Die Große Koalition und die Universitäten

Was man an der TU Berlin von den Vereinbarungen der CDU und SPD hält


Die Koalitionsvereinbarungen zwischen
CDU und SPD in Berlin schlugen an den
Hochschulen wie eine Bombe ein. Was
sich Politiker für den Bereich Wissen-
schaft und Forschung überlegt haben,
stieß vielerorten auf Entgeisterung und
Ablehnung. Im Mittelpunkt der Pläne
stehen weitere Kürzungen im Haushalt.
Sie sollen u.a. durch die Einstellung von
jenen Studiengängen durchgesetzt wer-
den, die an mehreren Berliner Universi-
täten angeboten werden. Pharmazie und
Sportwissenschaften sollen an der Hum-
boldt-Universität gestrichen werden,
Zahnmedizin und Informatik an der FU.
An der TU Berlin ist die Liste noch
länger: Sie umfaßt die die Sozialpädagogik
und die Grundschulpädagogik, die Lehr-
ämter Geographie, Physik, Chemie und
Biologie sowie Lehramt und Magister in
den Fächern Germanistik und Anglistik.
TU intern fragte, was TU-Angehörige über
diese Pläne denken.

Dr. Robert Tolksdorf, Assistent am Fachbereich 13 Informatik

Ich habe während meines Informatik-Studiums auch Veranstaltungen am Fachbereich 1 Kommunikations- und Geschichtswissenschaften besucht und fand es immer sehr angenehm, daß die TU solch ein geisteswissenschaftliches Angebot hat. Wenn jetzt weiter abgebaut wird - und das trifft immer den Fachbereich 1 - dann wäre das sehr schade. Was die beabsichtigte Schließung der Informatik an der FU angeht: Ich finde es unsinnig, ein neues Gebäude zu bauen und einen Studiengang gleich nach seiner Eröffnung wieder zuzumachen.

Marcus Beer, Wirtschaftsingenieurwesen, 9. Semester

Für mich wäre die Streichung der Lehramtsstudiengänge kein Problem. Ich fände es eigentlich ganz in Ordnung, wenn sich die Technische Universität wieder mehr auf das Technische konzentrieren würde. Ich würde es schon begrüßen, wenn die Lehramts-Studiengänge eher an die Humboldt-Universität gingen und die sich dann auf die Geisteswissenschaften konzentrieren würde. Das Physik-Lehramt, was ja schon technischer ist, könnte schon an der TU bleiben.

Thomas Heine, Energie- und Verfahrenstechnik, 9. Semester

Ich studiere im Moment Energie- und Verfahrenstechnik und möchte umschwenken auf Berufsschullehrer. Daß die Lehramtsstudiengänge jetzt wegfallen sollen, ist meiner Meinung nach eine absolute Katastrophe. Ich finde, daß gerade die TU dafür zuständig ist, nicht nur technisches Wissen zu vermitteln, sondern auch den pädagogischen und sozialen Bereich dabei nicht auszulassen. Mit unserer Bildung muß es so weitergehen, daß wir ein weitgestreutes Bildungswesen haben, das heißt, daß selbst die Ingeniere gezwungen werden müßten, einige soziale und gesellschaftswisenschaftliche Fächer zu studieren. Denn die Ingenieure müssen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewußt sein.

Hans Dieter Zimmermann, Professor am Institut für Deutsche Philologie, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft

Anglistik und Germanistik aus dem Fachbereich 1 Kommunikations- und Geschichtswissenschaften herauszubrechen, wäre so sinnvoll, wie zwei Ecken aus dem Reichstag herauszubrechen und den Rest dann stehen zu lassen. Da wäre es fast sinnvoller, alles wegzuräumen. Aber das geht nicht.
Das europaweit einzige Zentrum für Antisemitismusforschung und die Romanistik mit dem gerade von der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung beschlossene Frankreich-Zentrum kann man nicht beseitigen. Eine der Professuren des Frankreich-Zentrums wird in unserem Institut angesiedelt sein: Vergleichende Literaturwissenschaft deutsch-französisch. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte geisteswissenschaftliche Zentrum "Literaturforschung" wird auch unserem Institut angegliedert. Außerdem ist gerade eine deutsch-tschechische Arbeitsgruppe mit Potsdam und Prag an unserem Institut gegründet worden.
Im übrigen würde man kaum viel sparen: Wir Professoren sind Beamte auf Lebenszeit, und der Senat muß uns auch Gehalt zahlen, wenn er uns zur Humboldt-Universität schiebt. Er verliert nur Ausbildungskapazität. Die Germanistik an der FU ist seit Jahren hoffnungslos überlaufen, die an der Humboldt-Universität seit kurzem. Nur an unserem Institut gibt es noch überschaubare Seminare in angemessenen Räumen.

Kirsten Bröckl, Lehramt Fertigungstechnik und Sozialkunde, 9. Semester

Lehramt an der TU abschaffen? Für uns Berufsschullehrer könnte es ein Vorteil sein, denn im Grundstudium müssen wir einen ganz großen Teil von dem lernen, was die Maschinenbauer machen. Und das ist nicht unbedingt das, was die Lehrer brauchen. Von den Maschinenbauern profitieren wir nicht, weil das ein ganz anderes Fachgebiet ist. Als Lehrer muß ich Schülern eher die Grundlagen beibringen, dafür aber ausgiebiger. Das Problem bei der Einstellung der Studiengänge ist allerdings, daß so etwas an der Humboldt-Universität gar nicht angeboten wird. Für den Berufsschulbereich müßte man deshalb überlegen, ob man ihn teilweise hier an der Technischen Universität läßt oder ob man eine neue Hochschule gründet. .

Diether Gebert, Professor am Fachbereich 14 Wirtschaft und Management, AS-Mitglied

Nicht das Koalitionspapier, sondern die Kritiker dieses Papieres sind zu kritisieren. Erstens: Nachdem diese Universität bisher nicht imstande war, aus eigenen Kräften selber ein fundiertes und widerspruchsfreies Konzept vorzuschlagen, aus dem die Schwerpunkte möglicher Sparmaßnahmen herleitbar sind, ist eine diesbezügliche Kritk seitens der Universität an dem politischen Senat ein Zeichen politischer Unreife und Arroganz. Zweitens: Das Koalitionspapier schlägt bezogen auf die TU ein konsequentes Maßnahmenpaket vor, das bei aller Strittigkeit im Detail inhaltlich in die richtige Richtung geht und mittelfristig dazu beiträgt, endlich die unerträgliche Selbstlähmung des Akademischen Senats - siehe die vergangene POKA-Runde* - zu beenden und diese Universität wieder entscheidungs- und handlungsfähig zu machen. [* POKA = Arbeitsgruppe Perspektiven, Koordination, Organisation. Anm. d. Red.]


[TU Berlin] [Pressestelle] [TU intern] [Februar '96]