Nachgefragt

Muß man das Internet kontrollieren?


Das Internet ist wieder in die Schlagzeilen geraten - dieses Mal nicht als wissenschaftliches Informationsmittel der Zukunft, sondern als Medium, über das Kinderpornographie verbreitet wird. Im vergangenen November durchsuchten Beamte der bayerischen Staatsanwaltschaft Geschäftsräume und Unterlagen der Firma Compuserve, einem der weltweit größten kommerziellen Computernetze. Neben eigenen Informationen bietet Compuserve auch einen Zugang in das nicht-kommerzielle Internet, das wissenschaftliche Einrichtungen und Hochschulen weltweit miteinander verbindet. Neben vielen wissenschaftlich-seriösen oder auch harmlos-interessanten Themen enthält das Internet an einigen Stellen aber auch sexistische und rassistische Bilder und Texte.

Das Landgericht München, das die Durchsuchung veranlaßte, begründete sein Vorgehen deshalb mit dem "Verdacht, daß über das System kinderpornographische Darstellungen verbreitet werden." Obwohl es rechtlich vollkommen unklar ist, ob ein Netzanbieter wie Compuserve für die Inhalte verantwortlich ist, kam das Unternehmen der Staatsanwaltschaft entgegen und sperrte rund 200 der mehr als 6000 Internet-Diskussionsforen (sogenannte Newsgruppen) für seine Kunden. Ein bisher einmaliger Vorgang bei einem kommerziellen Computernetz. Wie sieht es mit dem Internet und seinen Inhalten an der TU Berlin aus? René Schönfeldt fragte für TU intern den Leiter der Zentraleinrichtung Rechenzentrum (ZRZ) Helmut Gürtler.


Helmut Gürtler

An welche Informationen kommt man
heran, wenn man an einem Rechner der
TU Berlin Zugang zum Internet hat?

Man kommt an einen Großteil des sogenannten News-Systems heran. Das sind weltweit mehrere Tausend Diskussionsforen zu den unterschiedlichsten Themen. An der ZRZ werden rund 5 500 Gruppen angeboten. Über einige kann man sich auch Bilddateien besorgen. Außerdem hat man von der TU aus Zugang zum World Wide Web, in dem Texte und Bilder in einer graphischen Oberfläche integriert sind.

Gab es an der TU Berlin schon mal
Schwierigkeiten mit den Inhalten, die im
Internet verbreitet werden?

Ja, vor rund zwei Jahren gab es Probleme mit Pornobildern, die über das Netz verbreitet wurden. Daraufhin gab es einen Beschluß des Akademischen Senats der TU Berlin, dies zu verbieten. Dessen Inhalt wurde auch in die Ordnung der ZRZ aufgenommen. Dort heißt es jetzt: "Gewaltverherrlichende, pornographische, rassistische und volksverhetzende Darstellungen in Bild, Ton und Schrift sind untersagt."

Werden an der TU Berlin bestimmte Dis-
kussionsforen oder andere Informations-
angebote von vornherein nicht angeboten?

Ja, nach den Vorfällen vor zwei Jahren sperren wir den Zugang zu einzelnen Gruppen, deren Texte und Bilder wir nicht über unsere Rechner weiterverbreiten. Derzeit betrifft das ca. 15 Gruppen. Dabei ist der Name der Gruppe ein erstes Indiz; bei Verdacht schauen wir uns den Inhalt der Gruppe genauer an und entfernen die Gruppe gegebenenfalls. Der Haken dabei ist, daß man verbotene Inhalte auch in Gruppen schreiben kann, die harmlose Namen tragen. Ansonsten sind wir auf Hinweise angewiesen.

Sollte man sich an der TU Berlin mehr dar-
um kümmern, was inhaltlich auf dem Netz
ausgetauscht wird?

Das kann man sicher bejahen, aber der Aufwand für eine vollständige inhaltliche Kontrolle ist unglaublich groß. Jeden Tag gehen allein 380 Megabyte an neuen Texten für die Newsgruppen an der TU Berlin ein. Wenn man bedenkt, daß ein Megabyte rund 200 Schreibmaschinenseiten Text enthalten kann, sieht man, daß das nicht kontrollierbar ist.


[TU Berlin] [Pressestelle] [TU intern] [Januar '96]