Das grüne Gewissen

Gerda Gollwitzer - Ehrendoktorin der TU Berlin

Sie war Lehrbeauftragte für Geschichte der Gartenkunst an der Fachhochschule für Landschaftsarchitektur in München-Weihenstephan, freischaffende Landschaftsarchitektin, Chefredakteurin der Zeitschrift "Garten und Landschaft" und Autorin mehrerer Fachbücher. Vor allen Dingen war Gerda Gollwitzer eine der Persönlichkeiten, die den Berufsstand der Garten- und Landschaftsarchitekten nach dem Krieg wieder auf- und auszubauen half. Durch ihre Lehrtätigkeit legte sie entscheidende Grundlagen für die Anerkennung traditioneller Werte der Gartenkunst - und das zu einer Zeit, als dies noch kein wesentliches Thema zu sein schien. Daß wir heute noch in so manchem historischen Garten oder Park Ruhe und Entspannung finden können, ist nicht zuletzt dem Wirken dieser Gartenarchitektin zu verdanken, die die Gartenkunst und -pflege immer auch als große soziale Aufgabe sah. Gerda Gollwitzer ist eine der wenigen Frauen, die die Ehrendoktorwürde der TU Berlin verliehen bekam.

Parks, in denen man Ruhe und Entspannung findet: ein großes Anligen von Gerda Gollwitzer

"Die Wissenschaft von der Geschichte der Gartenkunst ist - wie jede andere Geschichte - keine lebensferne Wissenschaft, sondern im Garten noch mehr als auf anderen Gebieten eng mit dem Leben von heute verbunden". Diese Erkenntnis wurde zur Leitlinie der Garten- und Landschaftsarchitektin, deren Ziel immer die getreue Erhaltung oder Wiederherstellung der grünen Architektur war, ohne dabei den Menschen auszuschließen. Nicht mehr das steife Spazierengehen auf Kieswegen und zwischen den Wiesen der historischen Anlagen befriedige die Bedürfnisse der Menschen, so Gerda Gollwitzer, sondern sich auf den Wiesen tummeln, ballspielen oder picknicken gehöre jetzt zu ihren Vergnügen. Die neue Aufgabe sah Gerda Gollwitzer darin, "... diese für das Stadtleben von heute so unentbehrlichen Bereiche so zu pflegen, daß sie in ihrem historischen Bezug und Wert erhalten bleiben und doch der Bevölkerung weitmöglichste Chance zum Leben darin geben." Sie definierte den "historischen Garten" als ein Kunstwerk, das lebt und täglicher Veränderung unterworfen ist. Dabei verwies sie auf die Qualität der Gestaltung vieler noch erhaltener alter Garten- und Parkanlagen, die sie als "großartigste Beispiele der Landschaftsplanung" bezeichnete.

Die 1907 in Pappenheim geborene Mittelfränkin erkannte die Bedeutung historischer Gärten zu einer Zeit, unmittelbar nach Kriegsende, als diesen noch überhaupt keine Aufmerksamkeit zuteil wurde. Nach siebenjähriger praktischer Arbeit als Gärtnerin studierte Gerda Gollwitzer Garten- und Landschaftsarchitektur in München-Weihenstephan. Von 1945 bis 1956 lehrte sie, als eine der ganz wenigen, "Geschichte der Gartenkunst" an der Fachhochschule für Landschaftsarchitektur in Weihenstephan. Ihre Lehrtätigkeit gilt für die Gartengeschichte als entscheidend, und es ist nicht zuletzt dieser Frau mit zu verdanken, daß die "Geschichte der Gartenkunst" an deutschen Hochschulen institutionalisiert und ein fester Bestandteil städtischer Investitionspolitik im Bereich der Freiflächenentwicklung geworden ist.

Neben ihrer Tätigkeit als Dozentin leitete Gerda Gollwitzer als Chefredakteurin die Zeitschrift "Garten und Landschaft", der sie im In- und Ausland nach Kriegsende wieder hohe Anerkennung verschaffte. Gemeinsam mit Werner Wirsing verfaßte sie 1962 ein Buch über "Dachgärten und Dachterrassen", ein Thema, dem zu dieser Zeit in der Praxis noch kaum Bedeutung zuerkannt wurde.
Auch in einem anderen Bereich hat sich die Frau mit dem grünen Gewissen als "Vordenkerin" erwiesen. In ihren letzten Büchern über "Bäume" schrieb sie: "Die Wüste wächst - die Rechnung dafür wird die Menschheit in der Zukunft bezahlen müssen, wenn sie nicht in letzter Minute statt einseitiger Ausbeutung mit den neu gewonnenen Erkenntnissen der ökologischen Zusammenhänge wieder eine behutsame Partnerschaft zwischen Mensch und Natur aufbaut."

Am 21. April 1989 verlieh die Technische Universität Berlin Gerda Gollwitzer die akademische Würde des "Doktor Ingenieur Ehren halber". Gerda Gollwitzer starb am 25. Januar 1996 diesen Jahres.

Monika Bloch


© 6/'96 TU-Pressestelle