"Vom Kern her absurd"

Stellungnahme der Elektrotechnik-Professoren

Zur Kontroverse um den AS-Beschluß vom 24. April nahmen natürlich auch die Professoren des Fachbereichs Stellung.

"Wir weisen diesbezüglich auf folgende Fakten hin:

1. Die vom Senat des Landes Berlin geforderten Einsparungen sollen aus der Reduktion von Doppelangeboten von Studiengängen an den drei Berliner Universitäten erbracht werden. Der Studiengang Elektrotechnik an der Technischen Universität Berlin stellt kein solches Doppelangebot dar, nachdem das Elektrotechnik-Angebot an der HU Berlin schon kurz nach der Wiedervereinigung eingestellt wurde. Die vom AS in Erwägung gezogene Auflösung des Studienganges Elektrotechnik an der TU Berlin würde unsinnigerweise ein Einfachangebot aus dem Schwerpunktbereich der Technischen Universität Berlin der Erhaltung von Doppelangeboten aus den nichttechnischen Randgebieten derselben opfern.

2. Mit 2103 eingeschriebenen Studierenden steht der Studiengang Elektrotechnik nach Architektur, Informatik und Wirtschaftsingenieurwesen an vierter Stelle von insgesamt 121 Studiengängen der TU Berlin. Der Ausländeranteil (730 Studierende) liegt sowohl absolut als auch relativ (35%) mit Abstand an der Spitze.

3. Die universitäre Ausbildung und Forschung auf dem Gebiet der Elektrotechnik besteht in Berlin, seit sich Werner von Siemens dafür eingesetzt hat und 1885 der erste Lehrstuhl begründet wurde, auf enger Zusammenarbeit mit der ansässigen Industrie. Darüber hinaus hängen Standortentscheidungen der Industrie stets von der Verfügbarkeit einer einschlägigen Ausbildungsstätte für Ingenieure ab. Die Abschaffung des Studienganges Elektrotechnik würde demgemäß der Wirtschaft von Berlin und Brandenburg beträchtlichen Schaden zufügen. Hinzu kommt, daß die große Anzahl ausländischer Studierender langfristig eine positive Auswirkung auf unsere exportorientierte Wirtschaft erwarten läßt - auch diesbezüglich wäre ein großer Schaden zu erwarten.

4. Es soll in dem zitierten AS-Beschluß der Eindruck erweckt werden, als seien die Studiengänge Informatik und Technische Informatik ausreichend, um den Bedarf elektrotechnischer Ingenieur-Ausbildung an der TU Berlin abzudecken. Es verwundert, daß diese Idee von einer Gruppierung des AS vertreten wird, die noch vor kurzem den Studiengang Technische Informatik für gescheitert erklärt hat. Er ist von Anfang an nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung des Studiengangs Elektrotechnik konzipiert worden und soll in seinem elektrotechnischen Teil auch Aspekte der Informationstechnik und Kommunikationstechnik vermitteln.

5. Im Rückblick auf die Entwicklung der Elektrotechnik und die mehr als 100jährige universitäre Ausbildung auf diesem Gebiet wäre es falsch gewesen, jeder stürmischen Neuentwicklung eines Zweiges die Ausbildung in den anderen Zweigen zu opfern. Es war vielmehr immer richtig, die Elektrotechnik als umfassendes Wissensgebiet der elektrischen Erscheinungen und ihrer technischen Nutzung zu sehen. Bei allem Respekt vor der momentan rapiden Entwicklung der Kommunikationstechnik und der nun schon eher als ,klassisch' anzusehenden Mikroelektronik darf man nicht die Verzahnung solcher Neuentwicklungen mit den übrigen Zweigen, besonders auch der Energietechnik übersehen. Man wird auch kaum vorhersagen können, welches Fachgebiet demnächst eine ,Hausse' haben wird. Gerade auch wegen der schnellen Entwicklungen und der schnellen Wechsel von Schwerpunkten in der Elektrotechnik muß das Studium der Elektrotechnik ein breites Wissen und Methodenkenntnisse vermitteln, die den so ausgebildeten Ingenieur in seinem Berufsleben die zu erwartenden Änderungen seiner Arbeitsgebiete unbeschadet meistern läßt. Die Spezialisierung gegen Ende des Hauptstudiums ist deshalb im allgemeinen lediglich ein exemplarisches Training für solche Wechsel. Eine Zerstückelung der Elektrotechnik, womöglich zugunsten einer Schmalspurausbildung kann deshalb nur einem destruktiven Geist entspringen.

6. Für eine Schwerpunktbildung Informations- und Kommunikationstechnik bedarf es weder der Zerstückelung des Fachbereiches Elektrotechnik noch der Abschaffung des gleichnamigen Studienganges. Die Kooperation zwischen den Fachbereichen Informatik und Elektrotechnik ist traditionell gut und kann weiter ausgebaut werden.

Zusammenfassend können wir aus unserer Sicht die vom AS vorgeschlagene Diskussion vom Kern her nur als absurd bezeichnen. Wir werden uns deshalb auch nicht im Rahmen des AS oder seiner Unterkommissionen daran beteiligen. Es gibt sinnvolle und dringende Aufgaben, für die wir unsere knappe Zeit verwenden wollen."

Dieser Stellungnahme des Fachbereichs schließen sich 21 der 26 Elektrotechnik-Professoren an: Otto Manck, Wilfried Schacht, Peter Noll, Dietrich Naunin, Klaus Petermann, Bernd Kulicke, Heino Henke, Heinrich Kaase, Herbert Reichl, Heinrich Klar, Gerhard Mönich, Manfred Stiebler, Hans Günther Wagemann, Georg Böck, Rolf Hanitsch, Reinhold Orglmeister, Horst H. Berger, Karl Wolters, Dieter Filbert, Irmfried Hartmann, Wilfried Kalkner


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