Nachgefragt
Der vielbeschworene Berliner Wissenschaftsstandort mußte Federn lassen, als das Haushaltsstrukturgesetz Ende März im Abgeordnetenhaus verabschiedet wurde. Aber nicht nur bei den Hochschulen wurde gehörig gekürzt. Auch das Institut für Angewandte Chemie (ACA) im Technologiezentrum Berlin-Adlershof geriet ins Visier der Sparpolitiker. 1993 wurde es gemeinsam vom Land Berlin und dem Bund gegründet, nun will sich Berlin aus dem eingetragenen Verein zurückziehen.
Einen glatten Ausstieg, wie ursprünglich vorgesehen, konnten die Sparpolitiker nicht durchsetzen. Aber bereits in diesem Jahr wird der Landeszuschuß von 15 auf 13 Millionen DM zurückgefahren. Bis 1998 soll er ganz wegfallen. Unangenehme Nebenwirkung: Die Beteiligung des Bundes entspricht genau der Höhe der Berlin-Beiträge und ist an diese gekoppelt. Jede Kürzung der Berliner Gelder bedeutet daher auch weniger Bonner Mittel. Ob das ACA diese Riesenlücke durch Drittmittel (derzeit vier Millionen Mark jährlich) schließen kann, ist fraglich.
Die rund 230 Beschäftigten sind sauer, im Bonner Forschungsministerium schüttelt man den Kopf über die Berliner Vorstellungen, und an der TU Berlin gibt es ebenfalls Kritik an den Sparplänen. Was das ACA mit der TU Berlin zu tun hat, was die Senatsentscheidung für die Kooperation bedeutet, darüber sprach TU intern mit dem Dekan des Fachbereichs Chemie, Prof. Dr. Gerhard Findenegg.
Nachgefragt ... bei Prof. Dr. Gerhard Findenegg (Foto: Peters)
Wie haben ACA und TU Berlin in der Vergangenheit miteinander zusammengearbeitet?
Schon seit der Gründung des ACA bestehen Forschungskooperationen von mehreren Arbeitskreisen der TU Berlin mit Wissenschaftlern des ACA, speziell auf den Gebieten Polymerwerkstoffe und Funktionsmaterialien. Bei einem gemeinsamen wissenschaftlichen Kolloquium des Fachbereichs Chemie mit dem ACA im Februar 1996 wurde eine noch engere Zusammenarbeit vereinbart. Studierenden der TU Berlin sollte die Möglichkeit gegeben werden, im Rahmen von Kurspraktika modernste Meßmethoden des ACA kennenzulernen. Außerdem verspricht sich der Fachbereich Chemie durch eine verstärkte Nutzung außeruniversitärer Forschungseinrichtungen wie dem ACA, die Auswirkungen der drastischen Haushaltsverkürzungen an der TU Berlin etwas zu mildern.
Wie beurteilen Sie die Entscheidung, die hinsichtlich des ACA im Haushaltsstrukturgesetz getroffen worden ist?
Noch im September 1995 hatte Bundesforschungsminister Rüttgers erklärt, die Dienstleistungen des ACA seien genau das, was die Industrie braucht. Die jetzige Entscheidung, den Zuschuß des Landes für dieses Institut einzustellen, ist ein Fehler und ein schwerer Rückschlag für alle Bemühungen, Berlin als Forschungs- und Technologiestandort zu erhalten und auszubauen.
Welche Konsequenzen hat das für die TU Berlin?
Das ACA unterhält Kontakte nicht nur zur chemischen Industrie, sondern auch zur Bau-, Elektro- und Automobilindustrie. Die fatale Signalwirkung einer Schließung des ACA kann sich negativ auf die Bereitschaft dieser Industriezweige auswirken, in Berlin zu investieren. Hiervon ist langfristig gerade auch die TU Berlin stark betroffen.
Was kann getan werden, um die Existenz des ACA zu retten?
Wir müssen noch stärker als bisher in der Öffentlichkeit klarmachen, daß die Erhaltung des Forschungsstandortes Berlin von existentieller Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Region Berlin-Brandenburg ist.