NEU BERUFEN
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Für die klassischen Geowissenschaften bedeutet der natürliche
Untergrund etwas vollkommen anderes als für das Bauingenieurwesen.
Für die Geowissenschaften ist der Untergrund eine Art Geschichtsbuch,
das nur in weltweit verstreuten, teilweise verschlüsselten
Fragmenten lesbar ist. Diese Fragmente zu finden, zu deuten und
mit Hilfe von Analogieschlüsseln so zu verbinden, daß
der Aufbau des geologischen Untergrundes stofflich, strukturell
und zeitlich transparent wird, ist ihr Arbeitsziel.
Für die Bauingenieure ist der Untergrund ein Baustoff, in dem, auf dem und mit dem gebaut werden muß. Dementsprechend wird er hinsichtlich seiner Festigkeit und Verformbarkeit sowie seiner hydraulischen Eigenschaften ähnlich berechnet wie ein künstlich hergestellter Baustoff. Im Gegensatz zum künstlich hergestellten Industrieprodukt ist der geologische Untergrund jedoch ein sehr inhomogenes Naturprodukt, das von Bauprojekt zu Bauprojekt hinsichtlich seiner technischen Eigenschaften schwankt. Deshalb muß der Baugrund, vor allen bei Projekten mit größerer Ausdehnung, jedes Mal neu erkundet und hinsichtlich seiner gerade gefragten technischen Eigenschaften beschrieben werden. Hierzu wird gebohrt, sondiert und es werden Proben gewonnen, die in geotechnischen Labors untersucht werden. Die geologischen, mineralogischen, mechanischen, hydraulischen und auch chemischen Daten, die bei den Untersuchungen gewonnen werden, müssen von den Ingenieuren in einem berechenbaren Modell vereint werden. Hier sind Fachleute gefragt, die nicht nur geowissenschaftliches Wissen, sondern auch den Hintergrund eines Bauingenieurs besitzen. An dieser Stelle hat sich die Ingenieurgeologie als interdisziplinäres Fach etabliert. An der TU Berlin gibt es seit 1983 einen Lehrstuhl für Ingenieurgeologie. Seit dem Sommersemester 1996 ist Prof. Dr. Joachim Tiedemann neuberufener Professor für den Lehrstuhl im Institut für Angewandte Geowissenschaften II. Die TU Berlin ist nicht neu für den 1950 in Berlin geborenen Joachim Tiedemann, studierte er doch bis zum Vordiplom hier Geologie. Er wechselte dann an die RWTH Aachen, wo er das Studium der Ingenieurgeologie abschloß und anschließend promovierte. Nachdem er über zwei Jahre in der Praxis tätig war, kehrte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter des gerade neu gegründeten Fachgebiets, für das er heute Professor ist, an die TU Berlin zurück, wo er sich auch habilitierte. Er verließ die Universität nach fünf Jahren erneut, um noch einmal für mehrere Jahre in der Praxis tätig zu werden. 1992 wurde er am Landesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe Brandenburg in Kleinmachnow Leiter der Abteilung Ingenieurgeologie. Hier beschäftigte er sich hauptsächlich mit der Sanierung der geotechnischen Folgen des Braunkohlebergbaus in Brandenburg und dem zur Zeit noch laufenden Bau der ICE-Trasse von Hannover nach Berlin. Seinen Studierenden bringt er seine langjährige Praxiserfahrung mit, die Studien- und Prüfungsordnung des neuen Studiengangs Geoingenieurwissenschaften/Angewandte Geowissenschaften an der TU Berlin wird ihm dabei nicht fremd sein, war er doch an ihrer Ausarbeitung beteiligt. tui © 12/'96 TU-Pressestelle [ ] |