Bescheidener Beginn

Die Gründung der TU Berlin im Spiegel der Medien


Alles in allem bescheiden ging es zu, als
die Technische Universität Berlin-Charlot-
tenburg in den Jahren '45/'46 wiederauf-
gebaut wurde: bescheiden war die Aus-
stattung der zukünftigen Universität, be-
scheiden war die Eröffnungsfeier am 9.
April 1949, und bescheiden war auch die
Berichterstattung in der Presse.

Daß die Ausstattung der Hochschule ein Jahr nach Kriegsende schlecht war, das kann man sich heute noch gut vorstellen. Die Gebäude der ehemaligen Technischen Hochschule hatten durch den Krieg schwere Schäden erlitten, das Hauptgebäude war schon 1943 vollständig ausgebrannt. "Die von den Kriegsereignissen verschont gebliebenen Reste der Berliner Technischen Hochschule, die für die Neueinrichtung noch brauchbar sind, werden zur Zeit zusammengetragen, um allmählich wieder eine Schulungs- und Forschungsstätte für die technischen Wissenschaften zu errichten. Zu diesem Zweck sollen frühere militärische Gebäude in der Jebenstraße und der Hardenbergstraße wieder ausgebaut werden, da die Gebäude in der Charlottenburger Chaussee völlig zerstört sind." schrieb die Neue Zeitung (NZ) in einer Meldung am 23. August 1945.

Am Aufbau der zerstörten Gebäude beteiligten sich auch die Studenten. Und nur wer mindestens 100 Stunden Aufbauarbeit geleistet hatte, durfte sich zum Sommersemester 1946 einschreiben - das teilte die Studentische Arbeitsgemeinschaft der Technischen Universität Berlin-Charlottenburg in kleinen Meldungen in verschiedenen Zeitungen mit.

"HELFT DEN STUDENTEN"

In den ersten Monaten des neuen Jahres 1946 wandte sich der Studentenausschuß der Technischen Hochschule erneut über die Tageszeitungen an die Berliner Bevölkerung. Unter der Überschrift "Helft den Studenten" beschrieben sie, was der Hochschule alles fehlte. Benötigt wurden vor allem technische Fach- und Lehrbücher sowie Reißbretter, Rechenschieber und ähnliche Lehr- und Lernmittel zum "Friedenspreis", aber auch möblierte Zimmer und Kleidung.

Gleich mehrere Meldungen widmeten sich zu Beginn des Jahres '46 der Frage: "Wer darf studieren?" Hintergrund: Eine Prüfungskommision für die Zulassung zum Studium nahm an der Technischen Universität ihre Arbeit auf. Sie bestand darin, "durch ihre Auswahl einem Absinken des wissenschaftlichen Niveaus entgegenzuwirken, vielmehr für eine Hebung zu sorgen, vor allem aber eine fortschrittliche Zusammensetzung der Studentenschaft zu gewährleisten" (BZ vom 19. 2. 1946).

Alles in allem jedoch fanden sich in der Vorbereitungszeit nur kurze Meldungen über den Wiederaufbau der Hochschule in der Presse - die meisten Menschen hatten andere Sorgen.

[Studierende geben ihre Stimme ab]
Ein Ereignis, das den meisten Zeitungen eine Meldung oder einen Bericht wert war: die Wahl des TU-Studentenparlaments am 11. Dezember 1946. Denn die TU Berlin war die erste Hochschule, die ein eigenes Parlament wählte. "In einer Sonderbeilage der Hochschulzeitung 'Die T.U.' werden eine Bekanntmachung des Rektors über diese Wahl, der Wahlaufruf der Studentischen Arbeitsgemeinschaft und die Wahlordnung veröffentlicht", berichtet die BZ am 4. Dezember. Einen längeren Artikel widmete der Tagesspiegel am 3. Dezember demselben Thema. Die Studenten stünden häufig im Blickfeld eines allgemeinen Interesses, beobachtet der Autor, "denn man glaubt, aus ihrem Verhalten, wie bei einem empfindlichen Barometer den Luftdruck, die verborgenen Strömungen des Zeitgeschehens, Spannung und Stimmung der Jugend ablesen zu können". (Foto: Grunow)

Umfangreicher wurden die Presseberichte erst im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten am 9. April 1946. Dieses Ereignis war den meisten Berliner Tageszeitungen einen längeren Artikel wert: Am 26. März 1946 kündigte Der Morgen - wie andere Zeitungen auch - die Eröffnung der Technischen Universität mit dem Titel "Neuer Name als neue Verpflichtung" an. Die geplante Umbenennung der "alten" Technischen Hochschule kommentierte der Prorektor Heinrich Franck im Telegraf zwei Tage vor der Eröffnung mit folgenden Worten: "Wir geben ihr einen neuen Namen, der ein Programm bekundet, aber bauen können wir sie nur mit den alten Steinen, die wir allenfalls putzen können, und so wie wir dort das Neue mit dem Gereinigten und vorläufig Brauchbaren verbinden, so haben wir es auch im Lehrkörper getan".

