Jahrtausendwende im Computer

Wie kommt die Software an der TU Berlin mit dem Jahr 2000 zurecht?

Beim Gedanken an das Jahr 2000 bekommen einige Computernutzer bereits jetzt kalte Füße

Einige Computerspezialisten sehen die Welt zu Beginn des nächsten Jahrtausends am Rande des Abgrunds. Denn zum Neujahrstag 2000 wird es im Innern von zahlreichen Computern rundgehen. Die Jahreszahlen in zahlreichen Programmen werden nämlich nur mit zwei Stellen statt mit vier gezählt. Bis zum Jahr 1999 ist das meistens kein Problem, aber ab der Jahreszahl 2000 kann so manche Rechnung Unsinn produzieren und ernsthaften Schaden anrichten.

Das Problem, das auch schon das "Problem 2000" genannt wird, bewegt die Informatik-Verantwortlichen in Versicherungsunternehmen, Banken und Behörden gleichermaßen. Rentenberechnungen, die über die Zeitenwende reichen, können fehlerhaft werden; Wertpapiere mit Laufzeiten von mehr als fünf Jahren machen in einigen Bank-Programmen bereits jetzt Schwierigkeiten.

Wie schwerwiegend das Problem ist, wird durchaus unterschiedlich gesehen. Der kanadische Unternehmensberater Peter de Jager, der bereits als Sachverständiger vor einem Ausschuß des US-Kongresses dazu Stellung nahm, sieht eine Art digitaler Katastrophe auf uns zukommen. Andere tun die Rufe als Panikmache ab: Die notwendige Umstellung in den Programmen sei vergleichbar mit dem Umstieg von vierstelligen Postleitzahlen auf fünf Stellen.

Tatsache ist, daß bereits einige Unternehmen spezielle Arbeitsgruppen für das Jahrtausendphänomen aufgestellt haben. Sie durchsuchen Anwendungsprogramme, Datenbanken und Betriebssyteme nach dem zu kurz geratenen Jahrhundert und versuchen, das Problem in den Griff zu bekommen. Nach Angaben des Wirtschaftsmagazins "Capital" hat VW bereits den Großteil seiner Programme umgestellt; Kostenpunkt: 119 Millionen DM. Siemens und Daimler sollen laut "Capital" 158 bzw. knapp 300 Millionen DM dafür aufbringen.

Siegfried Bürk, Leiter des Rechnerbetriebs am Fachbereich 13 Informatik, erwartet für seinen Bereich keine großen Änderungen. Der Großteil des Informatik-Rechnerbetriebs betrifft die Lehre und Forschung, und da ist Bürk beruhigt: "Ich denke nicht, daß die Leute dort über das Problem stolpern werden." Nur ein kleiner Teil seiner Rechner hat mit Verwaltungsaufgaben zu tun, so Bürk. Hier werden sicherlich "kleine Änderungen notwendig". Allerdings seien hier eher die Lieferfirmen gefordert, eventuelle Probleme in den Griff zu bekommen.

Ähnlich gelassen sieht man es in der Verwaltung der TU Berlin. "Bei unseren tragenden Anwendungsprogrammen sehe ich keine Probleme", erläutert Uwe Müller, Referatsleiter für Datenverarbeitung. Zum Beispiel die Software zur Personal- und die Studentenverwaltung: Sie wurde von der Hochschulinformationssystem GmbH (HIS) aus Hannover erstellt, einer von Bund und Ländern getragenen Einrichtung, die den Hochschulen kostenlos Software zur Verfügung stellt. "Wenn es in diesen Programmen Probleme gibt, dann wäre die HIS dafür zuständig", erklärt Referatsleiter Müller, "aber die kennen ja das Thema und werden sich auch darum kümmern." Die Programme zur Finanzverwaltung, die von einem privaten Unternehmen gekauft wurden, sind auch unproblematisch. Die Programme werden bis zum Jahrtausendwechsel sowieso erneuert, so Müller, und da ist der Software-Produzent in der Pflicht, daß alles in Ordnung gehe.

In der Zentraleinrichtung Rechenzentrum (ZRZ) ist man skeptischer. "Ich wäre nicht sicher, daß das ohne Probleme gehen wird", sagt Reinhard Gülker; Leiter der ZRZ-Arbeitsgruppe für Basissoftware. "Wir sind zwar seit Jahren bei unserer Software-Programmierung bemüht, daß wir kein Problem mit dem Jahrtausendwechsel einbauen, aber auch da habe ich schon mal einen Fehler entdeckt." Seine Einschätzung: "Hundertprozentige Sicherheit gibt es bei diesem Problem nicht!"

Ein systematisches Durchforsten von jeglicher Software hält Gülker für unrealistisch -nicht nur an der Zentraleinrichtung Rechnezentrum, sondern auch an anderen Stellen und Unternehmen, wo mit großem Aufwand Arbeitsgruppen eingesetzt werden. An einem einzelnen PC könne man schon mal Eingaben simulieren oder die interne Uhr auf das Jahr 2000 vorstellen, so Gülker, mit einem ganzen Rechnernetz wie am Rechenzentrum ginge das nicht mehr. "Es existiert kein systematisches Verfahren, um diese Fehler zu finden", so die Einschätzung des ZRZ-Mitarbeiters. Mehr als aufmerksam zu programmieren und gelegentlich Fehler aufzuspüren, könne man nicht tun.

Beruhigt ist Gülker lediglich, was ein ähnliches Problem bei den UNIX-Rechnern der ZRZ angeht: Deren interne Uhr zählt die Zeit in Sekunden seit 1970; mit der rechnerinternen 32-Bit-Darstellung fängt diese Uhr auch einmal wieder bei Null an - allerdings erst im Jahr 2035.

René Schönfeldt


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