Studienbarometer - und das Studienklima wird besser?

Befragung von Studierenden in sieben Studiengängen zur Qualität der Lehre - Erster Probelauf abgeschlossen


Die Zeiten haben sich geändert! Früher
war noch der größte Teil des sogenannten
Lehrkörpers davon überzeugt, daß ein
guter Forscher auch in der Regel gute
Lehre anbietet. Aber seit einigen Jahren
richtet sich die Aufmerksamkeit zuneh-
mend auch auf die Ausbildung an den
Hochschulen. Anfangs konzentrierte sich
die Diskussion auf die Rahmenbedingun-
gen, wie Regelstudienzeiten oder Lehr-
verpflichtungen. Mittlerweile sind im
Zusammenhang mit Forderungen nach
Transparenz oder Profilbildung und mit
der zunehmenden Konkurrenz um knap-
per werdende öffentliche Mittel Fragen
nach der Qualität und nach Leistungen
in der Lehre in den Mittelpunkt gerückt.
Die großen Wissenschaftsorganisationen,
wie Hochschulrektorenkonferenz und Wissen-
schaftsrat, haben daher bereits Empfeh-
lungen zur Verbesserung der Lehre durch
Evaluation gegeben.

Eine Möglichkeit, Lehre zu evaluieren, ist die Befragung der Studierenden. Der Präsident der TU Berlin, Prof. Dr. Dieter Schumann, hat jetzt in einem ersten Probelauf zur Erfassung der Lehrsituation in sieben ausgewählten Studiengängen bei der Rückmeldung zum Wintersemester 95/96 einen an der FU Berlin entwickelten Fragebogen, das sogannte Studienbarometer, eingesetzt. Es ging hierbei nicht darum, einzelne Lehrveranstaltungen zu bewerten, sondern einen Eindruck zu erlangen, wie die Studierenden ihre Situation und die Bedingungen in den Studiengängen empfinden. Drei Dimemsionen wurden dabei abgefragt:

Durch den Probelauf sollte getestet werden, ob sich das Verteilungsverfahren eignet und ob sich aus den Antworten unmittelbar eine leistungsbezogene Mittelverteilung ableiten läßt. Der wichtigste Aspekt jedoch war die Frage, inwieweit die Ergebnisse eine Diskussion oder Rücksprache mit den Fachbereichen ermöglicht, aus der dann konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Studienbedingungen entwickelt werden können.

[Studierende in einem TU-Hörsaal] Im Wintersemester 95/96 wurden erstmals TU-Studierende aus sieben Studiengängen probeweise gefragt, wie sie ihre Situation und die Studienbedingungen empfinden. Eine zweite Fragebogenaktion prüft derzeit, ob die Ergebnisse auch auf andere Studiengänge übertragbar sind (Foto: Kundel-Saro)

In der ersten Auswertung der vorliegenden Befragungsergebnisse zeigte sich, daß das Studienklima allgemein gut bewertet wurde. Interessanterweise fiel hier die Beurteilung für diejenigen Studiengängen besser aus, in denen auch der Kontakt zwischen den Studierenden gut eingschätzt wurde. Im Gegensatz dazu spielte die Nähe zu den Lehrenden für das subjektiv empfundene Studienklima eine weniger große Rolle. Die Nähe zu den Lehrenden wurde dort schlecht beurteilt, wo ein Studiengang von mehreren Fachbereichen betreut wird (Wirtschaftsingenieurwesen). Bei der Bewertung der curricularen Dimension wurde insbesondere in den Studiengängen, deren Ausbildungsverlauf zu großen Teilen durch Pflichtveranstaltungen bestimmt ist (Elektrotechnik, Chemie), das Angebot als vollständig und übersichtlich empfunden. Praxisnähe wurde weitgehend vermißt. Die Antworten zu den Rahmenbedingungen spiegelten erfreulicherweise die aufgrund der jeweiligen Situation zu erwartenden Angaben wieder.

ENGAGIERTE DISKUSSION

Der Präsident hatte zur Diskussion der Ergebnisse dieser ersten Runde Vertreter der Fachbereiche (Dekan, Ausbildungskommission, Studienbüro) für Ende Februar eingeladen. Zwar war jeder Fachbereich - bis auf den Fachbereich Architektur - mit mindestens einem Mitglied präsent. Aber eine engagierte Diskussion, insbesondere über die Frage, wie aus diesen Ergebnissen erste Ansätze für eine Verbesserung von konkreten Rahmenbedingungen in der Lehre abgeleitet werden können, wollte nicht so recht aufkommen. Ausnahme war ein anwesender Studienbüromitarbeiter. Dieser hatte aus den Antworten für seinen Studiengang (Energie- und Verfahrenstechnik) ein Informationsdefizit der Studierenden interpretiert und Ideen dargelegt, diesem abzuhelfen. In einem weiteren Studiengang (Biologie) hat die Befragung dazu geführt, daß Studierende und ein Hochschullehrer über die Ergebnisse diskutierten. Weil sie das Ergebnis und insbesondere das Verteilungsverfahren nicht akzeptierten, führten sie mit den gleichen Fragen eine erneute Untersuchung durch. Die Antworten, die sie erhielten, indem sie die Fragebögen in Lehrveranstaltungen verteilten, fielen erwartungsgemäß zum Teil deutlich besser aus.

ZURÜCKHALTENDE SENSIBILITÄT

Mit einem zweiten Probelauf der derzeit mit der Rückmeldung zum Sommersemester 1996 läuft, soll noch einmal nachgeprüft werden, ob sich die bisherigen Ergebnisse auch auf andere Studiengänge übertragen lassen. Bisher hat sich gezeigt, daß sich das Verteilungsverfaren bewährt hat aber daß eine unmittelbare Umrechnung in eine leistungsbezogene Verteilung von Mitteln nicht möglich ist. Leider hat sich auch herausgestellt, daß bisher zumindest die Sensibilität für das Thema Qualität der Lehre noch etwas zurückhaltend ausgeprägt ist. Diskussionen in den Fachbereichen hierüber, wie sie z. B. im oben erwähnten Fall geführt wurden, gibt es zur Zeit leider eher selten. Da aber auf Landes- und auf Bundesebene Aktivitäten in diese Richtung vorbereitet werden, wird diese Zurückhaltung hoffentlich bald weichen. Denn gerade bei den immer knapperen Mitteln müssen die Hochschulen die Herausforderung der Relegitimierung ihrer gesellschaftlichen Existenz annehmen!

Till Heyer-Stuffer, 3. Vizepräsident der TU Berlin


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