für die vollständige Aufgabenlösung erforderlich gewesen wäre.
COMEBACK IM NÄCHSTEN JAHR MÖGLICH
Damit ist ein Comeback für TUBROB schon bald möglich. Denn die Aufgabe ist nun immer noch nicht gelöst, und bereits für das nächste Jahr wird der Wettbewerb erneut ausgeschrieben. Zum sechsten Mal nach 1991 - in der Hoffnung, daß dann endlich ein fliegender Roboter den Scheibentransport vollständig bewältigt.
René Schönfeldt