Schwarze Bretter im Internet

Wer die Romane des britischen Fantasy-Autoren Terry Pratchett zu seinen Steckenpferden zählt und sich gerne mit anderen Menschen darüber austauscht, hat es nicht leicht: Denn selten findet man Gleichgesinnte, die in der gleichen Straße oder in der gleichen Stadt wohnen. Nicht anders geht es Wissenschaftlern mit ihren immer spezieller werdenden Fachgebieten: Die Spezialisten, die sich mit Plasmaphysik beschäftigen, findet man nicht an jeder Ecke, und die Gespräche auf der Fachkonferenz, die man sich einmal im Jahr leisten kann, sind einfach zu selten.

Zum Glück gibt es aber das Usenet, ein weltweites elektronisches Konferenzsystem. Es funktioniert ähnlich wie die elektronische Post des Internet, die E-Mail. Der kleine Unterschied: E-mail funktioniert ähnlich wie der richtige Postverkehr, in der Regel zwischen zwei oder - bei Mailing-Listen - mehreren bekannten Nutzern. Das Usenet dagegen ist ein öffentliches Forum, das wie ein schwarzes Brett von vielen Menschen gelesen werden kann, die bei Bedarf und Interesse gerne mal in eine Diskussionsrunde hineinschauen können.

Unterteilt ist das Usenet in mehrere tausend Einzelforen, sogenannte Newsgruppen, die sich jeweils einem speziellen Thema widmen. Das Spektrum reicht von französischer Küche über die Fruchtfliege Drosophila bis hin zu Aspekten der universitären Lehre in Berlin. Jedes dieser Foren kann man sich als lange Liste von Redebeiträgen vorstellen. Sie enthält Ankündigungen, Fragen und Antworten, Thesen und Gegenthesen. Je nach Gruppe und Teilnehmern kann es eine müde Gruppe mit wenigen, launigen Beiträgen pro Woche sein. Oder es kann Schlag auf Schlag zu hitzigen Wortgefechten vor einem internationalen Publikum kommen.

Um sich in der Vielzahl von mehreren tausend Newsgruppen weltweit zurechtzufinden, sind die einzelnen Foren hierarchisch geordnet. Auf der obersten Hierarchiestufe gibt es sogenannte top level domains, die eine grobe Einteilung in Themenbereiche vornehmen, darunter "comp" für Computer-Themen, "sci" für Natur- und Geisteswissenschaften, "de" für die über 250 deutschen Newsgruppen oder "talk" für Diskussionen aller Art. Weitere hierarchische Verfeinerungen werden jeweils mit einem Punkt getrennt: "bln.jobs" bezeichnet dann eine Newsgruppe, in der Stellenangeboten und -gesuche im Berliner Raum gesammelt werden. Unter "alt.fan.pratchett" unterhalten sich Freunde speziellen britischen Humors. Und die Plasma-Physiker diskutieren unter "sci.physics.plasma".

Usenet ist übrigens kein Teil des weltumspannenden Internet. Das Usenet ist vielmehr ein Verbund von vielen Tausend Server-Rechnern, die die Nachrichten der Newsgruppen weltweit untereinander austauschen und sich auf einem aktuellen Stand halten. Das Internet wird allerdings meistens zum Transport der News-Beiträge genutzt.

Seit der ersten Usenet-Entwicklung von Studenten der amerikanischen Universitäten Duke und North Carolina im Jahre 1979, ist die Gemeinde der News-Nutzer rasant gewachsen. Das Deutsche Forschungsnetz e. V. (DFN, der Betreiberverein des Internet für die deutsche Forschung) schätzte bereits vor einem Jahr, daß weltweit rund 300 000 Server-Rechner im Einsatz seien. Auf ungefähr elf Millionen belaufe sich die Anzahl der Leserinnen und Leser, so die Schätzung des DFN.

Jeder Usenet-Nutzer muß im News-Programm seines Rechner einstellen, auf welchem News-Server er seine Newsgruppen abonniert. An der TU Berlin stehen beispielsweise die zwei News-Server der Zentraleinrichtung Rechenzentrum (ZRZ) und des Fachbereichs Informatik zur Verfügung. Der ZRZ-Rechner "news.zrz.tu-berlin.de" bietet beispielsweise rund 5 500 Newsgruppen an, darunter auch mehr als 50 Gruppen der "bln.*"-Hierarchie, etwa "bln.termine", "bln.humor", "bln.lehre.schule" oder "bln.lehre.informatik".

Wer sich im Usenet tummeln will, sollte allerdings mit Bedacht vorgehen, denn leicht kommt es bei den Beiträgen, die nur aus Text bestehen, zu Mißverständnissen und Konflikten. Um Pöbeleien und ähnlichem Ungemach vorzubeugen, empfiehlt es sich, die Etikette des Usenet, die sogenannte Netiquette, zu Gemüte zu führen. Sie ist in einer der Newsgruppen zu finden, die gerade für Einsteiger zur Pflichtlektüre gehören: "de.newusers". Empfehlenswert sind auch die englischsprachigen "news.newusers.questions" und "news.announce.newusers".

rs

Eine Einführung in die Newsgruppen, ihre Geschichte und ihren Aufbau ist auf dem World-Wide-Web-Rechner der ZRZ zu finden, unter der Adresse http://www.TU-Berlin.DE/zrz/dienste/netz/news/index.html Ansprechpartner für Newsgruppen an der ZRZ ist Frank Elsner, E-Mail: News@zrz.TU-Berlin.DE, Tel.: 314-2 38 97


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