Erste Priorität ist der Universitätsumbau

Hans-Jürgen Ewers, Kandidat der liberal-konservativen Fraktion, will ein "Neuplanung" der TU Berlin

Erste Priorität für den künftigen Präsidenten der TU Berlin wird der Universitätsumbau, der einem organisatorischen Neubau gleichkommt, sein müssen. Ein Herunterkürzen der mehr als 600 Stellen für Professorinnen und Professoren (1992) auf etwa 300 (vom Jahr 2000 an) läßt sich nicht im Wege von ein wenig Zusammenrücken in den Fächern und der Umwidmung von Ersparnissen bei den Mietkosten bewerkstelligen. Das wäre Traumtänzerei. Protest gegenüber dem politischen Senat ist reine Zeitverschwendung, was das Ausmaß des Abbaus anbetrifft. Härte wird allerdings im Hinblick auf die Sicherung der Übergangsbedingungen gezeigt werden müssen.

Bei der fälligen Neuplanung der TU Berlin muß jede Einrichtung (Institut, Fachbereich, Verwaltungseinheit) systematisch auf den Prüfstand, und zwar im Hinblick auf die künftigen Ziele der TU Berlin in Forschung, Lehre und Weiterbildung. Diese Ziele werden zunächst - und dies ist einer TU angemessen - in Form von Technologiebereichen definiert, in denen die künftige TU Berlin Forschung, Lehre und Weiterbildung anbieten wird. Für die Auswahl dieser Bereiche wird der Akademische Senat (AS) Grundsätze formulieren müssen, etwa wie folgt:

  1. Es sollte sich um zukunftsträchtige Bereiche handeln, die für eine Periode von 15 bis 20 Jahren tragen. Maßgeblich ist also nicht die heutige, sondern die künftig zu erwartende Nachfrage.
  2. Die TU Berlin sollte in diesen Bereichen die Chance haben, zu den europäischen Spitzenanbietern in Forschung, Lehre und Weiterbildung aufrücken zu können. Dies bedeutet, daß in diesen Bereichen bereits heute Stärke an der TU vorhanden sein sollte.
  3. Um gleichzeitig den politisch erwünschten Beitrag der TU Berlin zur Standortbildung in Berlin und Brandenburg zu liefern und die Vorteile räumlicher Nähe zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bei der anwendungsorientierten Forschung und der Lehre auszunutzen, sollten auf den auszuwählenden Technologiefeldern soweit wie möglich auch Stärken, zumindest Entwicklungspotentiale der Berliner und Brandenburger Wirtschaft vorhanden sein.

Auf der Basis solcher Grundsätze können sich dezentrale Initiativen an der TU Berlin formieren, die Vorschläge für Schwerpunkte unterbreiten. In diesen Vorschlägen muß auch das erforderliche ergänzende Angebot aus den Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften beschrieben werden, ohne das solche Schwerpunkte weder in der Forschung noch in der Lehre und Weiterbildung zukünftig betrieben werden können.

Bei der danach möglichen Entscheidung über die Grundstruktur der TU Berlin sind, abgesehen von Budgetrestriktionen, weitere Grundsätze zu beachten. An erster Stelle muß darauf geachtet werden, daß die für künftige Ingenieure immer notwendigere Breitenbildung in den Geistes- und Sozialwissenschaften garantiert ist. Des weiteren muß bei den Disziplinen, die die ergänzenden Angebote bereitstellen, sichergestellt sein, daß sie eigene Studiengänge an der TU Berlin anbieten und damit ihren eigenen Nachwuchs ausbilden können. Sonst wird man auf die Dauer Probleme bekommen, hochkarätige Fachvertreterinnen und -vertreter für diese Bereiche anzuziehen. Wo das nur mit erheblichen Mehrkosten möglich ist, muß ein interuniversitärer Service in Erwägung gezogen werden. Vieles wird deshalb davon abhängen, ob die heute an der TU Berlin vorhandenen natur-, geistes- und sozialwissenschaftlichen Studienrichtungen in der Lage sein werden, ihre Kollegen in den künftigen Technologieschwerpunkten von der Notwendigkeit ihrer Angebote zu überzeugen, und ob die Vertreter der künftigen Schwerpunkte offen genug sind, wirtschaftlichen, sozialen, politischen, ökologischen und kulturellen Aspekten in ihren Curricula ausreichend Raum zu geben. Um das richtige Maß dabei wird der Streit gehen, den sich die TU Berlin nicht ersparen kann.

