"Sehr lange Tradition"

Die Studierendenvertreter/innen zur möglichen Auflösung des Fachbereichs 12 Elektrotechnik

Den Vorschlag einer AS-Mehrheit, über die Schließung des Studiengangs Elektrotechnik nachzudenken, haben nicht nur Professoren kommentiert. Auch die beiden Studierendenvertreter/innen des Fachbereichs 12 haben dazu eine Meinung. Sie weisen in diesem Zusammenhang auf folgende Punkte hin:

a) Als im Jahre 1946 die TU Berlin gegründet wurde, sahen sich die Alliierten auf Grund der Rolle der TH Charlottenburg im faschistischen Deutschland gezwungen, der neuen Universität bestimmte Auflagen zu machen.

So sollte durch Ergänzung des rein technischen Ausbildungsbetriebes um sozialwissenschaftliche Fachgebiete verhindert werden, daß Ingenieure und Ingenieurinnen ohne Berücksichtigung der sozialen Folgen ihres Handelns zu Tätern bzw. Täterinnen und Mitläufern bzw. Mitläuferinnen menschenverachtender Politik werden. Statt dies als Erfahrung, Mahnung und Verpflichtung anzunehmen sind auch heute noch viele technische Studiengänge weitgehend isoliert von den Sozialwissenschaften.

Dies zeigt sich zum Beispiel darin, daß nach 50 Jahren Elektrotechnik-Studium an der TU Berlin der Wahlanteil an nichttechnischen Fächern im Studiengang bei 3% liegt.

Nur so ist zu verstehen, daß wiederholt von Professoren wie auch von Studierenden die Schließung von "nichttechnischen Randgebieten" gefordert wurde. Sparmaßnahmen und Umstrukturierungen an der TU Berlin sollen daher immer auf die "überflüssigen" Sozialwissenschaften abgewälzt werden. Die Gefahr von Lehre und Forschung ohne Beachtung ihrer sozialen Folgewirkungen besteht also nach wie vor.

b) Der Fachbereich Elektrotechnik ist ein Fachbereich mit einer sehr langen Tradition. Diese oft hervorgekehrte Geschichte des Fachbereiches hat aber auch ihre Nachteile. So werden inneruniversitäre demokratische Strukturen häufig durch interne Absprachen unter Professoren ausgeschaltet. Selbst studierendenfreundliche Paragraphen der Prüfungsordnung werden durch traditionelle Vorgehensweisen unterlaufen.

Änderungen der Studien- und Prüfungsordnung sind schwierig, da über den Fakultätentag eine bundesweite Gleichschaltung aller Elektrotechnikstudiengänge unter dem Vorwand der Vergleichbarkeit erreicht wurde und Alleingänge von professoraler Seite nicht unterstützt werden. Trotz Vorteilen dieser Gleichschaltung hat dies unter anderem zur Folge, daß Veränderungen im Rahmen dieser Strukturen nahezu unmöglich sind.

c) Der Anteil von Frauen, welche sich entscheiden, ein Studium der Elektrotechnik aufzunehmen, ist sehr gering. Daß dies nicht nur inneruniversitäre Gründe hat, ist uns klar. Dennoch muß festgestellt werden, daß sämtliche Bemühungen von Frauen, dieses Studium frauenfreundlicher zu gestalten, durch eingeschworene Männerbünde vereitelt wurden.

So existiert an diesem Fachbereich kein Frauenförderplan, da alle von Frauen des Fachbereiches ausgearbeiteten Vorschläge im Fachbereichsrat abgelehnt wurden. Mittlerweile schreiben Männer an einer männerfreundlichen Version.

Leider ist abzusehen, daß auf diesem Wege wohl nie eine Frau eine Professur an diesem traditionellen Fachbereich erhalten wird.

d) Gerade in Zeiten schneller Entwicklungen und schneller Wechsel von Schwerpunkten in der Elektrotechnik ist dieser Fachbereich nachweislich nicht in der Lage gewesen, seine Strukturen angemessen zu verändern. Jegliche Umstrukturierung wurde von vornherein abgelehnt, auf Althergebrachtes wird weiterhin vertraut.

So vergingen mehrere Jahre bis die Institutsneugliederung ernst genommen wurde und auch nach deren Umsetzung sind mehrere Institute nicht bereit die neugeschaffenen Strukturen zu akzeptieren und umzusetzen.

Auch dies mag ein Grund dafür sein, daß immer weniger Elektrotechnikstudierende den Weg zur TU Berlin finden.

Zusammenfassend können wir aus unserer Sicht feststellen, daß der Vorschlag des Akademischen Senates bezüglich der Auflösung des Fachbereiches Elektrotechnik und Angliederung einiger Fachgebiete an andere Fachbereiche als die einzig mögliche Konsequenz aus diesen Punkten erscheint.

Nur so können seit Jahren notwendige Veränderungen eingeleitet und durchgeführt werden, welche durch die bisherige Struktur des Fachbereiches Elektrotechnik verhindert wurden.

Claudia Schulz,
Manfred Winkelnkemper,
Studierendenvertreter/innen des Fachbereichs 12 Elektrotechnik


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