Zwei wissenschaftliche Kulturen zusammenzubringen - das ist das Ziel des Zentrums Technik und Gesellschaft, das nach rund zehn Jahren Vorbereitungszeit im vergangenen Dezember seine Arbeit aufnahm. "Das Zentrum soll die beiden Kulturen von Technik- und Gesellschaftswissenschaftlern mit ihren unterschiedlichen Sprachen zusammenbringen," so beschreibt es Dr. Wolfgang Neef, einer der Initiatoren.
Zwar gab es bereits in den 70er Jahren weltweit Projekte unter dem Oberbegriff "Technikfolgenforschung", trotzdem blieben die Technik- und Gesellschaftswissenschaftler jeweils weitgehend unter sich: Techniker entwickelten Produkte, die die Gesellschaftswissenschaftler dann im Rahmen von "Begleitforschungen" auf ihre sozialen Auswirkungen hin untersuchten.
"Heute stellt man von vornherein Überlegungen an, welche Folgen eine Entwicklung haben kann - sowohl von technischer als auch von sozialwissenschaftlicher Seite. Und man läßt diese Erkenntnisse in den Entwicklungprozeß mit einfließen," erklärt Wolfgang König, TU-Professor für Technikgeschichte und Mitglied des wissenschaftlichen Leitungsgremiums des ZTG.
"Das Zentrum soll ein Instrument sein, um das, was bisher - auch an der TU Berlin - eher in Form von Einzelprojekten und Einzelkooperationen getröpfelt ist, jetzt in einen kontinuierlichen Fluß zu verwandeln," beschreibt ZTG-Initiator König. Die TU Berlin biete dafür die besten Voraussetzungen, so König: "Hier sind alle Technik- und Naturwissenschaften und die wichtigsten Sozial- und Geisteswissenschaften vorhanden. Ein hervorragendes Potential, das bislang nicht genügend ausgenutzt worden ist."
ÜBER DIE TU BERLIN HINAUS
Nicht nur für die TU Berlin, auch für die deutschen Hochschulen insgesamt soll das ZTG eine wichtige Rolle spielen. "Das Forschungs- und Diskussionsfeld ,Technik und Gesellschaft' ist in Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren aus den Universitäten
hinausgewandert, z. B. an Großforschungseinrichtungen und an Akademien." so Professor König: "Unser strategisches Ziel ist es, einen Teil dieser Forschung und der Diskussion zurück an die Universität zu holen. Ein Ziel wäre, daß die TU ein Zentrum, wenn nicht sogar das Zentrum der interdisziplinären Technikdiskussion in Deutschland wird. Instrumente hierfür sind bereits angedacht: eine wissenschaftliche Zeitschrift und eine anspruchsvolle Buchreihe."
Was die thematischen Schwerpunkte angeht, werden angewandte Bereiche wie Verkehr oder Umwelt im Vordergrund stehen. Wolfgang Neef: "In solchen Bereichen wird das Zentrum die Chance haben, konkret auf die Technikgestaltungsprozesse, die an der TU Berlin stattfinden, Einfluß zu nehmen." Theoretische und grundlagenbezogene Themen sind auch vorgesehen, "etwa die Reflexion über die Technikwissenschaften als eine spezifische Wissenschaftsgruppe und Überlegungen zur technischen Bildung", ergänzt Wolfgang König.
Wie erfolgreich das Zentrum seine Aufgaben bewältigen wird, soll in zweieinhalb Jahren diskutiert werden, wenn der Zwischenbericht fällig ist. Nicht nur die Lehrveranstaltungen und der Diskurs zu Technik und Gesellschaft werden dann im Akademischen Senat evaluiert. "Eine ganz wesentliche Rolle", so Professor König, "werden die eingeworbenen Drittmittel spielen. Denn das Zentrum soll sich darüber unmittelbar amortisieren." Vor dem Hintergrund leerer Kassen und geringer werdender Drittmittel kein leichtes Unterfangen. Wolfgang Neef und Wolfgang König sind allerdings guten Mutes: "Es ist zwar eine extrem schwere Zeit, aber wir glauben, daß das Zentrum gut genug ist, um es zu schaffen."
rs