Meinungen aus der Praxis

Hans Christoph Buch


Ein Schriftsteller namens Buch


Die Technische Universität Berlin und der bekannte TU-Literaturprofessor Walter Höllerer - beides hängt für den Berliner Schriftsteller Hans Christoph Buch eng zusammen. Kein Wunder, denn als Buch Anfang der 60er Jahre nach Berlin - und an die Technische Universität - kam, geschah dies auf Einladung Walter Höllerers.

"Ich war damals noch keine zwanzig Jahre alt," erinnert sich Buch heute. Höllerer hatte gerade das Berliner Literarische Colloquium gegründet und Buch auf einer Veranstaltung der Gruppe 47 getroffen, wo der junge Autor aus seinen ersten Arbeiten vorlas. Höllerer lud den Nachwuchsschriftsteller nach Berlin ein, wo Buch 1963 Stipendiat des ersten Jahrgangs im Literarischen Colloquium wurde. "Unter Anleitung von Günter Grass, Walter Höllerer, Uwe Johnson und anderen haben wir dort über unsere Texte diskutiert. Das war eine einmalige Chance damals, die es so nicht wieder gegeben hat."

Im Wintersemester 1963/64 nahm Buch auch sein Studium an der FU und an der TU Berlin auf. Seine Fächer: Germanistik und Slawistik. "Zunächst war ich mehr an der FU aktiv", erzählt Buch, "dann mehr an der TU, weil das Studium dort praxisorientierter war. Walter Höllerer hatte Interesse, junge Autoren unter seinen Studenten zu haben, die auch promovieren wollten. An der FU war das Studium sehr viel akademischer, hatte nicht diesen Bezug zur Gegenwartsliteratur."

Höllerer organisierte an der TU Berlin zahlreiche Literaturveranstaltungen und Lyriklesungen mit bekannten Dichtern, darunter Allen Ginsberg oder Jewgenij Jewtuschenko. In Gastvorlesungen hörte der junge Student Buch bekannte Persönlichkeiten wie den Literaturwissenschaftler Hans Mayer, den englischen Dichter William Auden oder den Literaturtheoretiker Lucien Goldmann. Während dieser Zeit - 1966 - veröffentlichte er sein erstes Buch, eine Sammlung von sechs Erzählungen mit dem Titel "Unerhörte Begebenheiten".

Dann kam eine lange Pause, in der Buch promovierte. Buch: "Die Promotion fiel zusammen mit der Studentenrevolte, eine turbulente Phase der Politisierung, die auch mein späteres Leben geprägt hat. Einerseits durch die theoretische Aufarbeitung des Marxismus in einem kritischen Sinn. Andererseits der Versuch, dieses Wissen auf die Literatur und die Literaturkritk anzuwenden. Und dann der Versuch - das war schon schwieriger -, es mit dem eigenen Schreiben zu kombinieren."

1972, nachdem er seine Doktorarbeit fertiggestellt hatte und die TU Berlin verließ, gelang ihm die Kombination. Er veröffentlichte sein zweites Buch: "Kritische Wälder", eine Sammlung von Kritiken zur marxistischen Literaturtheorie aus der Zeit der Studentenbewegung. Im Rowohlt-Verlag arbeitete er dann als Lektor, wurde Mitbegründer der Zeitschrift "Literaturmagazin". Lehraufträge führten ihn in den 70er Jahren an die Universitäten in Bremen und Essen, später ging er als Gastdozent nach Kalifornien, New York und Texas, unternahm Vortrags- und Lesereisen in Südamerika.

Die Theorie ist für Hans Christoph Buch jedoch nur ein Teil des literarischen Lebens: "Literaturkritk und die Literaturwissenschaft sind sozusagen mein Spielbein," erklärt er: "Mein Standbein ist das eigene Schreiben."

In den 80er Jahren wandte er sich damit in Richtung Karibik. Politische Interessen für die dritte Welt, der Reiz der lateinamerikanischen Literatur und die eigene Biographie waren für Buch die Gründe: "Mein Großvater hatte sich in Haiti niedergelassen und eine Einheimische geheiratet. Alle drei Bände schildern die Geschichte Haitis, kombiniert mit der Geschichte meiner Familie bzw. der Geschichte von anderen Deutschen, die dorthin ausgewandert oder verschlagen worden sind."

Nach Deutschland zurückgekehrt ist Buch dann vor kurzem mit "Der Burgwart der Wartburg", einem Werk, das er vor wenigen Wochen im Rahmen der Veranstaltung "Berliner Schriftsteller lesen" an der TU Berlin vorstellte: Eine Stasi-Satire, in der ein Agent einer geheimen Organisation drei große Persönlichkeiten der deutschen Geistesgeschichte observiert - Luther, Goethe und Brecht.

Für sein jüngstes Buch verließ Buch ein weiteres Mal Berlin. Im Auftrag von zwei Wochenzeitungen suchte er Kriegs- und Krisengebiete wie Liberia, Ruanda und Burundi, Bosnien und Tschetschenien auf, verarbeitete seine deprimierenden Eindrücke zu Reportagen. Das Buch mit dem Titel "Die neue Weltunordnung" erscheint in diesem Monat im Suhrkamp-Verlag. rs

Eine Auswahl aus den "Buch-Veröffentlichungen": "Unerhörte Begebenheiten" (Erzählungen, 1966) "Kritische Wälder" (1972); "Die Hochzeit von Port-au-Prince", "Haiti chéri", "Rede des Kolumbus am Tag des jüngsten Gerichts" (Roman-Trilogie zu Haiti); "Karibische Kaltluft", "Tropische Früchte" (Reiseberichte und Reportagen), "Der Burgwart der Wartburg" (Stasi-Satire); "Die neue Weltunordnung" (Reportagen, voraussichtlich Februar 1996)

rs


[TU Berlin] [Pressestelle] [TU intern] [Februar '96]