"Einem Streik nicht abgeneigt"

Tarifstreit im Öffentlichen Dienst - Wie sieht's an der TU Berlin aus? - Interview mit Achim Jäckel, ötv-Betriebsgruppe

"Wenn derzeit von Tarifausseinandersetzungen und den sechs Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst die Rede ist, dann hat das natürlich auch mit der TU Berlin zu tun. Rund 3000 Wissenschaftliche und Sonstige Mitarbeiter arbeiten hier. Alle sind von den Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern betroffen.

Am 21. Mai machte die TU-Betriebsgruppe der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ötv) mobil und nahm an den bundesweiten Warnstreiks teil. Rund 200 der knapp 700 ötv-Mitglieder an der TU Berlin legten zwischen acht und zehn Uhr die Arbeit nieder und informierten über die Gewerkschaftsforderungen: 4,5% mehr Lohn und Gehalt, keine Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Angleichung der Ost-Bezahlung an das West-Niveau.

Zu den Hintergründen der Tarifauseinandersetzungen sprach René Schönfeldt von TU intern mit Achim Jäckel, Vorstandsmitglied der ötv-Betriebsgruppe.

Achim Jäckel
Warum wurde am 21. Mai nur an der TU Berlin gestreikt, und nicht an der Freien Universität oder der Humboldt-Universität?

Bei Warnstreiks werden von der Bezirksleitung der Gewerkschaft einige repräsentative Betriebe ausgewählt, diesmal unter anderem die Technische Universität. Die TU ist sehr geeignet, weil sie zentral liegt und die Aktion dadurch sehr öffentlichkeitswirksam wird. Wir sind hier auch ganz gut organisiert und können das schnell durchführen. An der Humboldt-Universität ist die Betriebsgruppe meines Wissens kleiner. Wahrscheinlich sind sie auch nicht gefragt worden.

Sind die TU-Beschäftigten in irgendeiner Weise besonders von den Arbeitgeberforderungen betroffen?

Nein. Da gibt es keine Unterschiede zu den Beschäftigten in den anderen öffentlichen Betrieben oder Behörden, sei es Stadtreinigung, Polizei oder andere Hochschulen. Jeder merkt, daß das Leben immer teurer wird: Preise, Mieten, Stadtreinigung - alle Belastungen gehen in Höhe. Aber das Einkommen soll gleichbleiben. Daneben werden Milliardenprojekte wie der Transrapid oder der Tiergartentunnel gefördert, und die Politikerdiäten werden erhöht. Das betrifft alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst gleichermaßen.

Wird es weitere Aktionen an der TU Berlin geben?

Im Moment herrscht Friedenspflicht. Wenn es nach der Schlichtung nicht zu einem Tarifabschluss kommt, werden wir an der TU Berlin auf jeden Fall an der notwendigen Urabstimmung teilnehmen. Beim letzten Streik 1994 waren wir auch dabei. Und wie ich die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen derzeit einschätze, sind die meisten einem Streik heute auch nicht abgeneigt.

1994 haben die Streikenden an der TU Berlin einige Gebäude geschlossen, nur eine "Notbesetzung" konnte arbeiten. Könnte es nach dem harmlosen Warnstreik im Mai bei einem richtigen Streik wieder zu ernsthafteren Aktionen kommen?

Ja. Wenn es zu einem Streik kommt, werden wir wieder etwas ähnliches wie 1994 auf die Beine stellen.


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