Mit einer, wie die BZ feststellte, "schlichten und kurzen Feier" wurde die Technische Universität Berlin-Charlottenburg dann am 9. April eröffnet. Ein Blick in die offizielle Einladung bestätigt den einfachen Charakter der Feierlichkeiten. Auch der britische Militärkommandant von Berlin, Generalmajor Nares, nahm in seiner Eröffnungsrede Bezug darauf: "Wir brauchen keine großartigen Feierlichkeiten und tönenden Redensarten; vielmehr brauchen wir ernste und bescheidene Arbeit und den Geist der schlichten Hingabe an die Arbeit des Wiederaufbaus dieser Hochschule nach richtigen Grundsätzen".

"EIN HORT ECHTER ERZIEHUNG"

Die Rede des britischen Militärkommandanten stand auch im Mittelpunkt der Berichterstattungen der Berliner Zeitungen. Der Berliner vom 10. 4. 1946 zitierte vor allem die Passagen, in denen auf die Verantwortung der Universität für die Erziehung des ganzen Menschen hingewiesen wird: "Diese Schule soll ein Hort echter Erziehung sein und nicht nur eine Quelle technischen Wissens". Die Antwort des Rektors der TU Berlin, Prof. Walter Kucharski, faßte die Berliner Zeitung mit dem Gleichnis vom alten Gepäck, das nicht mitgeschleppt werden dürfte zusammen. Walter Kucharski sah in der Eröffnung der Technischen Universität einerseits die Möglichkeit eines sichtbaren Bruchs mit der Vergangenheit, andererseits die inhaltliche Neubestimmung des technischen und naturwissenschaftlichen Studiums, gerichtet auf die universitas humanitatis.

Der Oberbürgermeister von Berlin, Prof. Dr. Arthur Werner, der "einen besonders warmherzigen Ton für die Studentenschaft fand", wie die BZ schrieb, beendete die offizielle Feier. Im Telegraf vom 10. April 1946 erfahren wir noch, daß Studenten und Professoren abends "zu einem zwanglosen Beisammensein" in der großen Mensa zusammenkamen, "in der jetzt weißgedeckte Tische eine große Tanzfläche umgaben. Nach Begrüßungsworten des Rektors spielten zwei Kapellen in der Mensa und der angrenzenden Taberna-Bar (siehe auch Chronik Mai '45). Der stimmungsvolle Abend, der Dozenten und Schüler in gemeinsamer Fröhlichkeit verband, bildete zusammen mit der feierlichen Eröfffnung einen guten Auftakt für die gemeinsame Arbeit".

Die Studentenstatistik zählte zu dieser Zeit 1556 Studenten und 124 Hochschullehrer, die im ersten Semester der neugegründeten Universität ihre Arbeit aufnahmen.

WENIG AUSFÜHRLICHE ARTIKEL

Neben Meldungen und kleinen Berichten über den Fortgang des Aufbaus finden sich in der Tagespresse nur wenige wirklich lange Artikel über die Lehrenden und Lernenden. Einen der wenigen ausführlichen Artikel, in dem die TU Berlin vorkommt, findet man im Tagesspiegel vom 20. Dezember 1946: Er setzt sich mit der allgemeinen Hochschulpolitik an den deutschen Hochschulen auseinander und kommt auch auf die TU und ihr neues Studentenparlament zu sprechen. Scharfe Kritik erfährt dabei Walter Kucharski, der Rektor der Universität, dem mangelhaftes demokratisches Verhalten sowohl gegenüber "seinen Professoren" als auch gegenüber den Studenten vorgeworfen wird.

14 Monate nach der Eröffnung beschäftigte sich die Neue Zeitung am 31. 7. 1947 in einem Artikel mit der TU Berlin und "überprüft", wie sich die Universität in der Zwischenzeit entwickelt hat. "Zwar ist die Fakultät der ,Allgemeinen Wissenschaften', die den Namen der T.U. besondere Berechtigung schenken sollte ausgebaut worden", aber "z. B. die Chemiker haben neben ihrer wissenschaftlichen praktischen Arbeit keine Zeit und Kraft mehr, diese außerplanmäßigen Vorlesungen zu hören. Sie werden von der Not gezwungen, sich schon früh zu spezialisieren (...) In der Fakultät für Architektur meint man guten künstlerischen Schwung zu spüren". Zwar sind noch überall die Folgen des Krieges zu sehen und zu spüren, aber "die lichten Flure und Räume des einstigen Kameradschaftshauses sind voll von Leben: Studenten, Heimkehrer, Studentinnen, Professoren, nicht selten Angehörige der Besatzungsmächte ziehen im bunten Wechsel vorüber. Im Juli 1947 waren es täglich 2200 Studenten, davon 224 Studentinnen und 190 Ausländer (meist Angehörige der Balkanstaaten), die zur T.U. wanderten. Fast international".

Sven Kollmorgen, Simone Lehner, Angelika Lorenz, Lisa Romanovskaia


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