Der ganze Prozeß der Strukturdebatte sollte nicht wesentlich mehr als ein Jahr in Anspruch nehmen. Danach können die erforderlichen Übergangsprozesse definiert, in Verhandlungen mit den anderen Berliner Universitäten und dem Berliner Senat finanziell abgesichert und umgesetzt werden.

Dies ist eigentlich schon Programm genug für eine Vierjahresperiode. Dennoch muß der künftige Präsident auch an einigen anderen Fronten aktiv werden.

  • Die mit Abstand wichtigste dieser Fronten betrifft die Studienreform. Kurzfristig müssen vor allem Maßnahmen getroffen werden, um die laufenden Studiengänge unter den geltenden Finanzrestriktionen zu sichern. Dies wird den Hochschullehrern eine gewisse zusätzliche Überlast abverlangen, die allerdings durch die Vereinbarung von Wiedereinstellungskorridoren für wissenschaftliche Mitarbeiter mit dem Berliner Senat soweit wie möglich gemindert werden muß, nicht zuletzt auch im Interesse des wissenschaftlichen Nachwuchses. Zu überlegen ist auch, ob man in jenen Disziplinen, in denen die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt Teilzeitbeschäftigung für wissenschaftliche Mitarbeiter zuläßt, solche Teilzeitbeschäftigung wieder erlaubt. Dabei sollte dann allerdings auch - zum Beispiel über die FNK - ein gewisser Druck ausgeübt werden, daß teilzeitbeschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter wirklich mehr Zeit für ihre Promotionen bekommen als vollzeitbeschäftigte und dann auch früher fertig werden.
    Mittelfristig geht es darum, in den zu etablierenden Schwerpunkten neue Studiengänge zu etablieren, die nicht nur neue fachliche Schwerpunkte setzen, sondern auch die bislang im Studienreformprozeß gewonnenen Erfahrungen über effektive Lehrformen und zeitsparende Studienorganisation umsetzen. Dazu gehört auch die regelmäßige interne und externe Evaluation aller Lehraktivitäten, mit der die TU Berlin noch am Anfang steht, ebenso wie eine gewisse Verkopplung von Evaluation und Finanzzuweisungen, um die Anreizstrukturen zu verbessern.
  • Zwei weitere Fronten eröffnen sich mit der unabdingbaren Verwaltungs- und Finanzreform. Bei der Verwaltungsreform geht es darum, alle gewachsenen Verwaltungsaktivitäten auf ihre Notwendigkeit, Effizienz und organisatorische Einbindung (z. B. zentral/dezentral; interne/externe Erledigung) hin zu überprüfen und ggf. anzupassen. Bei der Finanzreform steht die Einführung des Globalbudgets auf allen Universitätsebenen auf der Agenda. Wichtigster Grundsatz wird hier die Zusammenführung von Handlungskompetenz und Budgetverantwortung sein.
  • Last but not least möchte ich auf einen Aufgabenbereich hinweisen, dem der künftige Präsident besondere Aufmerksamkeit widmen sollte: der Förderung des kooperativen Zusammenwirkens aller TU-Mitglieder und der Verbesserung des Images der TU Berlin nach innen und außen. Dazu gehört eine ganze Reihe von Maßnahmen, die im einzelnen zu beschreiben hier der Raum fehlt. Der Grundsatz wird sein, mehr informelle Treffen zwischen Professorinnen/Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern und Studierenden ebenso wie zwischen Angehörigen der Universität und Vertreterinnen/Vertretern der Politik, Wirtschaft und Verwaltung zu ermöglichen, um auf diese Weise zu einer kooperativen und imageprägenden Kultur beizutragen. Dazu gehört bisweilen auch eine gewisse Form. Denn wenn wir als TU-Mitglieder uns selber nicht ernst nehmen, wie können wir erwarten, daß andere dies tun.

Hochschulpolitisch werde ich auch als Präsident der TU Berlin nicht aufhören, für mehr Wettbewerb innerhalb und zwischen den Universitäten zu werben. Was die Umsetzung solcher Ideen in der TU Berlin betrifft, so weiß ich sehr wohl zu unterscheiden zwischen dem, was unter den heutigen Rahmenbedingungen gut für die TU Berlin ist, und dem, was erst einer Veränderung der Rahmenbedingungen bedarf, um gut für die TU Berlin zu sein. Insofern halte ich zum Beispiel gar nichts von dem Studiengebührenmodell, das uns der Berliner Senat anbietet, die 100 DM Verwaltungsgebühr inclusive. Aber die TU Berlin soweit wie möglich auf den unvermeidlichen Wettbewerb zu rüsten, zählt zu meinen wichtigsten Handlungszielen im Falle meiner Wahl zum Präsidenten.

Hans-Jürgen Ewers


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