Jubiläum ohne Agrarwissenschaften

Die ehemaligen TU-Agrarwissenschaftler fehlten bei den 50-Jahre-Feierlichkeiten

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus 15 Fachbereichen waren dabei, als die TU Berlin im April ihre Eröffnung vor 50 Jahren beging. Ein Wissenschaftsbereich feierte nicht so wie die anderen, obwohl er eine lange Tradition in der TU Berlin und ihren Vorgängereinrichtungen aufweist: die Agrarwissenschaften. Sie waren 1992 an die Humboldt-Universität übergesiedelt. Welche Bedeutung sie in den Jahren davor für die Geschichte der TU gehabt haben, zeigt eine kleine Chronik:

Jubiläen mit den Agrarwissenschaftlern gab es bereits früher. So beging die damalige Fakultät für Landbau 1956 das 75jährige Jubiläum der "Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin"; 25 Jahre später war es dann der Fachbereich Internationale Agrarentwicklung, der den hundertsten Geburtstag der Hochschule beging. Bei beiden Jubiläen sahen sich die Agrarwissenschaftler als die Nachfolger "nach Auftrag und Geist" der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin, wie es Lothar Richter, ehemaliger TU-Professor für Landwirtschaftliche Betriebslehre, beschreibt.

Im Westteil von Berlin waren die Agrarwissenschaftler Anfang der 50er Jahre an die TU Berlin gelangt. Durch einen Beschluß des Abgeordnetenhauses vom April 1951 wurden die in den Westsektoren liegenden Universitätsinstitute der Landwirtschaft, des Gartenbaues und der Landwirtschaftlichen Technologie zu einem Hochschulinstitut für Landwirtschaft und Gartenbau zusammengefaßt und als Fakultät für Landbau der TU Berlin angegliedert. Fünf Jahre verwaltet sich die Fakultät für Landbau selbständig, bis sie im April 1956 in die Kuratorialverfassung der TU Berlin eingegliedert wird.

INTERNATIONALE AKTIVITÄTEN

Weltweit bekannt wurde sie für ihre internationalen Aktivitäten: 1959 wurden Lehrstuhl und das Institut für Ausländische Landwirtschaft wiedereingerichtet. 1962 gründet man hier das Postgraduierten-Seminar für Landwirtschaftliche Entwicklung (SLE), an dem Nachwuchskräfte aus Deutschland und den Ländern der Dritten Welt für Tätigkeiten in der Entwicklungshilfe ausgebildet wurden.

Rund 600 Absolventen bildete das SLE in den dreißig Jahren seines Bestehens als Agrarentwicklungsexperten aus, die in allen Gegenden der Welt eingesetzt wurden.

1970 wurde die Fakultät für Landbau bei der Universitätsneugliederung aufgeteilt, und zwar in die Fachbereiche Landschaftsentwicklung, Lebensmittel- und Biotechnologie sowie Internationale Agrarentwicklung.

DAS ENDE 1992

Das Ende der Agrarwissenschaften an der Technischen Universität Berlin läutete schließlich 1992 das Abgeordnetenhaus ein. Es bestimmte über das sogenannte Fusionsgesetz, daß die Internationale Agrarentwicklung der TU Berlin an die Humboldt-Universität verlagert wurde und dort mit dem Fachbereich Agrar- und Gartenbauwissenschaften zusammenging.

Für den ehemaligen TU-Agrarwissenschaftler Lothar Richter ein enttäuschendes Ende nach 41 Jahren Gartenbauwissenschaften an der TU Berlin: "Leider haben politische Rücksichtnahmen - nämlich jeder der Universitäten etwas geben zu wollen - es verhindert, die produzierenden Bereiche aus Landwirtschaft, Gartenbau und Binnenfischerei mit Begleitung durch die zugehörigen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und die entsprechenden Verarbeitungstechnologien bis hin zur Lebensmittelchemie zu einer Fakultät an einer Universität zu vereinen. Damit ist man weit hinter dem zurückgeblieben, was die Landwirtschaftliche Hochschule Berlin einmal repräsentierte."

René Schönfeldt


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