Zusammenarbeit mit allen Gruppen

Ulrich Steinmüller, Kandidat der Reformfraktion, will Konsens über Ziele und Aufgaben der TU Berlin

Die Technische Universität Berlin befindet sich in einem Zustand extremer Verunsicherung und außerordentlich großer Unruhe. Ursache hierfür sind vor allem die Finanzprobleme des Landes Berlin sowie die daraus resultierenden Unwägbarkeiten von Wissenschafts- und Finanzpolitik, die auch die Universitäten in Mitleidenschaft ziehen. Das Klima in der Universität ist gereizt und verkrampft; es werden Verteilungskämpfe vorbereitet oder bereits durchgeführt. Die Gesprächsbereitschaft zwischen den Gruppierungen der Universität ist gegen Null gesunken, und ein tiefer Graben durchzieht unsere Universität.

Damit wir wieder handlungsfähig werden und um vor allem auch der Politik gegenüber als ernst zu nehmender Gesprächspartner auftreten zu können, muß es die erste Aufgabe des neu gewählten Präsidenten sein, diese Verkrustungen aufzubrechen und die Grabenkämpfe zu beseitigen. Dies kann natürlich nicht durch Top-down-Anordnungen des Präsidenten erreicht werden. Viel Geduld und die Einbeziehung aller Gruppierungen und Einrichtungen unserer Universität ist hierzu erforderlich. Dies kann der Präsident nicht alleine tun. Und er kann es nicht tun, indem er sich auf eine ihm nahestehende Gruppierung und sonst niemanden stützt.

GEMISCHTES PRÄSIDIUM

Meine Absicht ist es daher, mit einem Präsidium zusammenzuarbeiten, in dem durch die drei Vizepräsidenten das Spektrum der hochschulpolitischen Gruppierungen unserer Universität möglichst breit vertreten ist. Der 1. Vizepräsident soll dabei erstens aus dem Bereich der Ingenieurwisenschaften und zweitens nicht aus meiner eigenen hochschulpolitischen Gruppierung kommen. Anders als in der Vergangenheit werden die Vizepräsidenten mit eigenständigen Aufgabengebieten betraut werden, die sie - selbstverständlich unter der gesetzlichen Verantwortung des Präsidenten - gestalten. Ich möchte hier keinen Fächergruppenegoismus oder -lobbyismus entstehen lassen. Daher will ich eine Strukturierung nach Querschnittsaufgaben etablieren, so etwa Zuständigkeiten für Angelegenheiten der Forschung, für Angelegenheiten der Entwicklungsplanung, für Angelegenheiten von Lehre, Studium und Weiterbildung.

Die TU Berlin muß sich wieder darauf besinnen, daß sie nur als funktionierende Institution überleben kann. Das bedeutet, daß alle Gruppierungen und Statusgruppen an der Gestaltung der Universität mitwirken müssen. Auch wenn das Berliner Hochschulgesetz sicherlich nicht optimal ist, so eröffnet es doch - von einem demokratischen Grundtenor getragen - Mitwirkungsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Gremien, die der Präsident ernst zu nehmen hat und mit denen er konstruktiv zusammenarbeiten muß. Zwischen der Leitungsebene, den zentralen Gremien und den Fachbereichen und ihren Gliederungen ist ein Grundkonsens über Zielrichtungen und Aufgabestellungen der TU Berlin erforderlich, der nur durch Respektieren der jeweiligen Zuständigkeiten und die vertrauensvolle Information über notwendige Entscheidungen erreicht werden kann.

KEINE HIERARCHISIERUNG

Eine Hierarchisierung der Fachbereiche und -gebiete von wichtig bis unwichtig ist ebenso unsinnig wie der Versuch, gezielt einzelne Gruppierungen der Universität von diesen Entscheidungsprozessen auszuklammern.

Erst wenn dieser Konsensus über Selbstverständnis und Zielsetzungen unserer Universität zumindest in Umrissen erkennbar ist, wird es möglich sein, begründet über die Beibehaltung oder Aufgabe von Fachgebieten, Studienrichtungen oder Forschungsschwerpunkten zu diskutieren und zu beschließen. Ich habe sehr konkrete Vorstellungen in diesem Kontext, die ich allerdings auf dem mir hier zur Verfügung stehenden Platz zu meinem Bedauern nicht ausführen kann.

Zentraler Gedanke ist dabei, daß die TU Berlin in Lehre und Forschung durch disziplinäres, vor allem aber auch durch interdisziplinäres Arbeiten ein Profil entwickelt, das sie nicht nur von den Universitäten in Berlin und der Region, sondern vor allem auch von anderen Technischen Universitäten und Technischen Hochschulen deutlich unterscheidet. Nur auf diese Weise können wir die für uns lebensnotwendige Attraktivität wiedergewinnen, die es uns ermöglicht, sowohl Studierende, Neuzuberufende als auch Drittmittelgeber für uns zu interessieren. Höchstleistungen in der Forschung sind hierzu ebenso erforderlich wie die gründliche Überarbeitung und Neukonzeption der bei uns angebotenen Studiengänge.

DIALOG IST NÖTIG

Um dies zu erreichen, muß der Dialog zwischen Fachkolleginnen und Fachkollegen wieder in Gang kommen, ebenso wie zwischen Hochschullehrern und Studierenden. Auch zwischen den Gliederungen der Verwaltung und den Fachbereichen muß gerade angesichts der vor uns stehenden, gravierenden Veränderungen in der gesamten Universität wieder zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zurückgefunden werden. Hier konstruktiv zu arbeiten, heißt nicht kritiklos zu sein, es muß aber allen bewußt sein, daß es um die Erreichung eines gemeinsamen Zieles geht.

Von besonderer Bedeutung ist mir hierbei das Verhältnis zwischen Präsident und der Vertretung der Studierenden. In der Vergangenheit war dies eher ein Nichtverhältnis, das im günstigsten Falle darin bestand, Konfliktbegrenzung zu betreiben. Nach zwölf Jahren werde ich der erste Präsident sein, der den Versuch macht, ernsthaft und systematisch einen Gesprächs- und Arbeitskontakt mit den Vertreterinnen und Vertretern der Studierenden nicht nur aufzunehmen, sondern kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dies wird keinesfalls immer konfliktfrei verlaufen; ich vertraue aber darauf, daß es z. B. in den gemeinsamen Interessen an der Verbesserung der Studienbedingungen wie auch an einer permanenten Studienreform als gemeinsame Aufgabe eine genügend breite Basis gibt, wie auch in dem Verständnis unserer Universität als eines Zentrums geistiger Auseinandersetzungen und eines kulturellen Ortes in der Stadt.

WECHSEL AUF DIE ZUKUNFT

Wahlprogramme sind wie ein Wechsel auf die Zukunft, dessen Bonität sich erst erweisen muß. Nach mehr als neun Jahren im Amt eines Vizepräsidenten (und noch immer voll mit Ideen und Konzepten) bin ich, so denke ich, in der TU Berlin bekannt. Eine Katze im Sack wird man mit mir nicht kaufen.

Ulrich Steinmüller


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