Sprechender Farbfinger

Jörn Gerhard von der TU Berlin gewinnt bei "Jugend forscht"

Sehbehinderte müssen die Welt ertasten. Sie können Formen ertasten und auf diese Weise zum Beispiel auch lesen. Was bisher jedoch nicht möglich war, nämlich das Erkennen von nicht-ertastbaren Dingen, wie beispielsweise Farben, geht nun auch. Jörn Gerhard, der im zweiten Semester Elektrotechnik an der TU Berlin studiert, hat einen "Farbfinger" entwickelt, der es Sehbehinderten ermöglicht, Farben zu erkennen. Diese Erfindung machte ihn zum Bundessieger im Bereich Technik des diesjährigen Bundeswettbewerbs "Jugend forscht".

Jörn Gernhard mit dem von ihm entwickelten Farbfinger: Er kann Farben erkennen und Beschreiben
Jörn Gerhard hat sich Gedanken darüber gemacht, was für eine wichtige Bedeutung Farben in unserem Leben haben. Verkehrszeichen und Signale im Straßenverkehr werden erst durch ihre Farbe auffällig und leicht erkennbar, reife Früchte kann man häufig nur an ihrer Farbe von unreifen unterscheiden. Farbwahl bei Einrichtung und Kleidung sagt viel über denjenigen aus, der die Farben ausgewählt hat. Farben helfen uns auch, wenn wir etwas sortieren, und mit Farben kann man sich vieles besser merken - die rote Zahnbürste gehört Otto, die grüne Hildegard. Obwohl Farbinformationen sehr wichtig für uns sind, nehmen wir sie zumeist nur unbewußt wahr. Im Gegensatz zu Farbenblinden und Blinden, denen diese Informationen fehlen und daher oft in Schwierigkeiten geraten. In ihrer normalen Umgebung können sie sich darauf einstellen und für sie erkennbare Merkmale an Gegenständen und Kleidern anbringen, in einer fremden Umgebung gibt es solche Hinweise nicht.

Hier ist Jörn Gerhard auf die Idee gekommen, ein Gerät zu bauen, das Farben messen kann. Sein Farbfinger soll wie ein Finger, mit dem Blinde bekanntlich lesen können, die Augen zumindest ein wenig ersetzen. Der Sehbehinderte kann Farben "ertasten" indem er den Farbfinger auf den jeweiligen Gegenstand hält und eine Taste drückt. Der Farbfinger beleuchtet dann die Fläche nacheinander mit rotem, grünem und blauem Licht und errechnet aus dem reflektierten Licht mit Hilfe eines Microcontrollers eine Farbe. Der Farbfinger kann nicht nur "tasten", er kann auch sprechen - per Sprachausgabe informiert er den Benutzer über die Farbe.

Der 1974 in Schleswig geborene Jörn-Hinnrich Gerhard studiert seit dem Wintersemester 1995/96 Elektrotechnik an der TU Berlin. Bevor er nach Berlin kam, arbeitete er nach seinem Abitur als Zivildienstleistender bei der Arbeiterwohlfahrt in Schleswig und betreute hier teilweise auch Blinde. Jörn Gerhard hat ein Preisgeld in Höhe von 3000 DM und einen Sonderpreis in Höhe von 1000 DM erhalten. Außerdem wird der Farbfinger im Deutschen Museum in München ausgestellt.

bw


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